von Giacomo Puccini (1858 – 1924), Dramma lirico in vier Akten, Text nach einer Erzählung von Abbé Prévost von Ruggero Leoncavallo, Luigi Illica, Domenico Oliva, Marco Praga, Giulio Ricordi, Giuseppe Giacosa, Giuseppe Adami und vom Komponisten; UA: 1896 Turin
Regie: Giancarlo del Monaco, Dramaturgie: Marita Müller, Bühnenbild: Johannes Leiacker, Kostüm: Birgit Wentsch
Licht: Wolfgang von Zoubek
Dirigent: Riccardo Chailly, Gewandhausorchester, Chor der Oper Leipzig, Einstudierung: Sören Eckhoff,
Solisten: Sondra Radvanovsky (Manon Lescaut), Teddy T. Rhodes (Sergeant Lescaut), Aleksandrs Antonenko (Renato Des Grieux), James Moellenhoff (Geronte di Ravoir), Emanuele Giannino (Edmondo), Erwin Noack (Wirt), Gabriela Scherer (Musiker), Martin Petzold (Ballettmeister), Jordi Molina (Lampenanzünder), Pavel Kudinov (Kapitän)
Besuchte Vorstellung: Premiere 9. Mai 2008
Kurzinhalt
Chevalier Des Grieux, ein Student, und die 18jährige Manon Lescaut verlieben sich Hals über Kopf ineinander und beschließen, entgegen dem Vorhaben ihres Vaters seine Tochter in ein Kloster zu geben, zu fliehen. Nach einem kurzen gemeinsamen Zusammenleben in Paris verläßt Manon ihren Geliebten, um sich fortan von dem wesentlich älteren, reichen Geronte di Ravoir aushalten zu lassen. Als es nach einer Weile zu einem Wiedersehen von Des Grieux und Manon im Hause di Ravoirs kommt, bei dem sich beide ihre immer noch vorhandene Liebe gestehen, werden sie von Manons reichem Gönner in flagranti ertappt. Die Polizei verhaftet Manon, die zur Verbannung nach Amerika verurteilt wird. Des Grieux beschließt in einem Akt der Verzweiflung mit ihr zu gehen. Nach ihrer Ankunft in Übersee irren die beide Liebenden auf der Flucht durch eine öde Landschaft auf der Suche nach Wasser und einer Bleibe. Manon verschmachtet in den Armen ihres Geliebten.
Aufführung
Die Leipziger Inszenierung von Puccinis erster Erfolgsoper ist tatsächlich als eine solche zu bezeichnen, d.h. als ein In-Szene-Setzen der von Partitur und Libretto vorgegebenen Handlung ohne – wie heute ja beinahe schon der Normalfall – einen eigenen Kommentar oder Subtext des Regisseurs bzw. Regieteams zu formulieren. Diese Herangehensweise zeitigte ein wirklich gelungenes Ergebnis. Einzig der Einfall, vor Beginn des zweiten Aktes ein paar Szenen aus einer Manon-Verfilmung von 1926 ohne musikalische Untermalung einzublenden, wirkte ein wenig deplaziert und sorgte wahrscheinlich für eine so nicht beabsichtigte Heiterkeit im Publikum. Del Monaco siedelt die Handlung im späten 19. Jahrhundert an, also in der Entstehungszeit des Werkes. Sehr konsequent sind Kostüm und Bühnenbild im Stile der Jahrhundertwende gehalten, die Choreographie und Personenregie ist sehr abwechslungsreich und dabei geschickt auf die Hauptakteure konzentriert. Mit Ausnahme des Bühnenbildes im letzten Akt, das lediglich ein großes, farbig beleuchtetes Halbrund darstellt, vor dem sich der tragische Schluß der Oper abspielt – welches nebenbei bemerkt auch von der Kostümierung der Protagonistin her sehr an das Schlußbild von Jürgen Flimms Bayreuther Walküre erinnert –, sind die übrigen vier Akte dem veristischen Sujet entsprechend realistisch ausgestattet. Riccardo Chailly, der an diesem Abend erstmalig die Urfassung der Oper vollständig aufführte, hatte das Gewandhausorchester und die Sänger hervorragend im Griff und vermochte der Partitur ihren ganzen Farbenreichtum zu entlocken. Die Sänger, allen voran die der beiden Hauptpartien, boten an diesem Abend überragende musikalische Leistungen und spielten mit größtem Engagement. Sondra Radvanovsky (Manon Lescaut) und Aleksandrs Antonenko (Des Grieux) gebieten exakt über die technischen Mittel, die von einer hochdramatischen Puccini-Partie verlangt werden: also eine mächtige und voluminöse Mitte und Höhe, die auch im Fortissimo ohne Schärfe ist, zugleich aber auch über ein leicht ansprechendes Portamento sowie einen melodramatischen Sprechton. Lobend hervorzuheben ist ferner der warme, dabei mit einer fast schon tenoralen Spitze ausgestattete Bariton von Teddy T. Rhodes (Sergeant Lescaut). Die Chöre, vor allem im ersten Akt, wurden rhythmisch präzise und dynamisch ausgeglichen zum Vortrag gebracht. Dabei zeigte sich auch an den turbulenten Stellen wie dem Schluß dieses Aktes, der in der Urfassung seinerzeit als unaufführbar galt, im Zusammenspiel mit dem Orchester nicht der Hauch einer Unsicherheit. Für die hohe Qualität von szenischer und musikalischer Ausführung sprach nicht zuletzt die enthusiastische Publikumsreaktion, dergestalt, daß noch etliche Sekunden, nachdem der letzte Akkord der Oper verklungen war, gespannte Stille herrschte, bevor es die Zuschauer förmlich von den Sitzen riß. Das Leipziger Publikum bedankte sich bei Sängern, Dirigent und – was hervorgehoben zu werden verdient – auch dem Regieteam mit stehenden Ovationen und lauten Bravorufen.
Fazit
Musikalisch und szenisch bietet die Oper Leipzig eine sehr gute Inszenierung der Manon Lescaut ohne jegliche Abstriche. Eine solide und dezente Regie, Sänger, die in ihrem Fach vollkommen sattelfest sind und natürlich ein Orchester, das die rhythmischen und klanglichen Finessen der Oper brillant zu meistern versteht, machen es einfach, den Gesamteindruck der Leipziger Premiere, die zudem dem Kenner bisher unbekannte musikalische Teile dieses Werkes bietet, knapp zusammenzufassen: rundum empfehlenswert!
Dr. Martin Knust
Bild: Andreas Birkigt
Das Bild zeigt Aleksandrs Antonenko (Des Grieux) und Sondra Radvanovsky (Manon Lescaut).
Schreibe einen Kommentar
Du musst angemeldet sein, um einen Kommentar abzugeben.