Oper in drei Akten von Camille Saint-Saëns (1835-1921), Libretto: Ferdinand Lemaire, UA: 2.12.1877 Weimar
Regie: Patrick Kinmonth, Bühne/Kostüme: Patrick Kinmonth und Darko Petrovic, Licht: Manfred Voss, künstlerische Produktionsleitung: Christian Beier, Dramaturgie: Katharina John, Miriam Kohnert,
Dirigent: Alain Altinoglu , Chöre: William Spaulding
Solisten: Vesselina Kasarova (Dalila), José Cura (Samson), Jörn Schümann (Abimelek), Ante Jerkunica (alter Hebräer), Clemens Bieber (Kriegsbote), Peter Maus (erster Philister), Sergio Vitale (zweiter Philister)
Besuchte Aufführung: 15. Mai 2011 (Premiere)
Samson ruft sein Volk zum Widerstand gegen die Philister auf. Abimelek verspottet die Hebräer. Samson tötet ihn. Dalila versucht nun, Samson in eine Falle zu locken. Nach einigem Zögern läßt Samson sich auf sie ein. Sie ruft die Philister herbei, die Samson gefangen nehmen. Er wird geblendet und seiner Kraft beraubt. Während des Festes zum Sieg über ihn wird der Hilflose dem Spott der Menge ausgeliefert. Er bittet Gott noch einmal um seine frühere Kraft. Als er Dagon huldigen soll, stößt Samson die Tempelsäulen um und die Philister werden darunter begraben.
Aufführung
Zu Beginn der Oper schaut man auf drei Bahngleise, auf denen sich die Hebräer zusammengekauert haben. Die Philister treten als bewaffnete Soldaten auf, Tote werden von der Bühne getragen. Anstelle des Tempeltanzes der Philisterinnen wird ein großer Tisch mit weißem Geschirr gedeckt, an dem Hebräer Platz nehmen. Im zweiten Akt sind die Gleise von Pflanzen überwuchert. Das Liebesduett von Samson und Dalila findet teils auf einem Prellbock, teils auf dem Souffleurkasten statt. Dort bemächtigt sich Samson Dalila, indem er ihre Röcke hochwirft und sich auf sie legt. Im dritten Akt bereut Samson vor dem Vorhang liegend seine Taten. Ein Junge mit einem Koffer erscheint, der sich ihm gegenübersetzt. Gegenseitig schminken sie sich. Während das Bacchanal erklingt, bleibt der Vorhang geschlossen. Wesentliche Teile des Librettos werden nicht in Szene gesetzt oder deutlich verändert: Abimelek wird nicht von Samson getötet, und die Philister erschießen Hebräer. Während des Schlußchores entledigen sich die Philisterinnen ihrer Kleider und erstarren in Unterwäsche bei der jäh abfallenden Schlußtonleiter in ihren Bewegungen. Gleichzeitig schließen sich die Waggontüren.
Sänger und Orchester
In den Rahmenakten dominiert der wunderbar klingende Opernchor mit seinen Wechselgesängen und choralartigen Partien. Es gelingt hier gut, die unterschiedlichen Stimmungen von Hebräern und Philistern gegeneinander abzusetzen (z.B. Voici le printemps – Hier ist Frühling, Chor der Philister, erster Akt oder Arrêtez, ô mes frères! – Haltet an, oh meine Brüder, Chor der Hebräer, erster Akt). Mit großer klanglicher Geschlossenheit begleitet der Chor Samsons Klagegesang, mit dem er seine Taten bereut, aus dem Off zu Beginn des dritten Aktes: Vois ma misère, hélas! – Ach, sieh mein Unglück. Daneben ist die gute musikalische Realisierung durch das Orchester unter Alain Altinoglu zu nennen, das trotz großer Besetzung durchsichtig bleibt und die Sänger nicht übertönt. Vesselina Kasarova (Dalila) kann mit ihrer auch in der Tiefe voll klingenden Mezzosopranstimme überzeugen. Die berühmte Hymne an den Frühling am Ende des ersten Aktes Printemps qui commence – Frühling, der beginnt klingt strahlend und der vom Englischhorn begleitete berühmte Verführungsgesang Mon coeur s’ouvre á ta voix – Mein Herz öffnet sich deiner Stimme am Ende des zweiten Akts gelingt rein musikalisch gesehen ebenfalls bestens, doch vermag die Sängerin dem Charakter der Dalila leider weder etwas sinnlich Betörendes noch rachsüchtig Heuchlerisches zu geben. José Cura (Samson) ist ihr ein musikalisch ebenbürtiger Partner. Er singt den tragischen Helden mit einer weit tragenden Tenorstimme, die er differenziert einsetzt. Er füllt den Teil seiner Rolle als leidender und reuiger Samson ausdrucksstärker und leidenschaftlicher aus als den zwischen Zuneigung und Schuldgefühlen hin- und hergerissenen Beauftragten Gottes. Die Nebenrollen im Bariton- und Baßbereich sind ausnahmslos stimmlich hervorragend besetzt.
Fazit
Diese biblische Oper erhielt durch das minimalistische Bühnenbild über weite Strecken einen konzertanten Charakter. Musikalisch beeindruckten Chor und Orchester mehr als die Solisten, die zwar sehr gut, aber nicht überragend waren. Die Regie wurde bereits nach dem zweiten Akt und erst recht am Ende heftig ausgebuht. Patrick Kinmonth versuchte, unpassende und unverständlich wirkende Aspekte in der biblischen Geschichte unterzubringen. So scheinen Samson und Dalila ein Kind zu haben.
Die fehlenden Tanzelemente, den verfälschten Schluß, der Assoziationen an die Judendeportationen aufkommen ließ, sowie sexuelle Freizügigkeiten nahm das Publikum übel.
Carola Jakubowski
Bild: Barbara Aumüller im Auftrag der DEUTSCHEN OPER BERLIN
Das Bild zeigt: Vesselina Kasarova (Dalila)