Regensburg Theater – DER HUTMACHER

Oper von József Sári (* 1935 in Lenti, Ungarn), Text von Franz Csiky (* 1950 in Mediasch, Siebenbürgen, Rumänien), UA: 29. März 2008, Regensburg, Velodrom
Regie: Ernö Weil, Bühne/Kostüme: Frank Lichtenberg, Licht: Hubert Goetz, Dramaturgie: Christina Schmidt, Dirigent: Raoul Grüneis, Regensburger Philharmoniker
Solisten: Hutmacher (Markus Ahme), Rechtsanwalt (Adam Kruzel), Sohn des Hutmachers (Michael Suttner), Schwiegertochter (Susann Hagel), Drei Damen (Gesche Geier, Ruth Müller, Anna Peshes)
Besuchte Vorstellung: 2. April 2008 (Uraufführung 29. März 2008)

Das Werk
regensburg-der-hutmacher.jpgDie Erzählung Der Hutmacher von Thomas Bernhard wurde vom Autor selbst 1968 für den Deutschlandfunk gelesen. Bis heute ist Der Hutmacher als Text nicht veröffentlicht. 1971 schrieb Thomas Bernhard Der Wetterfleck, ein Stück, das sich eng an den Hutmacher anlehnt. Statt eines Hutmachers haben wir es nun mit einem Bestattungsunternehmer zu tun, dem es letztendlich genauso übel wie dem Hutmacher ergeht. Es ist ein Verdienst des Theaters Regensburg, einen noch unbekannten Bernhard der Öffentlichkeit in Form dieser Oper zugänglich gemacht zu haben.
Kurzinhalt
Der Hutmacher geht zu einem Nachbarn, der Rechtsanwalt ist und klagt diesem sein trauriges Los. Nachdem er seinen Laden seinem Sohn übergeben habe, sei er immer weiter abgeschoben worden. Der Sohn habe geheiratet, den Laden erweitert und weil jedes Jahr ein weiteres Kind geboren wurde, habe er, der Hutmacher, seine Wohnung erst im Parterre, dann auch im ersten Stock aufgeben müssen und sei schlußendlich ins Dachgeschoß abgeschoben worden. Der Hutmacher erzählt seine Leidensgeschichte einhundert Minuten lang, er hätte sie auch in fünf Minuten erzählen können. Aber er redet nur so um Belangloses herum, erzählt von seinen Restaurant-Besuchen und allen möglichen Nebensächlichkeiten. Von seinen eigentlichen Problemen berichtet er nur beiläufig, denn die Geschichte ist in Wirklichkeit das, was man nicht erzählt. Indem man die eigentliche Geschichte nicht erzählt, erzählt man die Geschichte. Denn die ganze Geschichte erzählen ist unmöglich. Der Hutmacher bittet im Gehen den Anwalt, die ganze Sache nicht zur Kenntnis nehmen und zu vergessen. Kurz darauf liest man in der örtlichen Presse von einem Mann, der durch einen Kopfsprung aus dem Dachgeschoß Selbstmord begangen hat. Der Selbstmörder ist der Hutmacher.
Aufführung
Sie war leider ein Beispiel für eine „publikumsfreie Oper“. Zu Beginn der Aufführung verloren sich noch so um die hundert Leute im großen Velodrom, nach einer halben Stunde lichteten sich die Reihen schon merklich, unter lautstarken Unmutsäußerungen verließen viele Zuschauer den Saal und nur etwa dreißig Personen harrten bis zum bitteren Ende aus. Das Stück wurde offensichtlich vom Publikum nicht angenommen – und das ist eigentlich schade, denn Thomas Bernhards Erzählung ist tragisch und eindringlich. Ein Theaterstück hätte sicher ein volles Haus gebracht, aber mit einer Musik versehen, die diesen Namen eigentlich nicht verdient, ist die Oper zur musikalischen Groteske geworden und wurde Publikum vorbei produziert. Die Inszenierung von Intendant Ernö Weil ist durchaus werkgerecht. Hutmacher und Anwalt unterhalten sich in der Anwaltskanzlei miteinander. Wenn der Hutmacher hin und wieder in all’ seinen Geschichten sein Elend aufblitzen läßt, wie ihn die junge Generation verdrängt und kalt gestellt hat, dann erscheinen diese Szenen als Bild im Bild aufblitzend im Hintergrund. Das Problem ist, daß das Stück eineinhalb Stunden lang praktisch nur – mit Ausnahme der erwähnten Einblendungen – eine Dialog-Oper ist. Das wäre allein ja noch hinnehmbar, aber Hutmacher und Anwalt schreien sich in dissonantem Sprechgesang fast ununterbrochen lautstark an. Die sogenannte Musik ist nur ein schrilles Gelärme. Melodien – gibt’s nicht. Harmonie – nie gehört! Die drei Girls im US-Outfit gaben einem den – überflüssigen – Rest. So kann man moderne Oper dem Publikum nicht nahebringen. Die Abstimmung erfolgte mit den Füßen: Exodus der Zuschauer!
Musikalische Leistung
Sie ist für einen normalen Menschen weder nachvollziehbar noch beurteilbar. Soweit man das überhaupt sagen kann, haben die Regensburger Philharmoniker unter Raoul Grüneis einen fantastischen Job absolviert. Was da ertönte, war für mich einfach nur Krach. Markus Ahme, als gepeinigter Hutmacher, leistete, anfangs nicht ganz wackelfrei, schier Übermenschliches. Von den hundert Minuten akustischen Grauens bestritt er deren neunzig. Adam Kruzel als Anwalt kann nur bewundert werden. Wie kann man einen solchen Singsang auswendig lernen, geschweige denn solche Laute hervorbringen? Ich weiß es nicht. Jeder normale Sänger müßte nach einem solchen Auftritt eigentlich vier Wochen heiser sein. Ich kann nur meinen Hut vor ihm und dem Darstellers des Hutmacher ziehen. Unglaublich, wozu sich ein Sänger heutzutage hergeben muß. So schlecht wie die Komposition war, so gut hat Michael Suttner als Sohn des bedauernswerten Hutmachers seine Sache gemacht und Schwiegertochter Susann Hagel hielt tapfer mit. Die drei Damen, deren Auftritt so sinnlos war wie die ganze musikalische Seite der Sache, waren Gesche Geier, Ruth Müller und Anna Peshes. Ich glaube, sie haben auch gut herumgeschrieen.
Fazit
Möge das Stück mit Rücksicht auf Sänger und Publikum bald abgesetzt werden.

Dr. Rüdiger Ehlert

Bild: Regensburger Theater

Das Bild zeigt Gesche Geier, Ruth Müller und Anna Peshes als drei Damen.

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