DIE GÖTTERDÄMMERUNG – Paris, Opéra Bastille

von Richard Wagner (1813–1883), Dritter Tag des Bühnenfestspiels Der Ring des Nibelungen, UA: 17. August 1876, Festspielhaus Bayreuth

Regie: Günter Krämer,  Bühne: Jürgen Bäckmann,  Kostüme: Falk Bauer, Licht: Diego Leetz, Videobilder: Stefan Bischoff, Choreographie: Otto Pichler

Dirigent: Philippe Jordan, Orchestre et Choeur de l’Opéra  National, Chorleiter: Patrick Marie Aubert

Solisten: Torsten Kerl (Siegfried), Iain Paterson (Gunther), Peter Sidhom (Alberich), Hans-Peter König (Hagen), Katarina Dalayman (Brünnhilde), Christiane Libor (Gutrune), Sophie Koch (Waltraute), Nicole Piccolomini  (Flosshilde), Caroline Stein (Woglinde), Daniella Singram (Wellgunde)

Besuchte Aufführung: 8. Juni 2011 (Premiere 3. Juni 2011)

Kurzinhalt

Hagen, Alberichs dunkler Sohn, will sich durch Siegfried des Rings des Nibelungen bemächtigen. Durch Hagens Zaubertrank vergißt Siegfried Brünnhilde, wirbt um Gutrune, König Gunthers Schwester und verspricht Gunther, Brünnhilde für ihn zugewinnen. Mit seinem Tarnhelm durchschreitet er in Gestalt Gunthers den Feuerkreis, entreißt Brünnhilde sein Liebespfand, den Ring des Nibelungen, und führt sie Gunther zu. Als Brünnhilde, im Königsschloß, Siegfried und an seinem Finger den Ring erblickt, erhebt sie Klage: nicht Gunthers, sondern Siegfrieds Gemahlin sei sie. Immer noch vom Vergessenstrank der Erinnerung beraubt, schwört Siegfried, sie nie gekannt zu haben. Nach diesem Meineid überzeugt Hagen Brünnhilde Siegfried zu töten. Ohne zu wollen, verrät sie Siegfrieds Verwundbarkeit am Rücken. Während der  folgenden Jagd ermordet Hagen den Helden, der eben seine Erinnerung wiedergefunden hat und Brünnhilde eine letzte Liebesbotschaft schickt. Durch Siegfrieds Tod ist Brünnhilde wissend geworden, klagt Hagen an und verhindert, daß er sich des Rings bemächtigt. Sie wirft den Unglücksjuwel zurück in den Rhein, um seinen Fluch aufzuheben. Hagen hetzt ihm nach und verschwindet in den Fluten. Siegfrieds Leiche verbrennt auf dem Scheiterhaufen, und Brünnhilde stürzt sich selbst ins Feuer, um auf ewig mit ihm vereint zu sein. Doch Siegfrieds Leichenfeuer wird zum Weltenbrand, der Himmel und Erde in einem apokalyptischen Finale vernichtet.

Aufführung

Die Bühnenbilder beginnen mit einer ganz stimmungsvollen nebeligen Industrielandschaft in der Morgendämmerung (Vorspiel), es folgt ein Biergarten mit tanzenden Kellnerinnen in grün-roten Dirndln (Siegfrieds Rheinfahrt). Der Walkürenfelsen  ist ein neonbeleuchtetes Eßzimmer mit weißen Möbeln und Portwein als Aperitif für die Walküre auf Besuch. Gunthers Burg: Girlanden und bunte Bänder vor einem riesigem Gitterkäfig, aus dem die „Mannen“ fähnchenschwingend in roten Uniformen wie zu einer 1. Mai-Feier aufmarschieren. Das Gehaben ist roh, die „Liebeszene“ Siegfried-Gutrune hat betrunkenes Biergartenniveau. Die Schlußszene der Oper bewahrt durch die Videobilder eine gewisse Größe.

Fazit

Der auf ein riesiges Metallgerüst gespannte Videoschirm war die einzig gute Erfindung dieser Inszenierung. Sie löste eindruckvoll und einleuchtend die Wasser- und Feuerszenen und spielte auch bei Siegfrieds Aufstieg ins Totenreich eine eindrucksvolle Rolle. Sonst sind Regie, Bühnenbilder und Kostüme langweilig und entbehren origineller Einfälle. Aus dem dicklichen Mechaniker-Siegfried ist ein dicker Siegfried-businessman in dunklem Anzug geworden. Die anderen Interpreten sind nicht weniger banal gekleidet, am wenigsten vorteilhaft die bedauernswerte Gutrune in einem zu engen, dunkelroten Wollkostüm. Brünnhilde erst in weißem  und dann im dunklen langen Kleid macht noch die beste Figur. Ganz heiter die Rheintöchter als schwarz-rote Flittchen. Hagen bewegt sich nur im Rollstuhl.

Sänger und Orchester

Fast mehr noch als in Walküre und Siegfried war Katarina Dalayman (Brünnhilde) der entschiedene Star des Abends. Sowohl in den lyrischen wie in den emotional-dramatischen Szenen entfaltete sich ihre klare, kraftvolle Sopranstimme ohne jemals zu forcieren. Besonders eindrucksvoll der Opfertodmonolog, in dem sie ihr Schicksal mit Entschlossenheit wieder in die Hand nimmt Starke Scheite schichtet mir dort (3.Akt, 3. Szene). Bei Torsten Kerl (Siegfried) vermißte man den jugendlich-starken Heldentenor der Siegfried-Aufführung drei Monate zuvor. Und auch Iain Patersons Bariton als Gunther kam erst gegen Ende der Oper zur Geltung. Eigentlich konnte nur  Hans Peter Königs gewaltiger, tragender Baß als düsterer Hagen der Heroin stimmlich die Stirne bieten. Dunkel-dämonisch in der 3. Szene, 2. Akt Hoiho! Hoihoho! Ihr Gibichsmannen machet euch auf! Tragisch-verhalten und schön war der Zweigesang Brünnhilde und Waltraute (Sophie Koch) (3. Szene, 1. Akt). Peter Sidhom glaubhaft als Alberich und Christiane Libor als Gutrune. Düster oder fröhlich, erfreulich das Trio der Nornen oder der Rheintöchter.

Philippe Jordan dirigiert die dunkel-tragische Partitur souverän und beherrscht, auch in den crescendi. Hervorragend die  Blechbläser.

Fazit

Nach den Erfahrungen der vorangegangenen Aufführungen hätte man sich vom Team Krämer-Bäckmann-Bauer für den letzten Abend der Tetralogie zumindest einen besonders extravaganten Klamauk erwartet. Der ist ausgeblieben. So war der letzte Abend dieser Neuinszenierung des Ring, die erste an der Pariser Oper seit über 50 Jahren, szenisch eher eine Antiklimax. Und man bedauert wieder, daß die musikalische Darbietung auf sehr hohen Niveau in einem so mittelmäßigen Rahmen ablaufen mußte.

Das Publikum bedachte die Interpreten mit rauschendem Applaus.

Alexander Jordis-Lohausen

Bild: Opéra national de Paris/ Elisa Haberer

Das Bild zeigt: Katarina Dalayman (Brünnhilde) et Sophie Koch (Waltraute)

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