Dresden, Semperoper – LA GRANDE MAGIA – DER GROSSE ZAUBER

von Manfred Trojahn; Oper in fünf Bildern; Libretto von Christian Martin Fuchs
Regie: Albert Lang, Bühnenbild und Kostüme: Rosalie
Dirigent: Jonathan Darlington, Staatskapelle Dresden
Solisten: Marlies Petersen (Marta Di Spelta), Rainer Trost (Calogero Di Spelta), Andrea Ihle (Matilde Di Spelta), Sabine Brohm (Rosa Intrugli), Gerald Hupach (Oreste Intrugli), Jürgen Commichau (Marcello Polvero), Jonas Gudmundsson (Gregorio Polvero), Christoph Pohl (Mariano D’Albino), Urban Malmberg (Otto Marvuglia), Barbara Hoene (Zaira), Tom Martinsen (Arturo Recchia), Romy Petrick (Amelia)
Besuchte Aufführung:: 10. Mai 2008 (Uraufführung)

Kurzinhalt
dresden-la-grande-magier.jpgAuf der Terrasse eines Hotels verbringt die italienische Großfamilie Di Spelta ihre Sommerferien. Der Familienverbund zeigt Risse: Gregorio schwärmt von seiner Cousine Rosa. Diese ist von der Ehe mit Oreste gelangweilt, der unbedingt Munizipaldirektor werden will. Calogero ist es nicht gelungen, aus der Sängerin Marta eine glückliche, bürgerliche Ehefrau zu machen. Während einer inszenierten Zaubervorstellung verschwindet Marta. Das bringt den Zauberer Otto Marvuglio in Nöten, denn durch einen Zaubertrick hat er Marta den Argusaugen ihres Ehemanns Calogero entzogen. Nur für einen Augenblick sollte Mariano sie allein treffen. Marta kehrt nicht zurück.
Während sie an Lebenserfahrung gewinnt, lebt Calogero in einer Illusionswelt. Otto hat für ihn die Theorie der nicht vergehenden Zeit und der nicht verschwundenen Marta entwickelt. Diese soll sich verzaubert in einer Schatulle befinden, von der sich Calogero nicht mehr trennt. Und alle befinden sich noch auf der Terrasse des Hotels. Nur, wenn er die Schatulle mit wahrem Glauben an Liebe und Treue öffnet, würde er Marta darin finden – sagt Otto. Calogero hält die Schatulle verschlossen und ist mit dem Sinnbild seiner idealen Liebe glücklich. Er zwingt die ganze Familie sich ihm und seiner Traumwelt zu unterwerfen. Als Marta leibhaftig zurückkehrt, scheut er vor der Realität zurück.
Aufführung
Eine gescheiterte Märchenoper
Eigentlich wäre ein anderer Titel als La Grande Magia angebracht gewesen, denn weder der Zauberer Otto ist ein großer Vertreter seines Faches – seine Zaubertricks sind von Anfang an durchschaubar – noch ist eine Grande Magia Basis dieses Stückes. Es geht mehr um kollektiven Selbstbetrug durch Einbildungskraft.
Am Anfang wird noch die heile Welt der Familie Di Spelta gezeigt, aber bald zeigt sie Risse, die eigenen Interessen treibt die Familie auseinander. Schwierig ist es, zwischen den Problemen des Stückes und der Umsetzung auf der Bühne zu unterscheiden. Literarisch gesehen ist das Libretto von Christian Martin Fuchs ungemein überzeugend, das Problem ist, daß das Verständnis ab und an abhanden kommt, wenn er fast kafkaeske Strukturen aufbaut: Die Handlung auf der Bühne deckt sich mit der Inhaltsangabe, die Motivation der handelnden Personen läßt sich leider nicht immer erschließen. So bleibt für den Betrachter rätselhaft, weshalb die übrigen Familienmitglieder auf Dauer den Selbstbetrug Calogeros mittragen und sogar nichts essen, denn man befindet sich ja in der Realität immer noch auf der Terrasse des Hotels. Ja, warum unterwerfen sie sich seinem Willen und seiner Gewalt? Diese Fragen bleiben offen, wenn am Schluß Calogero seine Schuhe in die leere Schatulle packt.
Weiterhelfen konnte auch das Bühnenbild Rosalies nicht, die aber immerhin mit ihren Assoziationen Bilder von bleibender Erinnerung schuf. Der Käfig im Käfig im vierten Bild, um die geistige Gefangenschaft zu symbolisieren, wäre einer Installation von bleibender Dauer würdig. Und die blauen Ballons vom Anfang, die im fünften Bild zerplatzen, versinnbildlichen die zerplatzen Träume aller.
Manfred Trojahn definiert sich als ein zeitgenössischer Komponist, für den die „Musik aller Zeiten“ permanent gegenwärtig ist. Für ihn ist Mozart noch lebendig, wobei er sich für dieses Werk allerdings an Richard Strauss orientiert – bis hin zum Zitat aus dem Rosenkavalier über die Zeit, die ein seltsam Ding ist. Der Abend klingt insgesamt wie eine Reminiszenz an Richard Strauss.
Musik
Die musikalische Umsetzung durch die sächsische Staatskapelle unter Jonathan Darlington unterstreicht diese Nähe zu Strauss gerade in den nachdenklichen Passagen des dritten und vierten Bildes eindrucksvoll.
Auch die Anforderungen an das Ensemble – mit 12 Rollen ist dies durchaus in die Nähe zu Ariadne zu setzen – sind durchaus hoch und konnten eindrucksvoll gelöst werden. Besonders zu nennen in dem ausgewogenen Ensemble ist Marlies Petersen als Marta, die schon durch ihre Ausstrahlung und harmonischen Bewegungen das Publikum in ihren Bann zog. Gleiches gilt für Rainer Trost (Calogero), der die seelischen Abgründe zwischen Realität und Wahnsinn nicht nur stimmlich, sondern auch durch schauspielerische Leistung überzeugend vermitteln konnte.
Ein wirklich magischer Abend wie im Titel angekündigt ist es leider nicht geworden, aber immerhin der bodenständige Nachweis, daß die zeitgenössische Oper noch am Leben ist. Ein Viva für Trojahn und die Semperopera!

Oliver Hohlbach

Bild: Matthias Creutziger
Das Bild zeigt Rainer Trost (Calogero Di Spelta), Marlis Petersen (Marta Di Spelta) u.a. von li.

Veröffentlicht unter Dresden, Semperoper

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