LOHENGRIN – Kassel, Staatstheater

von Richard Wagner (1813-1883); Romantische Oper in drei Aufzügen; Dichtung vom Komponisten; UA: 1850, Weimar

Regie: Lorenzo Fioroni, Bühne: Paul Zoller

Dirigent: Patrik Ringborg, Staatsorchester Kassel, Opernchor, Extrachor und Kinderchor Cantamus des Staatstheaters Kassel, Choreinstudierung: Marco Zeiser Celesti

Solisten: Krzysztof Borysiewicz (König Heinrich), Martin Homrich (Lohengrin), Edith Haller (Elsa), Espen Fegran (Telramund), Lona Culmer-Schellbach (Ortrud), Adam Kim (Heerrufer)

Besuchte Aufführung: 22. Mai 2011 (Premiere)

Kurzinhalt

König Heinrich ruft die Brabanter zum Feldzug. Graf Telramund, von seiner Gattin Ortrud angestachelt, beschuldigt Elsa von Brabant des Mordes an ihrem Bruder Gottfried. Ein Gottesgericht in Form eines Zweikampfs soll über Elsas Schuld entscheiden. Da erscheint ein Fremder im Boot, gezogen von einem Schwan, und besiegt Telramund. Dieser Fremde will Elsa heiraten unter der Bedingung, daß sie nie nach seinem Namen und seiner Herkunft fragen würde. Elsa willigt ein. Am Hochzeitstag bezichtigen Ortrud und Telramund vor dem Münster den Fremden der Zauberei und des Betruges. Doch Elsa vertraut ihrem Bräutigam. Später, als sie allein sind, bricht Elsa ihr Versprechen und stellt die Fragen. Im gleichen Moment dringt Telramund in das Brautgemach ein, doch Lohengrin besiegt ihn. Danach offenbart er seinen Namen und Herkunft. Ortrud triumphiert, aber durch sein Gebet bewirkt Lohengrin die Rückkehr Gottfrieds, des rechtmäßigen Thronfolgers.

Aufführung

Paul Zoller hat drei unterschiedliche Bühnenbilder für die drei unterschiedlichen Akt-Konzepte Lorenzo Fioronis geschaffen: Der erste Akt spielt am Hofe eines absoluten Herrschers (König Heinrich, mit einer barocken Hofdame Elsa), als die französische Revolution hereinbricht. Der Auftritt Lohengrins wird von einer Künstlertruppe auf der Seitenbühne vorbereitet: als barocke Erscheinung eines deus ex machina, ganz in Gold, der auch die aufbegehrenden Volksmassen einzunehmen vermag.

Im zweiten Akt befinden wir uns in einer Kolonie zu Wagners Zeiten, die Kolonialmacht kann an ihren Militäruniformen nicht zugeordnet werden. Ortrud und Telramund sind kolonialisierte Neger (teilweise echt, teilweise angemalt). Elsa ist die naive weiße Missionarsgattin, die es mit der Dienerin Ortrud gut meint, die allerdings den Aufstand plant gegen den christlichen Missionar Lohengrin und den Gouverneur Heinrich.

Dritter Akt: Wir befinden uns in  der Gegenwart, bei einem Staatsbesuch des Präsidenten Lohengrin mit seiner Frau in einem Museum. Es werden Bilder mit Frauenakten z.B. von Rubens ausgestellt. Die beiden bleiben allein zurück. Auch ohne einen Auftritt Telramunds muß sich Lohengrin das Scheitern seiner Ehe eingestehen. In einer Gedenk-Veranstaltung für gefallene Bundeswehrsoldaten übernimmt er an ihren Särgen die Verantwortung für die Gefallenen. Am Ende nimmt er sich mit der völlig traumatisierten Elsa das Leben und Ortrud, als Tod verkleidet, schwingt die Sense. Das Volk steht in Straßenkleidung im Zuschauerraum, schreit uns sein Weh entgegen.

Sänger und Orchester

Die Sängerdarsteller gehen in ihren Rollen auf, allen voran Edith Haller als Elsa. Mit sicheren Höhen ein Beispiel für vokale Klarheit. Martin Homrich als Lohengrin ist ein leichter lyrischer Tenor, der sich die Kräfte klug einteilt, an den zentralen Stellen wie der Gralserzählung Präsenz zeigt, aber dem zum Schluß doch ein wenig die Kräfte schwinden. Espen Fegrans Telramund ist ein (etwas rauher) Helden-Bariton. Mit Kraft und guter Textverständlichkeit kommt er scheinbar mühelos zu einer guten Darstellung dieser schwierigen Partie. Lona Culmer-Schellbach agiert glänzend mit ihrem großvolumigen dramatischen Sopran, stößt aber mit ihrer Darstellung der Elsa leider gelegentlich an ihre Grenzen. Auch die kleinen Rollen repräsentieren das gute Kasseler-Staatstheater-Niveau. Großartig klingend – weil bestens präpariert und bis in die letzten Nuancen hörbar aufgegliedert – ist das Orchester unter Patrik Ringborg, der einen Lohengrin präsentiert, der mindestens so durchdacht ist, wie die Inszenierung intelligent sein will. Genauso gut wie das Orchester ist der Chor des Staatstheaters, der seine schwierige Dauerpräsenz in dieser Chor-Oper brillant meistert. Gleiches gilt für den Kinderchor, der Elsa von Brabant begrüßt.

Fazit

Drei völlig unterschiedliche Konzepte für drei verschiedene Akte: Es paßt nicht zusammen und geht doch irgendwie auf. Eine solide handwerkliche Regiearbeit, verbunden mit vielen Details und Regieeinfällen, wie z.B. das Tee-Picknick im zweiten Akt, sorgen dafür, daß die Spannung nie abreißt. Die musikalische Leistung ist auf bestem Staatsopernniveau, so daß die strikt-konservativen Opernfreunde zumindest hier Trost finden. Für die Freunde des Regietheaters ist dies eine wahre Sternstunde. Freundlicher Beifall eines nachdenklichen Publikums.

Oliver Hohlbach

Bild: N. Klinger

Das Bild zeigt: Edith Haller (Elsa), Martin Homrich (Lohengrin)

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