ZANAIDA – Bad Lauchstädt, Goethetheater (Bachfest Leipzig)

von Johann Christian Bach (1735-1782) Oper seria in drei Akten, Libretto: Giovanni Gualberto Bottarelli, UA: 1763, London

Regie: Sigrid T’Hooft, Regieassistenz: Roman Balko, Bühne: Wolfram Zimmer/Achim von Heimburg, Kostüme: Claire Planchez (Centre de Musique Baroque de Versailles), Maske: Isabell Scholz, Luise Schächer, Licht: Jack Boateng, Bühnentechnik: Hans-Jürgen Arndt,

Dirigent: David Stern, Orchester Opera Fuoco

Solisten: Sara Hershkowitz (Zanaida), Clémentine Margaine (Tamasse), Chantal Santon Jeffery (Roselane), Camille Poul (Osira), Pierrick Boisseau (Mustafà), Natalie Perez (Cisseo), Majdouline Zerari (Aglatida), Julie Fioretti (Silvera), Jeffrey Thompson (Gianguir)

Besuchte Aufführung (16. Juni 2011, Bachfest Leipzig, in italienischer Sprache, ohne Übertitel)

Vorbemerkung

Die Originalmaterialien dieser Oper galten seit über 200 Jahren als verschwunden. Vor kurzem tauchte die autographe Partitur im Privatbesitz des amerikanischen Kunstsammlers Elias Kulukundis wieder auf und wurde von ihm dem Bachfest Leipzig zur Verfügung gestellt. So konnte es jetzt zu einer Wiederaufführung dieser Oper kommen, die genau auf der Grenze zwischen den beiden Musikepochen des Barock und der Klassik steht.

Kurzinhalt

Tamasses Mutter Roselane möchte Osira zur persischen Königin und Ehefrau ihres Sohnes machen und nicht die türkische Prinzessin Zanaida, die dazu vorgesehen ist. Auch Tamasse liebt Osira und begrüßt die eintreffende Zanaida zurückhaltend. Mustafà lehnt Tamasses Bitte um die Hand seiner Tochter entschlossen ab und möchte seine Tochter töten. Tamasse läßt Zanaida in Ketten legen und denunziert sie, indem er ihr einen Brief unterschiebt, in dem sie seinen Mord ankündigt. Mustafà glaubt dem scheinbar und deutet an, daß solche Verräter sterben müßten. Zanaida beteuert ihre Unschuld. Als sie aus dem Gefängnis herausgeführt wird, verhindert Mustafà in letzter Minute ihre Hinrichtung, indem er Tamasse zu töten versucht. Doch Zanaida geht dazwischen, wodurch Tamasse von ihrem Mut und ihrer Aufrichtigkeit überzeugt wird und sie um Vergebung bittet.

Aufführung

Auf der kleinen Bühne wird der Zuschauer in die Mitte des 18. Jahrhunderts zurückversetzt. Gemäß barocker Bühnentechnik wird das Bühnenbild, das aus gemalten Schiffen, Säulen, Bäumen, Mauern und einem Amphitheater besteht, im Hintergrund als Stoffbahn heruntergelassen und von den Seiten auf die Bühne geschoben. Die prachtvollen Kostüme wurden nach historischen Vorbildern erstellt.

Sänger und Orchester

Das auf die historische Aufführungspraxis spezialisierte Orchester Opera fuoco mit seinem Dirigenten David Stern ließ ein musikalisches Feuerwerk erklingen, spielte organisch, gemeinsam atmend, das jeweils folgende Metrum vorausspürend. Nicht nur bei den Rezitativen schimmerte das meisterlich von Hélène Clerc-Murgier gespielte Cembalo durch den Orchesterklang. Alle neun Sänger beherrschten die barock inspirierte Gestik und Mimik, mit der die Affekte und Charaktere und so auch die Handlung verstehbar gemacht wurden, souverän. Sara Hershkowitz (Zanaida) sang ausdrucksstark, besonders beeindruckend in der Verabschiedungsszene von ihrem Gefolge, in der Bläser ihre Stimme begleiten. Clémentine Margaines (Tamasse) verkörperte mit klangvollem Mezzosopran die Männerrolle des in sich gekehrten Prinzen mit galanter Glaubwürdigkeit. Chantal Santon Jeffery (Roselane) beeindruckte am Anfang mit ihrer körperlichen und stimmlichen Präsenz, ihr Glanzstück war ihre halbwegs zwischen den Zähnen hervorgepreßte Arie, mit der sie ihrem Machthunger Ausdruck verlieh. Camille Poul (Osira) dominierte mit ihrer klaren Sopranstimme im ersten Akt, Majdouline Zerari (Aglatida) trat mit voll klingendem Mezzosporan im dritten Akt hervor. Pierrick Boisseau (Mustafà) sang die einzige tiefe Partie der Oper, eine Baritonrolle, höchst flexibel, aufbrausend und zupackend. Natalie Perez (Cisseo) beeindruckte mit ihrer brillanten Stimme, besonders im zweiten Akt mit leisen, selbst in der Höhe leicht perlenden Koloraturen. Julie Fiorettis (Silvera) sang mit einer sehr leichten und klaren jungen Sopranstimme. Am besten gelang ihr das gesungene Herzklopfen im dritten Akt, mit dem sie ihrer Verliebtheit Ausdruck gab. Jeffrey Thompson (Gianguir) verfügt mit seinem ausdrucksstarken Tenor über eine selten gehörte Qualität: Er konnte geradewegs hämisch klingen.

Fazit

Auch wenn es sich um eine handlungsarme Oper handelt, wäre das Libretto im Programmheft angesichts der wenig bekannten Handlung und der fehlenden Übertitel den Zuhörern dienlich gewesen.

Im kleinen Bad Lauchstädt wurde ein prachtvoll inszeniertes, musikalisches Juwel präsentiert, das das hochinteressierte Publikum völlig in seinen Bann schlug. In den Pausen wurde das Gehörte allseits diskutiert und der Schlußapplaus mit Bravorufen und lautem Fußgetrappel wollte nicht enden. Wie sagte ein Besucher beim Verlassen des pittoresken Barocktheaters So was Schönes hab’ ich schon lange nicht mehr gehört!

Carola Jakubowski

Bild: Bach-Archiv Leipzig, Gert Mothes

Das Bild zeigt: Aglatida (Majdouline Zerari), Zanaida (Sara Hershkowitz), Osira (Camille Poul) und Mustafa (Pierrick Boisseau)

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