von Giacomo Meyerbeer (1791-1864), Oper in 5 Akten, Libretto: Eugène Scribe, Gaetano Rossi, Emile Deschamps, UA: 29. Februar 1836, Opéra, Salle de la rue Le Peletier, Paris,
Regie: Olivier Py, Bühne/Kostüme: Pierre-André Weitz, Licht: Bertrand Killy
Dirigent: Marc Minkowski, Orchestre symphonique et chœurs de la Monnaie, Choreinstudierung: Martino Faggiani:
Solisten: Marlis Petersen (Marguerite de Valois), Mireille Delunsch (Valentine), Yulia Lezhneva (Urbain), Eric Cutler (Raoul de Nangis), Jérôme Varnier (Marcel) Philippe Rouillon (Graf von Saint-Bris) Jean-François Lapointe (Graf von Nevers) u.a.
Besuchte Aufführung: 26. Juni 2011 (Premiere: 11. Juni 2011)
Graf von Nevers feiert auf seinem Schloß den Vorabend seiner Hochzeit mit Valentine, wozu er den Hugenotten Raoul de Nangis eingeladen hat. Während des Fests erhält Raoul einen Brief. Er stammt von Marguerite der Valois, denen Ziel es ist, Raoul mit Valentine de Saint-Bris zu verloben in der Absicht, einen Hugenotten mit einer einflußreichen katholischen Familie zu verbinden, um die religiöse Zwietracht zu entschärfen. Doch Raoul lehnt die Verlobung ab, da er Valentine (sie hatte noch während des Fests ihre Verlobung mit Nevers gelöst) für eine vermeintliche frühere Geliebte von Nevers hält. Darüber ist Graf von Saint-Bris, Valentines Vater, so erbost, daß er die Beleidigung durch ein Duell mit Raoul sühnen will. Unterdessen werden alle vom König nach Paris gerufen. Dorthin eilen auch Raoul und seine treuer Diener Marcel. Doch der Religionsstreit der Hugenotten und Katholiken entlädt sich in einer Katastrophe: die Katholiken überfallen die Hugenotten im Schlaf und töten alle, auch Raoul Marcel und Valentine.
Aufführung
Zu Beginn ist die Bühne leer, von zwei Dutzend Scheinwerfern beleuchtet, die zuweilen auch in den Zuschauerraum gerichtet werden. Danach werden bühnenhohe Häuserzeilen rechts und links eingeschoben, in der Mitte befindet sich eine Treppe, auf der die Handelnden in verschiedenen Positionen erscheinen. Die Kostüme, meist in schwarzer Farbe mit weißen Halskrausen, sind dem 16. Jahrhundert nachempfunden. Beim Fest im Schloß von Graf von Nevers entblößen die Männer ihren Oberkörper und berauschen sich an Wein, den sie aus der Flasche trinken. Im zweiten Akt, der die Gesellschaft um Marguerite de Valois beschreibt, ahmen drei nackte Frauen pantomimisch die Freuden des Badens nach. Das Opernende spielt wieder auf einer fast kahlen Bühne, auf der sich das Blutbad unter den Protestanten vollzieht.
Sänger und Orchester
Mit Recht werden die Chöre der Oper schon bei der Uraufführung 1836 gerühmt. Diese in einer so eindrucksvollen Weise benutzte „Stimme des Volkes“ überraschte Meyerbeers Zeitgenossen sicher ebenso wie jetzt bei der Brüsseler Aufführung. Marc Minkowski führt akkurat durch die schwierige Partitur. Allerdings wünschte man sich öfters größere Zurückhaltung der Orchesterlautstärke. Yulia Lezhnevas (Urbain) mit vielen Koloraturen versehene klare Sopranstimme steht in gewolltem Kontrast zu den tiefen Männerstimmen auf dem Fest der Adligen, auf dem sie plötzlich erschienen ist. Sie meistert diese schwierigen Verzierungen mit großer Bravour, und man merkt einmal mehr, wie eng Meyerbeer zum Belcantogesang stand. Die Figur des Marcel, der neben seinem Herrn Raoul unerschütterlich seinen Glauben manifestiert, ist mit Jérôme Varnier adäquat besetzt. Sein Baß erreicht die Tiefen seiner Gesangslinien rund und wohltönend. Marlis Petersen (Marguerite de Valois) besitzt einen sehr lyrischen Sopran, den sie auch gut einzusetzen vermag. Ihr Koloraturen sind allerdings öfters verwischt und die Intonation ab und an getrübt. Die Rolle des Raoul de Nangis ist wegen der geforderten Voi mixte, des dauernden Wechsels von Kopf- und Brustregister, sehr anspruchsvoll. Eric Cutler benützt diesen Wechsel nicht immer zu seinem Vorteil und sein starkes Vibrato verdeckt nicht selten die klaren Tonlinien. Im Duett mit seiner Geliebten Valentine wächst er allerdings über sich selbst hinaus, so daß man ihm dort uneingeschränktes Lob zollen muß. Die wichtige Rolle der Valentine vertritt Mireille Delunsch über die Maßen gut. Überragend ihr Duett mit Raoul im 4. Akt. Das Liebesduett Tu l’as dit! Oui, tu m’aimes – Du hast ja gesagt, daß du mich liebst beginnt Raoul. Man summte später in ganz Paris diese betörende Melodie. Mireille Delunsch folgt hier mit aufblühendem lyrischem Sopran. Mit dem darin enthaltenen hohen C, das sie mit starker Stimme zwei Takt anhält, folg sie vermutlich ihrer berühmte Vorgängerin, der ersten Valentine Cornélie Falcon nach, wonach diese Gesangsmanier Falocon-Sopran benannt ist.
Fazit
Die Brüsseler Oper La Monnaie kann man zur Produktion der Hugenotten nur beglückwünschen: diese wichtige Oper sollte auf vielen Bühnen zu sehen sein, denn ihr Nichtspielen blendet geradezu eine Epoche der Musikgeschichte aus. Allerdings birgt eine Aufführung viele Schwierigkeiten, insbesondere die Gesangseigentümlichkeiten, die in Brüssel einigermaßen gemeistert wurden. Auf jeden Fall überwältigte die Bühnendarstellung: das Publikum war außer Rand und Band.
Dr. Olaf Zenner
Bild: Clärchen und Matthias Baus
Das Bild zeigt: Philippe Rouillon (Comte de Saint-Bris), Mitte, Mireille Delunsch (Valentine), re. und Statisten