L’ELISIR D’AMORE – DER LIEBESTRANK – Essen, Aalto Theater

von Gaetano Donizetti (1797-1848), Oper in zwei Akten, Text von Felice Romani, UA: 12. Mai 1832 Mailand, Teatro della Canobbiana

Regie: Andreas Baesler, Bühne: Harald Thor, Kostüme: Gabriele Heimann

Dirigent: Guillermo García Calvo, Essener Philharmoniker, Chor des Aalto Theaters, Einstudierung: Alexander Eberle

Solisten: Andreas Hermann (Nemorino), Liana Aleksanyan (Adina), Tommi Hakala (Belcore), Derrick Ballard/ Roman Astakhov (Dulcamara), Christina Clark (Giannetta)

Besuchte Aufführung: 02. Juli 2011 (Premiere)

Kurzinhalt

Der junge Bauer Nemorino ist in seine Grundherrin Adina verliebt, aber zu schüchtern, um sich ihr zu erklären. Helfen soll der angebliche Liebestrank des Quacksalbers Dulcamara. Dabei handelt es sich allerdings nur um Bordeaux-Wein, und der beschwipste Nemorino benimmt sich gründlich daneben. Verärgert willigt Adina in die Heirat mit dem smarten Offizier Belcore ein. Daraufhin verpflichtet sich Nemorino als Soldat, um von dem Sold eine zweite Flasche Bordeaux zu kaufen. Als plötzlich alle Mädchen nur noch Augen für Nemorino haben, glaubt Dulcamara selbst an den Trank. Aber der Zuschauer weiß längst Bescheid: Nemorino hat seinen reichen Onkel beerbt. Derweil erfährt Adina, daß sich Nemorino ihres wegen an die Armee verkauft hat. Sie gesteht ihm ihre Liebe. Während sich das Paar in die Arme fällt,  zieht Dulcamara, seine Wundermittel anpreisend, weiter.

Aufführung

Die Handlung ist in ein nobles Sanatorium des beginnenden 20. Jahrhunderts verlegt, wie es z.B. Thomas Mann in Der Zauberberg verewigt hat – und tatsächlich sieht der nebenbei Wundertränke verscherbelnde Anstaltsleiter Dulcamara Hans-Christian Blech in Hans W. Geißendörfers Verfilmung des Romans bemerkenswert ähnlich. Im edlen Ambiente werden die Dorfbewohner zu dekadenten Reichen, die ihre Wehwehchen mit Kneipp-Kuren, Gymnastik und auch schon mal mit einer Elektroschock-Therapie behandeln lassen. Das Regiment führt neben Dulcamara die Krankenschwester Giannetta: ein Drachen mit roter Unterwäsche unter der strengen Tracht. Durch dieses Panoptikum stolpert Nemorino als ungeschickter Page, sammelt Urinproben ein, leert Nachttöpfe aus und macht zwischendurch Adina den Hof, einer der wohlhabenden Patientinnen. Zum Happy-End erscheint der Tölpel als eleganter Dandy, der sich – so sieht es aus – in dieser Gesellschaft bestens zurechtfinden wird.

Sänger und Orchester

Die Theatergötter meinen es nicht gut mit dieser letzten Premiere der Saison: Alle drei Herren im Ensemble sind erkrankt. Noch auftreten kann glücklicherweise Andreas Hermann (Nemorino). Bei ihm macht sich die Indisposition durch leichte Intonationstrübungen bemerkbar, und mitunter wirkt er müde, weshalb der Hit Una furtiva lagrima – Eine flüchtige Träne nicht ganz begeistert. Trotzdem: Hermann ist eine Idealbesetzung – sein flexibler, beeindruckend höhensicherer Tenor hat sowohl italienischen Schmelz als auch den notwendigen Atem für endlose Legatobögen. Amüsanter Gegensatz zu Hermann ist der erst nach der Generalprobe für Heiko Trinsinger eingesprungene Bariton Tommi Hakala (Belcore): ein Draufgänger, der sich leidenschaftlich und mit zwar nicht immer eleganter, aber in bester Belcanto-Tradition geführter Stimme in die üppig verzierte Partie wirft – und am Schluß charmant dem Souffleur dankt.

Noch kurzfristiger als Hakala hat es Derrick Ballard (Dulcamara) in die Produktion verschlagen: Der Amerikaner singt vom linken Bühnenrand aus, während der ursprünglich vorgesehene Roman Astakhov stumm agiert. Mit ansprechend timbriertem, makellos artikulierendem Baß, der im Parlando ebenso zu Hause ist wie bei den rasanten Zungenbrechern der Arie Uditi, o rustici – Hört, Ihr Bauern erweist sich auch Ballard als hochkarätiger Ersatz.

Von Krankheit verschont bleiben die Damen. Liana Aleksanyans (Adina) sinnlicher, dunkel gefärbter, aber für die Partie fast zu schwerer Sopran beeindruckt vor allem durch die wuchtigen Spitzentöne im finalen Duett mit Hermann. In Sachen Witz und Charme läuft ihr dagegen Christina Clark (Giannetta) fast den Rang ab, vor allem wenn sie aus der Szene Saria possible – Ist’s möglich ein unerwartetes vokales Bravourstück macht.

Dank der unter Guillermo García Calvo federnd-spritzig und mit einigen ausgezeichneten Solisten (Oboe und Klarinette) aufspielenden Essener Philharmoniker bleibt die instrumentale Seite nicht nur schmückendes Beiwerk. Daß García Calvo die Lautstärke mitunter etwas drosseln könnte, schmälert das Vergnügen nicht.

Fazit

Aus unerwarteten Situationen das Beste zu machen, ist ein Grundsatz des Theaters. So läßt sich das Essener Ensemble durch die Krankheitswelle nicht entmutigen und stellt einen musikalisch nahezu restlos überzeugenden Abend auf die Beine, der zu Recht bejubelt wird. Respekt! Andreas Baeslers Inszenierung hat zwar mit dem Libretto von Felice Romani nur noch wenig zu tun, aber sein Konzept ist stimmig und unterhält mit geschickt plazierten Pointen hervorragend – und die Kostüme von Gabriele Heimann sind eine Augenweide.

Dr. Eva-Maria Ernst

Bild: Kathrin Holighaus

Das Bild zeigt: Andreas Hermann (Nemorino) und Liana Aleksanyan (Adina)

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