von Giuseppe Verdi, Melodramma in einem Prolog und drei Akten, Text: Arrigo Boito nach einem Theaterstück von Antonio García Gutiérrez; UA: 24. März 1881, Teatro alla Scala, Mailand
Regie: Ian Judge, Bühnenbild: John Gunter, Kostüme: Deirdre Clancy, Licht: Nigel Levings
Dirigent: John Eliot Gardiner, Orchester und Chor des Royal Opera House, Choreinstudierung: Renato Belsadonna
Solisten: Lucio Gallo (Simon Boccanegra), Anja Harteros (Amelia Grimaldi), Marcus Haddock (Gabriele Adorno), Marco Vratogna (Paolo Albiani), Roberto Scanduzzi (Fiesco), Krzysztof Szumanski (Pietro), u.a
(Premiere beim Verdi Festival 1997, Wiederaufnahme 4.5.2008)
Besuchte Aufführung: 24. Mai 2008
Kurzinhalt
Genua, Mitte des 14. Jahrhunderts. Simone Boccanegra, ein Plebejer, liebt Maria, die Tochter eines Aristokraten. Ihr Vater, Fiesco will die Verbindung verhindern und hält sie verborgen. Simone, der mit Hilfe seines Freundes Paolo unverhofft zum neuen Dogen von Genua gewählt wird, hofft durch dieses Amt, Fiesco gegenübertreten zu können, um Maria zu heiraten. Dieser ist jedoch nur zur Versöhnung bereit, wenn Simone ihm im Gegenzug die uneheliche Tochter der beiden zur Erziehung überläßt. Eine Einigung ist unmöglich da die Tochter auf mysteriöse Weise verschwunden ist. Aber Simone findet seine Geliebte tot in Fiescos Palast.
Genua, 25 Jahre später. Die Adligen Gabriele Adorno und Andrea Fiesco bereiten einen Aufstand gegen den Dogen vor. Adorno liebt Amelia Grimaldi, eine Adoptivtochter Fiescos. Trotz ihrer unklaren Herkunft will Gabriele Amalie zur Frau und erhält auch den väterlichen Segen Fiescos. Simone kommt zu Fiescos Palast, um für seinen Freund Paolo um Amelias Hand zu bitten. Im Gespräch mit Amelia erkennt Simone in ihr seine eigene verloren geglaubte Tochter. Simone unterbreitet Paolo ihre Absage; voller Haß gegen seinen ehemaligen Freund bereitet dieser jedoch Amelias Entführung vor.
Eine Ratsitzung, während derer Simone zum Frieden mit dem rivalisierenden Venedig aufruft wird vom Tumult des Aufstandes gegen den Dogen unterbrochen. Simone gelingt es, das Volk umzustimmen. Adorno, der den Entführer Amelias umgebracht hat, wird vor den Dogen gebracht, beschuldigt jedoch Simone selbst als Auftraggeber. Simone vermutet, daß Paolo die Entführung organisiert habe und zwingt ihn den unbekannten Auftraggeber zu verfluchen. Damit verflucht Paolo sich selbst. Nun nimmt er Rache: Er vergiftet das Wasser im Krug, den Simone trinkt. Zusätzlich stiftet er den im Dogenpalast gefangenen Adorno zum Mord an, indem er ihm erzählt, Simone würde Amelia verführen. Amelia verhindert den Mordanschlag Adornos. Die Erklärung Simones, daß Amelia seine Tochter sei, veranlaßt Adorno dazu, Simone um Verzeihung zu bitten. Der Aufstand wird niedergeschlagen, und Paolo, jetzt auf der Seite der Aristokraten wird zum Tode verurteilt. Auf dem Sterbebett bittet Simone Fiesco um Verzeihung und eröffnet ihm, daß Amelia seine Tochter und Fiescos Enkelin sei. Simone stirbt und Adorno wird zum neuen Dogen gewählt.
Aufführung
Die Inszenierung von Ian Judge von 1997 ist klassisch; manches wirkt jedoch altbacken. Ein Thema von Treppen, schiefem Portal und ebenfalls schiefer Säule wird geringfügig durchvariiert und dient gleichermaßen als Palast, Stadtplatz oder Ratssaal. Ein die Bühne umrankender gebrochene Bilderrahmen erschien als schöne und passende Idee, Liebe zum Detail fehlte jedoch oft: die drei eingesetzten Renaissancegemälde verfehlten Ort und Zeit. Sichtbar waren ein Gemälde von Uccello (1454), eine Hafenansicht Neapels von Rosselli (1465) und eine Stadtansicht Genuas (1597) von Cristoforo de Grassi.
Insgesamt wirkten die Kostüme aus dem 19. Jahrhundert passend, wenngleich die Plebejer oft an karibische Piraten erinnerten, insbesondere der dem Schauspieler Johnny Depp zum Verwechseln ähnelnde Simone Boccanegra.
Sänger
Der Abend gewann insbesondere aufgrund einer musikalisch brillanten Aufführung mit beeindruckender Sängerschar. Lucio Gallo sang die Rolle des Simone mit einer selten gehörten Souveränität und Klarheit und überzeugte als korsischer Pirat. Roberto Scanduzzi vertrat den erkrankten Orlin Anastassov als Simones Gegenspieler Fiesco mit seinem tragendem Baß und grandioser Bühnenpräsenz so gut, daß man Orlin gerne noch ein wenig mehr Erholung gönnt. Die in Köln ausgebildete Anja Harteros (Amalia) brachte ihren wunderschönen vollen Sopran (zuweilen jedoch etwas spitz) zur Geltung. Marcus Haddock sang einen an sich Adorno angemessenen Tenor, der jedoch im Vergleich mit den anderen etwas blaß wirkte. Marco Vratogna überzeugte schauspielerisch als glatzköpfiger Bösewicht Paolo, seine gesangliche Leistung fiel jedoch im Vergleich deutlich ab.
Der Dirigent John Eliot Gardiner bestach durch Sensibilität, Präzision und stellenweise überraschende Innovationen, die vom Orchester und Chor des Royal Opera Houses routiniert, jedoch durchaus enthusiastisch, umgesetzt wurden.
Fazit
Alles in allem ein zumindest musikalisch erstaunlicher Abend! Als solcher auch deutlich vom verwöhnten Londoner Publikum gewürdigt.
Dr. Dominik Zenner Bild: Catherine Ashmore
Das Bild zeigt Boccanegra sterbend mit Amelia und Adorno.
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