Richard Wagner (1813 -1883), Dritter Tag in drei Akten des RING DES NIBELUNGEN, Text vom Komponisten
UA: Uraufführung: 17. August 1876 in Bayreuth
Regie: Barrie Kosky, Bühne und Trickfilm: Klaus Grünberg, Kostüme: Klaus Bruns, Chor und Extrachor: Dan Ratiu, Licht: Klaus Grünberg, Susanne Reinhardt
Dirigent: Wolfgang Bozic, Niedersächsisches Staatsorchester Hannover
Solisten: Siegfried (Robert Künzli), Brünnhilde (Brigitte Hahn), Gunther (Brian Davis), Alberich (Frank Schneiders), Hagen (Albert Pesendorfer), Gutrune (Kelly God), Waltraute (Monika Walerowicz), Erda (Evelyn Gundlach) u.a.
Besuchte Aufführung: 3. Juli 2011(Premiere 12. Juni 2011)
Die Nornen spinnen den Schicksalsfaden, der dann reißt. Siegfried, dem es nach den Flitterwochen mit Brünnhilde wieder nach großen Taten dürstet, läßt den Ring als Pfand seiner Liebe bei Brünnhilde zurück, bevor er in die weite Welt aufbricht. Waltraute besucht ihre Schwester Brünnhilde und bittet sie inständig, den Ring den Rheintöchtern zurückzugeben – ein Ansinnen, das diese entrüstet von sich weist. Siegfried erscheint in der Gibichungenhalle und bekommt erstmal einen Trank verabreicht, der ihn Brünnhilde vergessen läßt und gleichzeitig Sympathien für Gutrune, Gunthers Schwester, erweckt. Siegfried benutzt den Tarnhelm, um in Gunthers Gestalt Brünnhilde zu erobern, denn nur Siegfried kann das Feuer um den Walkürenfelsen durchdringen. So wird die getäuschte Brünnhilde zur Doppelhochzeit Siegfried – Gutrune und Gunther – Brünnhilde nach Worms gebracht. Dort erblickt die entsetzte Brünnhilde Siegfried, der leugnet, sie zu kennen, an der Seite Gutrunes. Brünnhilde engagiert Hagen – mit Gunthers Unterstützung, obwohl Letzterer mit Siegfried Blutsbrüderschaft geschworen hatte – Siegfried anläßlich eines Jagdausflugs zu ermorden. Siegfried bekommt noch eine letzte Chance: Die Rheintöchter bitten ihn, den Ring an sie zurückzugeben, andernfalls würde er heutigentags sterben müssen. Beim Picknick gibt Hagen Siegfried einen Trank, der das Vergessen aufhebt und Siegfried erzählt von seiner früheren Begegnung mit Brünnhilde und steht nun als Meineidiger da. Da Hagen von Brünnhilde über Siegfrieds Schwachstelle am Rücken informiert wurde, kann er Siegfried erstechen. Im Kampf um den Ring tötet Hagen Gunther. Da erscheint Brünnhilde und gebietet allen Einhalt. Sie nimmt den Ring von Siegfrieds Leiche, gibt ihn dem Rhein zurück und löst die Geschichte auf.
Aufführung
Die wohlbekannte Nacktdarstellerin Erda schiebt einen großen Umzugskarton umher. Die Nornen spinnen einen Zelluloidstreifen, wohl den Weltfilm. Dazu sieht man einen Comic-Film, der zeigt, daß die Weltesche eigentlich ein Broccoli war. Brünnhilde und Siegfried in Unterwäsche genießen ihre Flitterwochen unter einem Bettlaken in einem 70er Jahre Wohnzimmer, das mit Waschbecken und Fernseher gemütlich eingerichtet ist. Die Gibichungenhalle erinnert an ein Bordell. Nach dem Vergessens-/Liebestrank fällt Siegfried gleich über Gutrune her. Zur Blutsbrüderschaft haut Siegfried sich und Gunther das Schwert Nothung ins Gesicht. Die Tarnkappe zeigt ganze Wirkung: Es ist Gunther, der Brünnhilde in Erdas Kiste versenkt und sie nach Worms transportiert. Beim Empfang in Worms werden die Reisenden von einer Schar wüstester Hooligans unter Hagens Kommando begrüßt. Hagen trägt zur Abwechslung statt eines Schwertes hier mal ein Seitengewehr. Auf seinem Jagdausflug gerät Siegfried an die Rheintöchter, die die bekannte Kiste zwischen einer Kinobestuhlung (das Welttheater?) umher schieben. Zu Siegfrieds Tod läuft dessen Leben noch mal als Bühnendarstellung ab. Klein-Siegfried als Klein-Superman trifft einen alten Weggefährten, den Bären, der sich auf offener Szene zum Oralsex mit einem gefallenen Helden einläßt. Alberich gar macht sich über das ihm entgegen gestreckte Hinterteil des Hund spielenden Wotans her. Siegfried landet in der Kiste und wird zur ihn ängstlich erwartenden Gutrune gebracht. Auf dem Souffleurkasten sitzt völlig vereinsamt im grellen Scheinwerferlicht – immer noch splitterpudelfasernackt – Erda und hält den RING zu den letzten Takten der Götterdämmerung in die Höhe. Jemand knipst das Licht aus.
Sänger und Orchester
Wolfgang Bozic ist nun endgültig im Olymp der Wagner-Dirigenten angekommen – allerdings mal wieder ohne seine Bläser. An erster Stelle der insgesamt hervorragenden Sängerriege muß heute Albert Pesendorfer als Hagen genannt werden. Eine Weltklasseleistung mit imponierender Erscheinung, finsterstem Charakter und donnerndem Baß: ein Augen- und Ohrenschmaus! Ganz großartig auch unser Held Robert Künzli (Siegfried). Dieser hat sich in einer Art und Weise als Wagnerianischer Heldentenor profiliert, die auch ihm einen Platz im Olymp der Wagner-Sänger sichert. Womit wir bei Kelly God (Gutrune), die mit ebensolcher Stimmgewalt wirkte, angelangt wären. Fabelhaft Brigitte Hahn (Brünnhilde), auch wenn sie am Ende des dritten Akts ein bißchen zu schreien anfing, eine Versuchung, der wohl die meisten Brünnhilden gegen Ende der Vorstellung, wenn vielleicht auch die Kondition etwas nachläßt, erliegen. Frank Schneider (Alberich) und besonders auch Brian Davis (Gunther) blieben ein wenig farblos, sowohl darstellerisch wie auch stimmlich, wobei Gunther natürlich die vielleicht undankbarste Partie hat. Nicht so eine strahlend aufsingende Monika Walerowicz (Waltraute). Staatsopernmäßig adäquate Leistungen des restlichen Sängerteams in den kleineren Rollen.
Fazit
Im November 2009 begonnen, schließt sich nun der RING DES NIBELUNGEN in Hannover mit der Götterdämmerung. Richard Wagner und Barrie Kosky passen nicht zusammen, was die Hälfte des Publikums mit einem Buh-Orkan bestätigte.
Dr. Rüdiger Ehlert
Bild: Thomas M. Jauk
Das Bild zeigt: Monika Walerowicz (Waltraute), Brigitte Hahn (Brünnhilde)