Bremen, Theater am Goetheplatz – ZAIDE/ADAMA

von Wolfgang Amadeus Mozart/Chaya Czernowin; Libretto Zaide: Johann Andreas Schachtner
Libretto Adama: Textfragmente aus dem Libretto von Zaide mit Übersetzungen ins Hebräische durch Chaya Czernowin sowie ins Arabische durch Samir Odeh Tamimi. UA: 17. August 2006 Landestheater Salzburg (Auftragswerk der Salzburger Festspiele)
Regie: Andrea Moses, Bühne: Christian Köpper, Frank Kulas Ausstattung: Monika Gora, Dramaturgie: Hans Georg Wegner
Dirigent: Daniel Montané (Zaide); Florian Pestell (Adama), Bremer Philharmoniker; Choreinstudierung: Tarmo Vaask
Solisten: Sara Hershkowitz (Zaide), Benjamin Bruns (Gomatz), Seth Keeton (Allazim), Thomas Scheler (Soliman), Jouni Kokora (Osmin); Noa Frenkel (Frau); Yaron Windmüller (Mann); Andreas Fischer (Vater)
Besuchte Aufführung: (25. Mai 2008 Premiere , deutsche Erstaufführung)

Kurzinhalt
bremen-zaide.jpgIm Libretto wird der Konflikt zwischen Kulturen am Beispiel zweier Liebespaare dargestellt. Das von Mozart komponierte Singspiel (1779/1780) Zaide wird in eine zeitgenössische Perspektive gesetzt : Soliman ist nicht Sultan, sondern ein türkischer Restaurantbesitzer. Dessen Tochter Zaide ist nicht Serailmädchen, sondern arbeitet in einem Restaurant und hat sich in den christlichen Gastarbeiter Gomatz verliebt. Sie flieht mit ihm. Soliman läßt die beiden wieder einfangen und droht ihnen mit dem Tod.
In dem von Chaya Czernowin (*1957) komponierten Musikstück Adama (hebräisch: Erde, Adam= Mensch, Dam = Blut) sind die beiden Protagonisten namenlose durch politische und historische Ereignisse traumatisierte Liebende aus Israel (Frau) und Palästina (Mann), die nicht zueinander finden, weil der dogmatische Vater der Israelin und dessen Gefolgschaft sie für immer auseinanderbringt. Nach einer Reihe von bedrohlichen Auseinandersetzungen zwischen den Beteiligten sinken alle erschöpft in sich zusammen und die Oper endet mit einem gemeinsamen Klagegesang der Israelin und Zaide.
Entstehungsgeschichte
Das Libretto des Textdichters Schachtner zum Singspiel Zaide ging verloren: In Mozarts Nachlaß fand man Arien und Ensembles, die die einzelnen Figuren in ihrer Befindlichkeit charakterisieren. Es fehlten aber sowohl die Ouvertüre als auch ein Handlungsablauf und das Ende. Die israelische Komponistin Chaya Czernowin vertonte in ihrem musikalischen Werk Adama einzelne Textbruchstücke aus Zaide, sie werden als Silben, als Laute, Worte, halbe Sätze in deutsch, hebräisch oder arabisch gesungen, geflüstert, gestoßen, geschrieen, gestöhnt, teilweise mit geräuschvollem Orchesterklängen, die die Stimmung, die vermittelt werden soll, unterstützen.
Aufführung
Die Oper begann pantomimisch, ohne Vorhang, ohne musikalisches Vorspiel. Ein türkisches Restaurant, blieb während der gesamten Spielzeit von zweieinhalb Stunden das Einheitsbühnenbild. Für Adama war das Orchester auf Bühnenhöhe links positioniert, das für Zaide fand sich im Orchestergraben.
Czernowins Musik klang zunächst völlig fremd, der harmonischen Musik Mozarts völlig entgegenstehend. Doch je mehr man sich als Zuhörer auf diese gewagte Kombination einließ, desto eher waren Verbindungen hörbar. Geräuschcluster, Sprechgesänge, Glissandi, dumpfe und sphärisch klingende Streicher, Bläser und Percussion führten fort, was in Mozarts Musik anklang. Es gab in Czernowins Musik allerdings keinen Operngesang im traditionellen Sinn.
Sara Hershkowitz (Zaide) stellte eine junge türkische Frau in Jeans und Turnschuhen dar, die ihr Kopftuch zum blitzschnellen Verwandlungssymbol zwischen der deutschen, rebellischen Frau mit eigenen Bedürfnissen und der verschleierten Türkin mit hoher Anpassungsbereitschaft nutzte. Sie sang ebenso wie alle anderen Sänger, wenn auch textlich schlecht verständlich, so doch musikalisch auf hohem Niveau. Die Solisten aus Adama, Noa Frenkel (Frau), Yaron Windmüller (Mann) und Andreas Fischer (Vater) – alle drei sangen schon bei der Uraufführung in Salzburg – beeindruckten vor allem mit ihren rhythmisch-lautmalerischen Dialogen, die immer wieder zwischen Annäherung und Entfremdung pendelten.
Eine an KZ-Häftlinge erinnernde Menschengruppe zusammen mit einer als Rabbiner verkleideten Chorgruppe hatte die Aufgabe, jeglicher Schrecklichkeit von Folter, Qual, Schuldgefühlen und Tod pantomimisch und singend Ausdruck zu geben. Der Höhepunkt der Oper fand sich in der Schlußszene. Die Idee Czernowins, den Konflikt zwischen den Kulturen aus der Erschöpfung heraus zu versöhnen, wurde unter der Überschrift „Tränen“ vertont. Die beiden Frauen sangen eine solidarische Trauerklage, mahnend, versöhnend – zum ersten Mal sang Zaide Czernowins Musik (Zaide tröstete die Israelin), zum ersten Mal musizierten die beiden Orchester zusammen – Ausdruck einer Hoffnung auf Verständigung? Die Szene zeigte das Gegenteil – ein erstarrtes Schlachtfeld der Verletzungen.
Fazit
Aus dramaturgischer und inhaltlicher Sicht gesehen ist eine Oper geschaffen worden, in der es gelingt, dieses schwierige politische Thema emotional eindrücklich darzustellen. Schon bei Mozart wird nach den Möglichkeiten des Dialogs zwischen Orient und Okzident gefragt, und damals wie heute gibt es kein (gutes) Ende – zumindest in der Oper.
Auch in musikalischer Hinsicht ein herausforderndes, mutiges Werk. Chaya Czernowin läßt Mozarts Musik unverändert, verschränkt aber beide Musikformen miteinander, indem sie Arien aus Mozarts Singspiel in ihre Musik übergehen läßt. Gleichzeitig ist ihre Musik völlig eigenständig. Doch nirgends prallen die beiden so völlig gegensätzlichen Musikrichtungen unvermittelt aufeinander.
Wenn die Oper ein Medium zur Mitteilung zeitlich aktueller Themen sein könnte, dann nur in einer solchen Form. So konnte sich wohl kaum jemand der emotional eindrücklichen Wirkung des Stücks entziehen. Ein ganz besonderer Abend und eine umjubelte Premiere!

Carola Jakubowski
Bild: Jörg Landsberg
Das Bild zeigt Liebespaare aus dem 1. Akt.

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