München, Bayerische Staatsoper – DIE BASSARIDEN

von Hans Werner Henze (geb.1926), Opera seria mit Intermezzo in einem Akt, Libretto: Wystan Hugh Auden und Chester Kallmann nach Euripides, deutsche Übersetzung von Maria Bosse-Sporleder; UA am 6. April 1966 Salzburg. Großes Festspielhaus
Regie: Christoph Loy, Bühne und Kostüme: Johannes Leiacker, Licht: Olaf Winter, Dramaturgie: Peter Heilker
Dirigent: Marc Albrecht, Bayerisches Staatsorchester, Chor der bayerischen Staatsoper, Choreinstudierung: Andrés Máspero
Solisten: Nikolai Schukoff (Dionysos), Michael Volle (Pentheus, König von Theben), Sami Luttinen (Kadmos), Reiner Goldberg (Teiresias/Kalliope), Christian Rieger (Hauptmann/Adonis), Gabriele Schnaut (Agaue/Venus), Eir Indrhaug (Autonoe/Proserpina), Hanna Schwarz (Beroe)
Besuchte Vorstellung: 25. Mai 2008 (Premiere: 19. Mai 2008)

Kurzinhalt
munchen-bassariden.jpgKönig Pentheus, der neue König von Theben verbietet seinem Volk den lustvollen und seiner Ansicht nach verwerflichen Kult um den Gott Dionysos. Ein Fremder – es ist Dionysos selbst – erscheint in der Stadt und verführt das Volk zu geheimnisvollen Riten auf dem nahen Berg Kytheron. Pentheus will mehr über diese Riten erfahren und verhört zunächst seine Mutter Agaue und später den Fremden selbst. Als Pentheus ihn festnehmen lassen will, wird Theben von einem Erdbeben erschüttert. Alle bis auf Pentheus und Dionysos fliehen auf den Berg Kytheron.
In einer Vision, welche das Intermezzo darstellt, erscheint Pentheus seine Mutter als lüsterne Venus, die gemeinsam mit der als Proserpina verkleideten Autonoe, den Hauptmann seiner Wache verführt.
Pentheus will selbst auf den Berg Kytheron, wozu er sich auf Dionysos Rat Frauenkleider anzieht. Auf dem Berg hetzt Dionysos seine Anhängerinnen auf den Eindringling Pentheus. Agaue erschlägt ihren Sohn. Wieder in der Stadt erkennt sie ihre Tat. Dionysos gibt sich allen zu erkennen und wird gepriesen.
Aufführung
Mit den auf Euripides Bakchen basierenden Bassariden schrieb Henze nach diversen Bühnenkammerspielen erstmals im Auftrag der Salzburger Festspiele eine Festspiel-Oper mit riesigem Orchesterapparat. Hinzu kommt ein großer Chor, genannt die Bassariden. Dieser trägt einen großen Teil der Handlung. Im wesentlichen wird der Konflikt zwischen Trieb und Intellekt, zwischen Rausch und Vernunft thematisiert. Regisseur Christoph Loy blendet in seiner Inszenierung dementsprechend alle mythologischen und politischen Elemente der Handlung aus und konzentriert sich ganz auf den Konflikt zwischen Dionysos und Pentheus. Damit schadet er dem Werk keineswegs, hält die Spannung aufrecht über die gesamte Dauer der Oper von zweieinhalb Stunden.
Bevor er sich hebt, zieht minutenlang ein Video mit Menschen aller Altersstufen in farblich einheitlicher Kleidung über den weißen Zwischenvorhang. Danach wird klar, daß es sich um den ganz in graue Anzüge und Kostüme gekleideten Bassariden handelt. Das Bühnenbild ist ebenfalls äußerst spartanisch und besteht nur aus einer großen weißen Stoffbahn, neben der Seiten- und Hinterbühne sichtbar sind. Mit dem Erdbeben fällt die Stoffbahn, so daß die Bühne praktisch leer ist. In dieser spärlichen Kulisse gelingt es Loy, alle Figuren und Situationen nur durch geschickte Personen- und vor allem Chorführung zu charakterisieren. Auch Olaf Winters Lichtkonzept hatte beträchtlichen Anteil an der kontinuierlichen Spannung. Die Stärke der Inszenierung liegt in der Reduktion auf das Wesentliche, wodurch die Eindrücklichkeit aber nicht geschmälert wird. So treten zu Beginn der Szene auf dem Kytheron die Chordamen in weißer Unterwäsche an die Rampe und rufen nach Dionysos. Dieser steht mit dem Rücken zum Publikum im Hintergrund und singt in ein Mikrophon. Pentheus beobachtet die Szene auf einem Stuhl stehend, den er während der anschließenden Orgie verläßt, als er seine Mutter erkennt. Doch hat Autonoe der Agaue schon das tödliche Beil in die Hand gedrückt…
Sänger und Orchester
Glücklicherweise sind in dieser Produktion, die so auf die Gegenspieler Pentheus und Dionysos fokussiert ist, beide Partien hervorragend besetzt. Michael Volle verkörpert den König sängerisch wie darstellerisch glaubhaft und Nikolai Schukoff verleiht Dionysos mit dunkel timbriertem, aber höhensicherem Tenor Profil. Von den durchwegs ausgezeichnet besetzten Nebenrollen ist vor allem Christian Rieger herauszuheben, der als Adonis mit Falsetteinlagen im Intermezzo der Opera seria für einige Lacher sorgte. Star des Abends war jedoch der von Andrés Máspero einstudierte Staatsopernchor, dem musikalisch wie szenisch einiges abverlangt wurde. Marc Albrecht sorgte am Pult für facettenreichen Orchesterklang und perfekte Kordination von Bühne und Graben.
Fazit
Freunde konzentrierter Regiearbeiten kommen auf ihre Kosten. Musikalisch wie szenisch die gelungenste Neuproduktion der laufenden Spielzeit.

Christoph Lang
Bild: Wilfried Hösl, Das Bild zeigt Nikolai Schukoff als Dionysos.

Veröffentlicht unter München, Staatsoper

Schreibe einen Kommentar