von Pjotr Iljitsch Tschaikowsky (1840-1893), Oper in 3 Akten und 7 Bildern; Libretto: Modest Iljitsch Tschaikowsky (Bruder des Komponisten) nach der Novelle Pikowaja dama (1833) von Alexander Puschkin unter Verwendung von Versen anderer Dichter und Ergänzungen des Komponisten.
UA: 19. Dezember 1890, Mariinsky Theater, St. Petersburg.
Regie: Johannes Schaaf, Bühnenbild: Hans-Dieter Schaal, Kostüme: Renée Listerdal
Dirigent: Roman Kofman, Beethoven Orchester Bonn, Chor-, Extrachor und Kinderchor des Theaters Bonn, Chorleitung: Sibylle Wagner, Kinderchor: Ekaterina Klewitz
Solisten: Kostadin Andreev (German), Vladimir Baykov (Graf Tomsky), Mikael Babajanyan (Fürst Jeletzky), Andrej Telegin (Ssurin), Mark Rosenthal (Tschekalinsky), Vera Baniewicz (Gräfin), Irina Oknina (Lisa), Susanne Blattert (Pauline/Daphnis), Anna Virovlansky (Mascha/Chloé), Peter Kajlinger (Festredner/Plutus), Ramune Slizauskiene (Gouvernante), Josef Michael Linnek (Tschaplizky), Johannes Flögl (Namurov), Josef Bolten (Kinderkommandant)
Besuchte Vorstellung: 1. Juni 2008 (Premiere)
Kurzinhalt
Der junge Offizier deutscher Abstammung German liebt Lisa, die einer aristokratischen Familie entstammt und Enkelin der alten Gräfin ist. Diese war einst als „Venus von Moskau“ und Spielerin bekannt. Ein Gerücht besagt, sie besäße das Geheimnis zu gewinnen. German geht nachts in das Gemach der Gräfin und verlangt von ihr das Geheimnis, um genug für die Heirat zu gewinnen. Die alte Dame stirbt vor Schreck: Aber ihr Geist erscheint dem verzweifelten German und verrät die drei magischen Karten. German trifft sich mit Lisa, will aber sofort ins Kasino um zu spielen. Lisa glaubt, ihre Liebe einem spielbesessenen Mörder geschenkt zu haben und stürzt sich in die Newa. German gewinnt mit den ersten zwei Karten Drei und Sieben, als er alles auf die dritte Karte, das Ass, setzt verliert er, denn es wäre die Pique Dame gewesen. Der Geist der alten Gräfin erscheint erneut. German verliert den Verstand und erdolcht sich.
Aufführung
Besonderes Augenmerk in der Bonner Fassung gilt der gelungenen Regie von Johannes Schaaf. Musikalisch wirkte die Aufführung insgesamt zufriedenstellend, wenngleich die wenig in sich geschlossene Ouvertüre zunächst nichts Gutes verhieß. Roman Kofman, der sich mit dieser Aufführung aus der Bonner Oper verabschiedet, lenkte insgesamt betrachtet eine souveräne Aufführung. Immerhin hatte Schaaf den Mut, sich die Zeit zu nehmen für die ansonsten gern reduzierten Volkslieder, nicht zu vergessen das herrliche, an Mozart erinnernde und dramaturgisch die Haupthandlung widerspiegelnde Schäferintermezzo Die Aufrichtigkeit der Schäferin, in dem die Präsentation der Zarin Katharina in bester Theatermanier von oben herabgelassen, zum stilsicheren Spaß geriet. Der Chor machte nicht nur optisch, sondern vor allem musikalisch eine glänzende Figur, inbegriffen der niedlich ausgestattete Kinderchor. Das Orchester glänzte in weiten Teilen.
Im eher schlicht bleibenden Bühnenbild, ein mit durchbrochenen Fenstern einmal mehr einmal weniger begrenzten Raum, wirkten die im Stil der Entstehungszeit der Oper angelehnten Kostümierungen als lebendiges Kolorit: weiße Rüschenkleider der Mädchen, schwarze strenge Gouvernantenrobe, Offiziersuniformen, bunte Bauerntrachten und Ammenkleidung, phantasiereiche Tänzerkostüme und Rokokoausstattung. Sehenswert war das in der Mitte angesiedelte Schäferspiel der Ballszene (3. Bild), in dem skurrile Kostüme in Rokokomanier den Chor zur Augenweide werden ließen oder die nächtliche Szene im Mädchenschlafzimmer, in der die Gouvernante für ein ordentliches Abendgebet sorgte. Schade, daß die Geisterauftritte der Gräfin dagegen wenig gespenstisch blieben. Gut gefiel die Veranschaulichung der Doppeldeutigkeit ihres Liedes Je crains de lui parler la nuit“ aus André Erneste Modeste Grétys Oper Richard Coeur de Lion (1785), in dem das besungene amouröse Herzversagen real zum letalen Herstillstand bei der Begegnung mit German umschlägt.
Sänger
Unter den Sängern ist natürlich besonders erwähnenswert der Tenor Kostadin Andreev, der die sängerische Mörderpartie des German übernommen hatte. Er ging jedoch leider sehr kraftvoll mit seiner Stimme um, was klanglich kaum gefallen konnte und in der Liebesarie für Lisa fast störte. Eindringlich war seine große schauspielerische Intensität, mit der er den Außenseiter German verkörperte.
Unter den Männerstimmen ragten neben dem Bariton von Vladimir Baykov (Tomsky), Mikael Babajanyan als Fürst Jeletzky hervor. Irina Oknina war eine stimmlich und optisch eine bezaubernde Lisa, die mit Anna Virovlansy (Mascha/Chloé) und Susanne Blattert (Pauline) klanglich einnehmend harmonierte. Ganz hinreißend war das Duett Blattert (Daphnis)/Virovlansky (Chloé) in der Schäferszene. Die Nebenrollen – Offiziere und Bedienstete – waren gut besetzt. Besonderes Augenmerk galt den Kindern – etwa der ausdauernden Reifenhüpferin – und last but not least dem Chor.
Fazit
Eine im wahrsten Sinne des Wortes sehenswerte Inszenierung, da sich der Filmregisseur (bekannt durch seine Regie bei Momo oder Trotta) Johannes Schaaf wunderschöne Bilder hat einfallen lassen. Musikalisch gibt es, trotz mancher Dominanzen gegenüber den Sängern, in der Musik Tschaikowskys, den Volksliedern und in den barocken Anspielungen eine Flut musikalischer Einflüsse zu hören, die mitunter – zugegebenermaßen ausgefeilter, mitunter feinsinniger – hätten dargebracht werden können.
Felicitas Zink
Bild: Thilo Beu
Das Bild zeigt; in der Mitte Lisa (Irina Oknina) und German (Kostadin Andreev), rechts,
liegend die Gräfin (Vera Baniewicz).
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