Hélène Grimaud (Klavier), Pittsburgh Symphony Orchestra, Manfred Honeck (Dirigent)
Beethoven: Klavierkonzert Nr. 4, Tschaikowski: Symphonie Nr. 5
Konzert 10. September 2011 (Beethovenhalle)
Das Festival trägt im Liszt-Jahr 2011 das Motto Zukunftsmusik. Beethoven, Liszt und das Neue in der Musik, weswegen beim diesjährigen Festival auch zahlreiche Werke des großen Klavier-Virtuosen und Carl-Czerny-Schüler (der wiederum ein Klavierschüler Beethovens gewesen ist) erklingen. Liszt leitete 1845 – zum 75. Geburtstag Beethovens – das erste große Fest, das in Bonn zu Beethovens Ehren veranstaltet wurde. Zu diesem Anlaß wurde auch das noch heute auf dem Bonner Münsterplatz stehende Beethovendenkmal enthüllt. Hauptkonzertsaal ist noch immer – neben zahlreichen anderen Spielstätten wie der wunderschöne Kammermusiksaal im Bonner Beethovenhaus oder der Saal in der Villa Hammerschmidt – die historische 60 Jahre alte Beethovenhalle, die mittlerweile ein ganz besonderes Flair besitzt und sich durch eine wunderbare Akustik auszeichnet.
Schon nach den ersten Takten des Klavierkonzerts, dem Solobeginn in vollgriffigen Akkorden, war klar: Grimaud würde mit großer Wahrscheinlichkeit das halten können, was das Publikum von ihr erwartete. Beethovens Partituranweisung dolce zum Beginn des Konzerts setzte sie perfekt um, und Grimauds Interpretation blieb noch lange im Ohr haften. Sehr gefühlvoll erfolgte auch die Übername des ersten Hauptthemas im sechsten Takt und einsetzendem Tutti der Streicher. Ihr Klang schmiegte sich sachte in Grimauds zuvor hergestellter klanglicher Atmosphäre ein. Insgesamt war der erste Satz erstaunlich ausgewogen, wie er selten zur Aufführung gebracht wird. Man hörte einen musikalisch in sich ruhenden Beethoven. Jeder Ton des Klavierkonzerts wirkte von Seiten der Pianistin und des Orchesters völlig durchdacht und über keine Passage wurde unachtsam hinweggegangen. Beeindruckend war ferner Grimauds ungeheure Fingerfertigkeit, die an jenem Abend unter anderem durch rasante Sechzehntel-Triolen zum Ausdruck kam. Wie Perlen prasselten die Töne bei jedem Lauf auf die Zuhörer nieder.
Der zweite Satz, dem Andante con moto, begann mit einem ungewöhnlich starken, aber dennoch sehr wirkungsvollen Kontrast zwischen den Tutti und Solopassagen. Honeck nahm das Tempo im zweiten Satz noch etwas mehr als gefordert zurück. Im folgenden Rondo zog er das Vivace-Tempo ungewöhnlich stark an, wodurch auch hier ein großer Kontrast hörbar wurde. Leider gab es dabei auch einige Stellen, die bei dem teilweise zu rasanten Tempo gehetzt wirkten, was das Bild auf den ansonsten musikalischen sehr hochwertigen Auftritt etwas trübte. Bedauerlich aber durchaus verständlich war, daß die Solistin Grimaud sich auch nach einem langen donnerndem Applaus nicht dazu hinreißen ließ, noch eine Zugabe zu geben.
Nach der Pause folgte die Fünfte Sinfonie von Peter I. Tschaikowsky, bei deren Beginn das Thema in der Klarinette vorgetragen wird, ehe es in andere Stimmen übergeht und sich selbstbewußt bis zum Fortissimo entfaltet. Dies gelang in feiner guter Absprache. Wie aus dem Nichts begann der noch jung wirkende Klarinettist des amerikanischen Orchesters mit einem romantisch-verträumten, sehnsuchtsvollen Ausdruck, ehe Honeck „die Zügel anzog“ und das Orchester mit einem souveränen und klaren Dirigat sehr diszipliniert zu einem ersten emotionalen Höhepunkt brachte. Bedauernswerterweise übertönten die Posaunen und Trompeten das Orchester in einem etwas zu hohen Maße. Insbesondere in der Schlußgruppe des ersten Satzes ging viel von der vorher gelungen aufgebauten Klangfarbe verloren. Gleichwohl blieb dem Zuhörer ein außergewöhnlich gutes Orchester mit einem großartigen Klarinettisten, einem sehr sensiblen Hornisten und einer als Einheit auftretenden Streichergruppe in Erinnerung. Insbesondere bei leisen und ruhigen Stellen wußten Orchester und Dirigent durch die Schaffung einer in sich ruhenden Musik, die aus der Tiefe zu uns „spricht“, zu überzeugen.
Der Abend hat das eingehalten, was er versprach. Das internationale Publikum würdigte die Leistung mit etlichen Bravo-Rufen, lang anhaltendem Applaus im Stehen, woraufhin sich das Orchester mit zwei Zugaben bedankte.
Roman Bonitz
Bild: Barbara Frommann