LA BOHÈME – Sydney Opera House, Australien

von Giacomo Puccini, Oper in vier Bilder nach Henri Murgers Roman Scènes de la vie de bohème, Textbuch von Guiseppe Giacosa und Luigi Illica, UA: 1. Februar 1896 im Teatro Regio, Turin

Regie: Gale Edwards, Regieassistenten: Matthew Barclay und Johanna Puglisi, Bühnenbild: Brian Thomson,  Kostüme: Julie Lynch, Licht: John Rayment

Dirigent: Brian Castles-Onion, Australian Opera und Ballet Orchestra, Australia Chorus und ein Kinderchor,  Leitung: Anthony Hunt

Solisten: Diego Torre (Rodolfo), Andrew Jones (Marcello), Richard Anderson (Colline), Shane Lowrencev (Schaunard), Antoinette Halloran (Mimì), Taryn Fiebig (Musetta), Adrian Tamburini (Alcindoro) u.a

Besuchte Aufführung: 1. September 2011

Kurzinhalt

1. Vier Freunde feiern in einer Künstlerbude feuchtfröhlich Weihnachten. Als sie anschließend im Quartier Latin bummeln gehen, bleibt nur Rodolfo zurück. Er lernt seine Nachbarin Mimì kennen und es ist Liebe auf den ersten Blick. Sie ist krank, ihre Hand eiskalt.

2. Einige Wochen später, als der Freundeskreise sehr animiert im Café Momus beisammen sitzt, entdeckt Marcello seine einstige Freundin, die kokette Musetta, die ein Walzerlied singt. Die alte Liebe flammt wieder auf. Musette kehrt in Marcellos Arme zurück.

3. Einige Wochen später, sucht Mimì bei Marcello nach Rodolfo. Sie belauscht ein Gespräch der beiden, worin Rodolfo erklärt, daß er sich für Mimìs Krankheit verantwortlich fühlt. Als er Mimì entdeckt, schwören beide, zusammen zu bleiben.

4. Die vier Freunde feiern fröhlich in Rodolfos und Marcellos Bude, und fragen sich, was wohl aus Mimì und Musetta  geworden ist, die sie seit langem verlassen haben. Atemlos tritt Musetta ein und kündigt die sterbenskranke Mimì an. Die jungen Männer tun alles, um Mimì zu helfen. Zärtlich bettet Rodolfo sie auf ein Lager, aber sie stirbt in seinen Armen.

Aufführung

Die Handlung ist in die Berliner 1920iger Jahre verlegt. Das Künstleratelier, im ersten und vierten Bild, zeigt kahle oder halbbemalte Wänden, einen Kanonenofen in der Mitte, einige Stühle und ein breites Brett, jeweils Tisch oder Bett, als einziges Dekor. Die Künstler, einfach, fast ärmlich gekleidet. Im dritten Bild, die obskure städtische Mautstation mit vielen aufgereihten Stühlen und mit Fensterwänden, die auf das triste Schneetreiben auf der Straße hinausgehen, wirkt eher wie ein Armenasyl.

Im Gegensatz dazu ist das zweite Bild farbenprächtiger Höhepunkt der Inszenierung. Erst eine winterliche Jahrmarktszene mit Straßenverkäufern, Stelzengängern, Akrobaten. Gleich darauf ein Spiegelzelt, eine Art Kabarett-Nachtclub-Bordell mit Logen und Tanzfläche, mit vielen Lichtern, Lampions und Fackeln, in dem sich Volk und Gesellschaft in farbenfreudigen Kostümen mischen mit halbnackter Halbwelt, mit ungesitteten Straßenkindern und gesitteten Pfadfindern. Alle durcheinander in einer überaus schwungvollen Choreographie voller witziger Regieeinfälle. Eigentlich, läßt sich nur in diesem Bild die Idee der Berliner 1920iger Jahre halbwegs nachvollziehen. Vereinzelte Otto Dix oder Georg Grosz Köpfe unter den Choristen und Musetta im Glitzerkleid als platinblonder Vamp à la Blauer Engel sollen darauf hindeuten.

Orchester und Sänger

Was bei dieser Aufführung beeindruckt, ist das außergewöhnliche Zusammenspiel eines gut aufeinander abgestimmten Ensembles, sowohl stimmlich, wie auch schauspielerisch. Es kommt besonders zum Ausdruck, in kleinen Rahmen, im ersten und letzen Bild, und im großen Rahmen in der mitreißenden Spiegelzeltszene, wo ein Ereignis das nächste jagt.

Dennoch muß man unter den Sängern die strahlende Stimme des mexikanischen Tenors Diego Torres (Rodolfo) hervorheben, mit der er schon im ersten Bild in Che gelida manino – wie eiskalt ist das Händchen beeindruckt. Antoinette Halloran bemüht sich eine ebenbürtig bewegende Mimì zu sein, was ihr in den dramatischen Szenen fast gelingt, wie in der Abschiedszene von Rodolfo im dritten Bild, ihre lyrischen Arien dagegen leiden bisweilen unter zuviel Vibrato. Taryn Fiebigs (Musetta) klarer Sopran macht ihr Walzerlied im zweiten Bild Quando me’n vo’ – wenn ich so gehe – bemerkenswert. Andrew Jones’ Marcello vollendet mit warmer Baritonstimme das Quartett der zwei Liebespaare. Besonders bewegend das Duett Marcello-Rodolfo im letzten Bild. Richard Anderson (Colline), Shane Lowrencev (Schaunard) und Adrian Tamburini (Alcindoro) ergänzen wohlklingend das kleine Ensemble, der Opera Australia Chorus und ein Kinderchor das Gesamtensemble.

Brian Castles-Onion dirigiert das Australia Opera and Ballet Orchestra mit Schwung und Präzision und hält die emotionale Spannung des Geschehens auch musikalisch bis zum tragischen Ende durch.

Fazit

Eine eindrucksvolle, wohlgelungene Aufführung in einem ausverkauften Haus, das den Mitwirkenden gebührenden Beifall spendet.

Alexander Jordis-Lohausen

Bild: Tito Media

Das Bild zeigt: Taryn Fiebig (Musetta), Adrian Tamburini (Alcindoro)

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