von Georg Friedrich Händel; Oratorium in drei Akten; Text von Charles Jennens; UA: 27. März 1745, London, .im King’s Theatre in
Regie: Christof Nel, Bühnenbild: Roland Aeschlimann, Kostüme: Bettina Walter
Dirigent: René Jacobs, Akademie für Alte Musik Berlin, RIAS Kammerchor
Solisten: Kenneth Tarver (Belshazzar), Rosemary Joshua (Nitocris), Bejun Mehta (Cyrus), Kristina Hammarström (Daniel), Neal Davies (Gobryas)
Chorsolisten: Christina Sampson, Lucy Taylor, Andrew Radley, Richard Wilberforce, Vernon Kirk, Andrew Davies
Besuchte Aufführung: 1. Juni 2008 (Premiere)
Kurzinhalt
Nitocris herrscht mit ihrem Sohn Belshazzar über Babylonien. Die Babylonier verspotten den Perserkönig Cyrus und seine Truppen, die die Stadt belagern. Cyrus hatte einen Traum, in dem Gott ihn auserwählte, den Fluß Euphrat umzuleiten, damit seine Truppen über das trockene Flußbett nach Babylon gelangen um das jüdische Volk zu befreien. Während des Sesachfestes, bei dem der Alkohol in Strömen fließt und alle Wachen betrunken sind, soll dies geschehen. Beim Fest nimmt Belshazzar, um die Juden zu beleidigen, die heiligen Gefäße aus dem Tempel in Jerusalem für das Gelage. Diese Entweihung stößt auf den heftigen Widerspruch seiner Mutter.
Plötzlich erscheinen Zeichen an der Wand, die weder Belshazzar noch seine Weisen entziffern können. Der jüdische Prophet Daniel deutet die Zeichen so, daß Belshazzars Herrschaft endet und er durch die Perser fällt. Mittlerweile dringen die Perser in die Stadt ein.
Während Nitocris noch hofft, daß Belshazzar sich besinnt, setzt dieser jedoch das Gelage fort. Da erobert Cyrus den Palast und tötet Belshazzar. Nitocris nimmt Cyrus an Sohnes statt an. Daniel erkennt in Cyrus den Retter seines Volkes, der das jüdische Volk nach Jerusalem zurückführen wird.
Aufführung
Eigentlich ist ein Oratorium nicht für eine szenische Aufführung geeignet, denn die Handlung an sich findet in den Erzählungen der Darsteller statt. Dennoch wird seit 1927 dieses Oratorium szenisch interpretiert. Dies ist verständlich, denn dieses Oratorium bietet eine Vielzahl von beeindruckenden Chören, und gerade die Zeichen an der Wand lassen sich sehr gut bildlich in Szene setzen. Das Ergebnis kann daher nur sein, die Handlung auf der Bühne zu kommentieren, den Zuschauer mit Assoziationen zur Erzählung in der „Denkrichtung“ zu unterstützen. Das ist die große Gelegenheit für Christof Nel, den Meister des „assoziativen“ Inszenierungsstils.
Der Spielort ist vor einer großen weißen Wand, die horizontal teilbar ist, so daß sich auf verschiedenen Höhen unterschiedliche Absätze bilden, die den Spielort nach hinten bzw. oben erweitern. So können die Babylonier von oben auf die Perser blicken (sozusagen von der Stadtmauer aus), die Juden in einem Gefängnisloch sitzen und die Perser eine Wasserbahn über die Mauer umleiten. Auch klettern einige Kunstturner als Gefolge Belshazzars über die Absätze, was sehr ästhetisch ist. Ebenso ist die Choreographie der anderen Personen ein großer Pluspunkt dieser „Bebilderung einer Inszenierung“: so wird König Belshazzar mit Krone und goldener Axt gezeigt, die er immer in Kopfhöhe hält.
Da deutschsprachige Übertitel verwendet werden, ist man stets über die Handlung informiert. Daher kann wohl jeder Zuschauer dem Regisseur, der die Handlung absolut schlüssig und bunt bebildert, jederzeit folgen. Hier handelt es sich um eine „werkgetreu-moderne“ und dennoch spannende Inszenierung.
Sänger
Absoluter Star des Abends ist der Counter-Tenor Bejun Mehta als Cyrus, der das Publikum mit seiner hellen Stimme, besonders in den Höhen, zu Begeisterungsstürmen hinreißt. Da konnte der Tenor Kenneth Tarver als Belshazzar nicht folgen, obwohl er doch die Axt immer so schön hochgehalten hat. Überzeugend auch (mit viel Verzweiflung im Ausdruck!) Rosemary Joshua als Nitocris, während Kristina Hammarström (mehr rauher Alt als Mezzo) als Daniel keinen Glanz verbreiten konnte. Es muß noch erwähnt werden, daß auch alle kleinen Nebenrollen bzw. Chorsolisten ausgezeichnet besetzt waren!
Die Akademie für alte Musik unter René Jacobs stellt auch an diesem Abend unter Beweis, daß sie hinsichtlich barocker Aufführungspraxis zur Weltspitze zählt. Ein wahres barockes Feuerwerk wurde da abgebrannt.
Fazit
Ein weiterer Meilenstein für die Barocklinie der Staatsoper unter den Linden. Musikalisch und szenisch auf Weltniveau, kann man hier bei René Jacobs von einem zweiten außerordentlichen Dirigenten hinter Daniel Barenboim sprechen, der mit einem zweiten Orchester die Fahne in der Staatsoper hochhält, wenn Barenboim mit der Staatskapelle auf Tournee ist.
Oliver Hohlbach
Bild: Monika Rittershaus
Das Bild zeigt Kenneth Traver als Belshazzar und RIAS Kammerchor.