von Georg Friedrich Händel, Oratorium in drei Teilen, Libretto von Charles Jennens. UA: 27.3.1745, London.
Regie: Philippe Calvario, Bühne und Videos: Pierre Nouvel, Licht: Bertrand Couderc, Choreographie: Ralf Rossa,
Dirigent: Martin Haselböck, Händelfestspielorchester Halle auf historischen Instrumenten, Chor der Oper Halle, Vocal Concert Dresden, Choreinstudierung Jens Peters und Peter Kopp.
Solisten: Nicholas Sales (Belshazzar), Romelia Lichtenstein (Nitrocis), Jordi Domènech (Cyrus), David DQ Lee (Daniel), Florian Boesch (Gobrias), Maik Gruchenberg (Bote)
Besuchte Aufführung: 6. 6. 2008 (Premiere, Händel-Festspiele)
Kurzinhalt
Nitocris, die Mutter des Babylonierkönigs Belsazar, beklagt die Vergänglichkeit menschlicher Herrschaft und wird von Daniel, einem jüdischen Propheten, im Glauben an den Ratschluß des Allwissenden bestärkt. Die Perser belagern die Stadt und werden von den Babyloniern, die ihre Stadt für uneinnehmbar halten, verspottet. Cyrus, der Anführer der Perser tröstet Gobrias, der zu Cyrus übergelaufen ist, weil Belshazzar seinen Sohn getötet hat mit der Aussicht, durch die Umleitung des Euphrat einen Weg in die Stadt zu finden. Da die Babylonier das rauschende Sesachfest zu Ehren des Weingottes feiern, werden sie das Eindringen der Perser über das trockene Flußbett nicht bemerken.
Auch Daniel, der Anführer der in Babylonien gefangenen Juden, sieht aufgrund einer Weissagung Jesajas das Ende der Gefangenschaft voraus.
Belsazar stimmt sich auf das Fest ein und verstärkt seine Verspottung der Juden, indem er befiehlt, ihre heiligen Tempelgefäße beim Gelage als Weinbecher zu mißbrauchen. Sowohl die Juden als auch seine Mutter warnen ihn vor Jehovas Rache, aber Belshazzar läßt sich nicht von seinem Tun abbringen.
Cyrus hat seinen Plan wahr gemacht, die Perser dringen in die Stadt ein. Im Palast gipfelt das Fest in der Lästerung des jüdischen Gottes, erfährt dann eine jähe Wende mit dem Erscheinen der Geisterschrift Mene, mene, tekel, upharsin. Weise, Zauberer, Astrologen und Wahrsager können die Schrift nicht deuten, der Prophet Daniel jedoch enträtselt sie und verkündet Belshazzars Untergang und den Zerfall des Reiches.
Cyrus ist mit Gobrias Hilfe in den Palast eingedrungen, Belsazar stellt sich ihm übermütig entgegen und wird nach einem kurzen Gefecht getötet. Cyrus hält sein Versprechen, die Juden zu befreien und dem Volk der Babylonier Sicherheit zu geben. Nitocris bietet er sich nicht als neuer Herrscher, sondern als neuer Sohn an. Alle stimmen einen Lobgesang zu Ehren Gottes an.
Aufführung
Das szenisch aufgeführte Oratorium spielt auf einer kargen Bühne, die durch einfache Versatzteile – Treppen und containerartige Teile und Wände – unterschiedlich gestaltet wird. Eine wichtige Rolle spielen Video – Einblendungen, z.B. die Klagemauer, die Prozessionsstraße von Babylon (heute im Pergamonmuseum Berlin) aber auch das von der Treppe herabfließende Blut. Die Kostüme der drei Gruppen – Babylonier, Perser, Juden – sind verschiedenen Epochen entnommen und sollen wohl die Verklammerung des antiken Stoffes mit der Moderne symbolisieren. So erscheinen die Babylonier mit barocken Frisuren und Kostümen, die Perser in moderner aber etwas abgerissener Soldatenkleidung, die Frauen teilweise mit Schwesternhäubchen mit Rotem Kreuz, die Juden schließlich ärmlich gekleidet, nur ihr Anführer Daniel trägt einen edlen langen schwarzen Rock oder Hosenrock und ein schwarzes Jackett.
Nitocris trägt ein zeitloses lila Gewand mit hellgrauem Mantel, anfangs hat sie eine etwas merkwürdige Hörnchen-Frisur, im letzten Akt sieht man sie mit offenem Haar.
Die Personenführung ist den Gruppen angemessen, verhalten kämpferisch agieren die Perser, sehr bedrückt wirken die Juden, äußerst lustvoll bis obszön geben sich die Babylonier. Daß sie in einer Festszene tanzen wie eine Popgruppe beim European Song Contest sei nur am Rande vermerkt. Die Weisen, die zur Deutung der geheimen Schrift gerufen werden, treten als Break-Tänzer auf – eine gelungene Ironisierung. Die modern gekleideten Soldaten mit archaischen Waffen (Schwertern) auszustatten und Belsazar von Cyrus erschießen zu lassen – beide stehen sich als Duellanten mit Pistolen gegenüber – ergibt für mich keinen Sinn.
Sänger
Hier muß an erster Stelle Romelia Lichtenstein genannt werden, die mit einer warmen Stimme der Nitocris Gestalt gab. Ihre Intensität überzeugte in jeder Hinsicht. Jordi Domènech als Cyrus und David DQ Lee als Daniel sind hervorragende Counter-Tenöre mit umfangreicher Erfahrung in der barocken Aufführungspraxis. Auch sie meisterten ihre Rolle makellos. Nicholas Sales gab dem Belsazar die ganze Verruchtheit dieser Person, Händel hat der Titelfigur jedoch keine herausragenden musikalischen Höhepunkte gegeben. Mit Florian Boesch war die Rolle des Gobrias – zürnend und auf Rache sinnend – gut besetzt. Ein besonderes Lob muss den Chören ausgesprochen werden, denen ein Großteil der musikalischen Gestaltung zukam. Das Gleiche gilt für das Händelfestspielorchester unter dem Dirigat von Barockspezialist Martin Haselböck. Eine ausgewogene Abstimmung von Orchester und Sängern machte diesen Abend zu einem echten Genuss.
Dorothee Riesenkönig
Bild: Gert Kiermeyer
Das Bild Zeigt: Fabiana von Arx, Alexis Nicole Panos (BALLETT ROSSA), Nicholas Sales