ALCINA – Dresden, Semperoper

von Georg Friedrich Händel, Dramma per musica in drei Akten, Libretto: unbekannter Verfasser, UA: 16. April 1735, Covent Garden Theatre, London

Regie: Jan Philipp Gloger, Bühne: Ben Baur

Dirigent: Rainer Mühlbach, Staatskapelle Dresden, Continuo: Simon Kalbhenn (Violoncello), Stefan Maass (Laute, Barockgitarre), Stephan Rath (Laute), Diethard Krause (Viola da Gamba), Johannes Wulff-Woesten, Jobst Schneiderat (Cembali)

Solisten: Amanda Majeski (Alcina), Barbara Senator (Ruggiero), Christa Mayer (Bradamante), Simeon Esper (Oronte), Nadja Mchantaf (Morgana), Markus Butter (Melisso), Elena Gorshunova (Oberto)

Besuchte Aufführung: 29. Oktober 2011 (Premiere)

Kurzinhalt

Alcina hat Ruggiero verzaubert und bei ihm jede Erinnerung an sein früheres Leben vertilgt. Bradamante, verkleidet als Ritter Riccardo, trifft auf der Suche nach ihrem Verlobten Ruggiero auf Alcinas Schwester Morgana. Diese verliebt sich in den Ritter, was die Mißgunst ihres Verlobten Oronte hervorruft. Es gelingt, Ruggiero vom Zauber Alcinas zu befreien. Sogleich will Alcina Rache nehmen, um Ruggiero zurückzugewinnen, den sie liebt. Aber wegen dieser Liebe versagen ihre Zauberkräfte. Bradamante, Ruggiero und Melisso können fliehen, Alcinas zu wilden Tiere verhexten frühere Liebhaber (darunter Obertos Vater) werden wieder Menschen.

Aufführung

Das Bühnenbild ist ein einfacher weißer Raum mit barocken Verzierungen. Jedoch können die teilbaren Wände in den Raum hinein- und wieder hinausfahren, so daß labyrinthartige Seitengänge und Neben-Räume entstehen, die es den handelnden Personen ermöglichen, auf- und abzutreten oder unsichtbar, aber nicht erreichbar, auf der Bühne zu verweilen. Als Alcinas Macht erlischt, verschwindet das Labyrinth, der einfache Raum ist wieder da. Die Kostüme sind modern: bunte Abendkleider für die Damen, Anzüge für die Herren oder legere Straßenkleidung. Dazu gehören ein Koffer und eine viel herumgereichte Pistole, mit der sich Ruggiero am Ende erschießt. Der Raum versinkt auf den Seitenbühnen, Alcina setzt sich zu den auf der Hinterbühne plazierten Requisiten, der Rest des Ensembles verschwindet im Parkett.

Sänger und Orchester

Die Sächsische Staatskapelle…in der Continuo-Gruppe um historische Instrumente ergänzt…musiziert Alcina in historisch informierter Aufführungsweise, so steht es im Programmheft, das allerdings verschweigt, wer dieser Informant gewesen sein soll, denn Spezialisten der barocken Aufführungspraxis finden, sich außer den fünf Musikern dieser Continuo-Gruppe, nicht auf dem Besetzungszettel. Der Unterschied des Spiels der Continuo-Gruppe zur Staatskapelle ist deutlich: Während diese Gruppe den Klangwelten des Barock zustrebt, bleibt die Staatskappelle im harten wuchtigen Klang der Romantik verhaftet. Nach einem furiosen Auftakt gewinnt man außerdem den Eindruck, daß die Staatskapelle zunehmend die heftigen Ruderbewegungen von Rainer Mühlbach ignoriert. Statt barockem Wohlklang entsteht farblose Musik, statt technisch brillanter Koloraturen erlebt man technische Probleme der Sänger, sogar bei der Hauptrolle. Aber da man die Arien nicht kürzte, fällt es auf, wenn Amanda Majeski (Alcina) die Kraft ausgeht, die Höhen nur mit Kraft und zunehmender Schärfe erreicht, und so die Koloraturen glanzlos kommen. Im Gegensatz dazu sind die Höhen und Koloraturen von Christa Mayer klanglich einwandfrei, ihr dramatischer Sopran (mittlerweile im Wagner-Fach zu Hause) ist jedoch deutlich zu schwer für Bradamante. Nadja Mchantaf (Morgana) versucht sich ins Piano zu retten, jedoch tremoliert sie, was manchmal dazu führt, daß die Stimme sich zu überschlagen droht. Am besten gefällt Barbara Senator als Mezzo in der Hosenrolle des Ruggiero. Sie schafft auch die hohen Spitzentöne und kann Feuer auch in den tiefen Lagen entfachen. Das Feuer vermißt man wiederum bei Simeon Esper als Oronte, ein solider Charaktertenor, der aber keine barocke Farbenpracht entwickeln kann. Markus Butter ist der solide Hausbariton in der Nebenrolle des Melisso.

Fazit

Abgesehen von einigen historischen Instrumenten deutete nichts darauf hin, daß Alcina oder Georg Friedrich Händel wichtige Vertreter der Barockzeit waren und sind. Schwerpunkt der Staatskapelle ist mittlerweile die deutsche Romantik und in der Tat, so hörte sich diese Oper auch an: Keine barocke Harmonie, keine mitreißenden Koloraturen, sondern der schwere, wuchtige, mit aller Kraft gesungene romantische Klang. Das Publikum feierte die Inszenierung mehr als die musikalische Seite. Verständlich, denn Jan Philipp Gloger nimmt das Stück, die Handlung und die Charaktere ernst. Die Regietheater-Einfälle halten sich in Grenzen, so entsteht eine stringente Personenführung, die auch den Spannungsbogen hält, wenn die barocken Arien etwas länger dauern – auch wenn der Schluß mit dem Selbstmord von Ruggiero etwas befremdlich wirkte.

Oliver Hohlbach

Bild: Matthias Creutziger

Das Bild zeigt: Amanda Majeski (Alcina) und Statisten

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