LA FINTA GIARDINIERA – DIE GÄRTNERIN AUS LIEBE – Bonn, Theater

von Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791), Dramma giocoso in drei Akten, Libretto: Giuseppe Petrosellini, UA: 13. Januar 1775, München, Opernhaus St. Salvator

Regie: Philipp Himmelmann, Bühne: Hermann Feuchter, Kostüme: Petra Bongard

Dirigent: Hendrik Vestmann

Solisten: Mark Rosenthal (Don Anchise, Podestà), Anna Siminska (Sandrina), Julia Kamenik (Arminda), Mirko Roschkowski (Belfiore), Susanne Blattert (Ramiro), Ingrid Frøseth (Serpetta), Giorgos Kanaris (Nardo)

Besuchte Aufführung: 6. November 2011 (Premiere)

Kurzinhalt

Don Anchise, Bürgermeister von Lagonero, hat sich in seine Gärtnerin Sandrina verliebt. Diese ist eigentlich die Gräfin Onesti, die ein Jahr zuvor von ihrem Geliebten, Graf Belfiore, in einem Anfall von Eifersucht mit dem Messer verletzt worden. In der Annahme, sie sei tot, flüchtet er. In der Verkleidung einer Gärtnerin wollte sie ihren Geliebten wiederfinden. Des Podestàs Nichte Arminda will Graf Belfiore heiraten. Als dieser überraschend des Mordes an der Gräfin Onesti angeklagt wird, gib sich Sandrina zu erkennen. Dieses Geständnis widerruft sie aber, als Belfiore sie bedrängt, weil er sie wieder besitzen will. Zwei weitere Liebespaare gibt es: Anchises Dienerin Serpetta und Nardo, der frühere Diener der Gräfin Onesti, der sich als ihr Onkel bei Anchise ausgegeben hatte und Ramiro, der seine frühere Geliebte Armida wiederhaben will. Alle drei Paare kommen am Ende glücklich zusammen. Einzig der Podestà Don Anchise geht leer aus.

Aufführung

Beim Öffnen des Vorhangs sieht man ein Gebilde aus Holz mit goldenem Hintergrund, ähnlich einem Steckkasten. Die Personen der Handlung erscheinen in den verschiedenen Kästen in bunter, barocker Kostümierung mit entsprechend aufgetürmten Haarteilen. Diese Kästen kann man durch Türen und Feuerleitern erreichen. Die Protagonisten erklimmen, manchmal ihr Rezitativ oder Arie singend, sogar das schwindelerregend hohe Dach des Steck-Kastens. Die einzelnen Kästen sind manchmal durch halbhohe Zwischenwände getrennt, die des öfteren überwunden werden müssen, aber auch zum Ausruhen benutzt werden. Die Beleuchtung wechselt kontrastreich zwischen hell und dunkel.

Sänger und Orchester

Frisch legte das Orchester unter der Stabführung von Hendrik Vestmann die Ouvertüre hin. Sowohl im ersten Allegro-Satz als auch im zweiten, einer graziöse Gavotte, wurden die Piano-Forte-Stellen fein abgetönt. Mit Spannung erwartete man das weitere. Leider wurde man enttäuscht: massiver Bläserklang deckte Podestàs Arie Dentro il mio petto io sento – ich fühle in meiner Brust (1. Akt) fast völlig zu. Die letzten Zeilen dieser Arie lauten: Dann entsteht ein großer Lärm, die Pauken, die Trompeten, Fagotte und Kontrabaß lassen mich verzweifeln. Als Zuhörer konnte man bei da nur zustimmen: Streckenweise war es ein reiner Instrumentalsatz, wo gelegentlich eine Stimme schemenartig auftauchte. Mark Rosenthals (Podestà) Stimme war ziemlich kehlig und das fortwährende Vibrato ließ die Intonation verschwimmen. Ohnehin verschwand der Gesang unter den Klangmassen. Dagegen war Susanne Blattert (Ramiro) eine wohltuend anzuhörende Sopranistin, die mit ihrer klaren Stimme in großer Geläufigkeit die anfallenden Koloraturen meisterte. Ebenso brachte Mirko Roschkowski (Belfiore) mit lyrischem Tenor seine zahlreichen Verzierungen mit gut dosiertem Atem heraus. Das war umso erstaunlicher, als er, wie auch die anderen Sängerinnen und Sänger, den Abend mit enormer Körperbeherrschung bewältigten, mußte er doch singend elegant drei Stockwerke die Feuerleiter hoch- und runterhangeln. Er wurde nur noch von Giorgos Kanaris (Nardo) übertroffen, der mit sonorem Baß trotz körperlicher Anstrengung keine Atemschwierigkeiten sich anmerken ließ. Julia Kamenik (Arminda) könnte man den Orden für tadelloses Vibrieren ihrer Stimme verleihen, worunter die oft bemerkten Intonationsstörungen geschmeidig verschwanden. Ingrid Frøseth (Serpetta) gestaltete ihre Partie auf das Lebhafteste, was dem Regisseur in seiner Auffassung dieser Mozart-Oper als Aktionskomödie wohl am Entschiedensten entgegenkam. Mit kleiner, aber klarer Sopranstimme gelang ihr spritzig Appena mi vidon chi cade – kaum daß sie (die Männer) mich sehen, fällt dieser, verliert jener die Besinnung (1. Akt). Die Hauptperson, Anna Siminska (Sandrina), lieferte in der mit gedämpften Streichern (was ein Glück war) begleiteten Arie: Geme la tortorella – die Turteltaube seufzt perlende Koloraturen, doch leider nur angedeutete Triller, die dennoch den rechten Zauber dieser barocken Gleichnisarie hervorrief, wenn da nicht ihr Herumfuchteln mit einem Dolch, den sie zudem noch lautstark auf den Boden des Kastens (s.o.) schleuderte, gestört hätte.

Fazit

Die bewundernswerten Sängerakrobaten machten aus Mozarts Belcanto-Oper eine Aktions- oder Agentenkomödie. Dem Publikum gefiel das. Wo sollte sich der Opernbesucher auch informieren? Im Programmheft fehlte – wie seit 15 Jahre in Deutschland üblich – der Text. Er wäre insofern auch hilfreich gewesen, um den zahlreich gestrichenen Arien nachzutrauern.

Dr. Olaf Zenner

Bild: Thilo Beu

Das Bild zeigt: „Setzkasten“ mit allen Protagonisten

Veröffentlicht unter Bonn, Opernhaus, Opern