LA VOIX HUMAINE – DIE GELIEBTE STIMME
von: Francis Poulenc (1899-1963), Tragédie lyrique in einem Akt, Text: Jean Cocteau (1930), UA: 6. Februar 1959, Opéra-Comique, Salle Favart, Paris, Solistin: Irina Popova (Eine Frau)
IL COMBATTIMENTO DI TANCREDI E CLORINDA – DER KAMPF VON TANCREDI UND CLORINDA
von Claudio Monteverdi (1657-1743), Szenisches Madrigal, Text: Torquato Tasso, aus Gierusalemme liberata, UA: Karneval 1624, Palazza Mocenigo, Venedig; Regie: Alexander von Pfeil, Bühne und Kostüme: Piero Vinciguerra
Dirigent:: Péter Halász, Aachener Sinfonieorchester
Solisten: Patricio Arroyo (Testo), Katrin Stösel (Clorinda), Georgios Iatrou (Tancredi)
Besuchte Aufführung: 6. November 2011 (Premiere)
La voix humaine
Eine junge Frau wartet auf den Anruf des Mannes, der sie vor zwei Tagen verlassen hat. Als es endlich klingelt beginnt ein längeres Gespräch, in dem nur die Stimme der Frau zu hören ist. Die Frau kämpft gegen ihre Trennungsangst und versucht verzweifelt die einzige Verbindung zu dem Mann, der sie wegen einer anderen Frau verlassen hat, zu halten. Doch das Gespräch endet mit ihren Liebesbeteuerungen, die nicht erwidert werden.
Il Combattimento di Tancredi e Clorinda
Der Kreuzritter Tancredi hat sich in die Mohammedanerin Clorinda verliebt. Diese bekämpft in männlicher Verkleidung die christlichen Feinde. In einem erbitterten Zweikampf zwischen den beiden verletzt Tancredi Clorinda lebensbedrohlich. Dabei ist er im Glauben, sie sei der Feind. Als Clorinda im Sterben liegt, überkommt sie der christliche Glaube an die Kardinaltugenden: Glaube, Liebe, Hoffnung. Auf Clorindas Bitte tauft Tancredi sie und erkennt dabei voller Bestürzung, wer sie wirklich ist. Clorinda stirbt in Frieden in seinen Armen.
Aufführung
Im Anschluß an La voix humaine, zeigte man noch das 25minütige Monteverdi-Madrigal. Der Versuch, den Bogen zu schlagen zwischen zwei so unterschiedlichen Opern, die inhaltlich eigentlich nichts gemeinsam haben, ging fehl: beide Teile standen zusammenhangslos nebeneinander.
Eingeleitet wurde der Abend mit Poulencs modernem Monodrama. Dabei verwandelte sich die Bühne in ein unmöbliertes, schmutziges Zimmer. Die Wände liefen sternförmig auf eine Ecke im Zentrum zu und bildeten eine Art Fluchtpunkt. Vor dem Hintergrund dieser Baracke und in einem schwarzen Etui-Kleid markierte Irina Popova die selbstmordgefährdete Sitzengelassene. Für den Monteverdi-Teil wurde das Bühnenbild beibehalten: hier diente die Baracke als Unterschlupf, in denen die christlichen Kreuzritter zu modernen Armee-Soldaten mit grünen Tarnhosen und halbnackten Oberkörpern verwandelt wurden. Clorinda tauchte kurz mit Kopftuch und bodenlangem Rock auf.
Sänger und Orchester
Irina Popovas (Eine Frau) Aufgabe war nicht leicht; immerhin mußte sie die psychologische Verfassung ihrer Figur in La voix humaine nur durch Einsatz von Stimme und Körper auf den Punkt bringen. Dies gelang ihr aber mit Bravour. Das glasklare Timbre ihres Soprans wirkte in den Höhen sehr verletzlich, so daß ein intimer Klang entstand. Péter Hálasz dirigierte das Orchester dazu sehr legato und piano. Der Klangteppich, der hierdurch entstand, erzeugte eine sehnsuchtsvoll-traurige Stimmung. Unterstützt wurde die musikalische Darbietung durch Irina Popovas Interaktion mit den Requisiten auf der Bühne. Beispielsweise zog sie das Telefon, als Symbol für die Abwesenheit des Gesprächspartners hinter sich her, oder deutete mit einem Revolver Selbstmordversuche an. Ebenfalls biß sie sich in die eigene Hand, um ihre Verzweiflung auf die Spitze zu treiben. Das Ende wirkte jedoch unschlüssig: Statt sich wirklich umzubringen, rannte sie in Brautschleier und Mantel aus dem Zimmer.
Nach der Pause kam mit Il Combattimento di Tancredi mehr Interaktion auf die Bühne: Patricio Arroyo (Testo) bildete mit seinem Belcanto-Tenor die Rahmenhandlung. Sein zarter Gesang paßte sich dabei dem Madrigalklang des Orchesters an. Das Vorspiel klang leider in den Bläsern etwas intonationsgestört. Mit Einsatz des Cembalos wurde dies besser. Katrin Stösel (Clorinda) und Georgios Iatrou (Tancredi) räkelten sich während der Einleitung auf dem Boden wie nach einer Liebesnacht. Iatrous Auftritt war eher schauspielerisch, denn seine Gesangparts dauerten nur wenige Minuten. Er agierte zusammen mit einer Gruppe von Statisten im Hintergrund, die ihn während seines Kampfes anfeuerten. Versöhnlich klang Stösels Sopranstimme, mit einem sehr warmen Timbre und weicher Intonation, besonders im Schlußgesang Der Himmel öffnet sich, ich gehe in Frieden.
Fazit
Musikalisch betrachtet wurden beide Stücke, ihrem Klangcharakter entsprechend, gut umgesetzt: besonders Irina Popova wurde vom Publikum zugejubelt. Insgesamt eine solide Vorstellung, aber ohne besondere Höhepunkte.
Melanie Joannidis
Bild: Will van Iersel
Das Bild zeigt: Irina Popova (Eine Frau) am Telefon (La voix humaine)