MY FAIR LADY – Nürnberg, Staatstheater

von Frederic Loewe (1901-1988), Musical in 2 Akten nach George Bernhard Shaws Pygmalion, Libretto: Alan Jay Lerner; Deutsch: Robert Gilbert, UA:15. März 1956, New York, Mark Hellinger Theatre

Regie: Thomas Enzinger, Bühne/Kostüme: Toto, Choreographie: Joshua Monten

Dirigent: Gabor Kali, Staatsphilharmonie Nürnberg, Chor, Bewegungsensemble des Staatstheaters Nürnberg

Solisten: Kurt Schober (Henry Higgins), Henriette Schmidt (Eliza Doolittle), Volker Heißmann (Alfred P. Doolittle), Richard Kindley (Oberst Pickering), Martin Rassau (Mrs. Higgins), Teresa Erbe (Mrs. Pearce), Martin Platz (Freddy Eynsford-Hill.), u.a.

Besuchte Aufführung: 12. November 2011 (Premiere)

Kurzinhalt

Professor Higgins, ein angesehener Sprachgelehrter, trifft auf den kraftvoll-vulgären Dialekt der Blumenverkäuferin Eliza Doolittle. Aufgrund einer Wette mit seinem Freund Oberst Pickering will er aus Eliza eine Dame zu machen. Der erste Testlauf in der feinen Gesellschaft beim Pferderennen in Ascot scheitert, als sie ihr Pferd anfeuert, ihm Pfeffer in den Arsch zu streuen. Im zweiten Anlauf vermag Eliza beim Diplomatenball im Buckingham Palace zu brillieren. Higgins und Pickering feiern die gelungene Arbeit, Eliza fühlt sich übergangen. Man versöhnt sich zwar, offen bleibt, wie sich Elizas Zukunft mit dem Professor, der doch so gerne Junggeselle war, gestaltet.

Aufführung

Selten hat man in Nürnberg bislang eine so aufwendige Bühnendekoration gesehen: Der Platz vor Covent Garden verwandelt sich durch rasch herauf-, herab- oder hineinfahrende Kulissenteile in das Arbeitszimmer von Higgins mit großen Bücherregalen oder der Rennbahn von Ascot, bestehend aus einer mehrstufigen Zuschauertribüne. Mrs. Higgins empfängt Eliza im Kaffeesalon an einem Tisch mit zwei Rattan-Stühlen, ein offener Platz, am Hausportal steht eine Laterne.

Die Kostüme orientieren sich an die Entstehungszeit Pygmalions zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Eliza trägt zunächst lässig einen grauen Mantel mit lila Unterrock, für den Ball einen „Traum in Rosa“, nach ihrer Ausbildung stocksteif und damenhaft ein braun-gestreiftes Kostüm. Die Hüte der Damen in Ascot spotten jeder Beschreibung. Volker Heißmann macht sowohl in verschwitzter Arbeitskleidung als auch im Hochzeitsfrack eine gute Figur. Professor Higgins trägt ein Gelehrtensakko mit Lederflecken an den Ellenbogen, später wie die übrigen Herren der Gesellschaft braun-dunkle englische Gesellschafts-Anzüge.

Sänger und Orchester

Über die Verwendung von Mikroports kann man geteilter Meinung sein: Einerseits führt das zu einer absoluten Wortverständlichkeit, zum anderen kann man die sängerischen Leistungen kaum beurteilen, da sie die Stimme verstärken bzw. verändern und auch zu Abstimmungsproblemen mit Chor und Orchester führen, die nicht verstärkt werden. Volker Heißmann gelingt es, sängerisch zu überzeugen und den Alfred Doolittle als derben aber bodenständigen Nürnberger Müllkutscher zu charakterisieren – inklusive Tanz-Slapstick-Einlage. Martin Rassau zeichnet Mrs. Higgins als den zynischen Gegenpart zu ihrem Sohn: Wenn sie flüstert bricht schon Glas! Kurt Schober und Richard Kindley können mit einer eher schauspielerisch orientierten Gesangslinie des Alfred Doolittle bzw. Oberst Pickering überzeugen, Henriette Schmidt verlieh mit heller und klarer Stimme der Rolle der Eliza die notwendige jugendliche Naivität. Gabor Kali geht den Abend mit hohem Tempo sehr schmissig an, kann dabei auf die bestens eingestellte Staatsphilharmonie und Chor zurückgreifen. Die Tanzeinlagen werden mehrheitlich vom Bewegungsensemble dargebracht – und zwar durchaus reif für den Broadway.

Fazit

Was diese Produktion wahrlich hervorhebt ist – neben den aufwendigen Bühnendekorationen und Kostümen – die Übertragung der Berliner Fassung ins Fränkische. Und es überrascht, daß die hochdeutsch sprechende Hauptdarstellerin (Henriette Schmidt stammt aus Lübeck) einen sechs Monate dauernden Sprachtraining absolviert hat, um nürnbergerisch zu babbeln: aus Veilchen werden „Veilchalaa“.  Zusammen mit der fränkischen Textfassung von Heißmann und Rassau – die im für Nürnberg fürchterlichen Gegensatz fürtherisch daherreden – ergeben sich Lustbarkeiten mit Lokalkolorit, die auch für Nicht-Franken verständlich sind: Schmeißen se ehr Geld ner zum Fensder naus – a sicherere Anlage gibts net! Worte wie Mamaladnamala (da haben selbst Franken Probleme: Marmeladenglas) werden im Programmheft erläutert. Auch die ausgefeilte Choreographie der Tanzeinlagen ist zu loben – selbst wenn sie manchmal etwas nichtssagend sind. Diese My Fair Lady ist unstrittig das vom Publikum umjubelt gefeierte Sylvester-Gute-Laune-Stück – an Sylvester finden sogar zwei Vorstellungen statt!

Oliver Hohlbach

Bild: Ludwig Olah

Das Bild zeigt: Skandal um Eliza in Ascot: Sonst streu ich Dir Pfeffer in den Arsch.

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