CARMEN – Augsburg, Theater

von Georges Bizet (1838-1875) Opéra Comique in vier Akten, Libretto: Regisseur L. Fioroni, eigener Text unter Verwendung der Dialoge von Henri Meilhac und Ludovic Halévy sowie der Novelle von Prosper Mérimée, UA: 3. März 1875, Paris Opéra-Comique, Salle Favart

Regie: Lorenzo Fioroni, Bühne: Paul Zoller, Kostüme: Annette Braun, Dramaturgie: Katharina John, Choreographie: Riccardo De Nigris

Dirigent: Dirk Kaftan, Philharmonisches Orchester, Chor, Extrachor, Kinder- und Jugendchor des Theaters Augsburg, Choreinstudierung: Karl Andreas Mehling

Solisten: Kerstin Descher (Carmen), Ji-Woon Kim (Don José), Dong-Hwan Lee (Escamillo), Christopher Busietta (Remendado), Giulio Alvise Caselli (Dancaïro/Moralès), Petar Naydenov (Zuniga), Sophia Christine Brommer (Micaëla), Cathrin Lange (Frasquita), Stephanie Hampl (Mercédès)

Besuchte Aufführung: 22. Oktober 2011 (Premiere)

(Durch Recherche wurde die Präsentation im Internet verzögert.)

Vorbemerkung

Diese Carmen wird am Theater Augsburg mit einem sehr gekürzten und stark veränderten Text mit teilweise vertauschten Rollen aufgeführt. Im Programmheft steht: Textfassung von Lorenzo Fioroni unter Verwendung der Dialoge von Henri Meilhac und Ludovic Halévy sowie der Novelle von Prosper Mérimée. Tatsächlich hat Regisseur Fioroni die meisten Dialoge frei erfunden und im Sinn geändert. Darüber hinaus wurde auch die Szenenfolge abgeändert. Damit wurde der Konzeption von Bizet und seinen Librettisten argen Schaden zugefügt. Das alles geschieht weitgehend unbemerkt vom Publikum, denn Fioronis Text erscheint nicht im Programmheft.

Kurzinhalt

Es ist unruhiges spanisches Sevilla in der Zeit um 1820. Die junge Zigeunerin Carmen wird von den Männern begehrt. Nach einem heftigen Streit mit einer Fabrikangestellten wird sie verhaftet. Don José soll sie ins Gefängnis bringen. Auf dem Weg dorthin wird er von der Zigeunerin so sehr umworben, daß er sie entkommen läßt. Ihre Freundinnen wundern sich über die Veränderungen Carmens, die geduldig auf Don José wartet und Werben anderer Männer übersieht. Als der Geliebte eintrifft, versucht sie ihn für sich allein zu gewinnen. Doch Don José kann sich jedoch nicht für das gesetzlose Leben in völliger Freiheit entscheiden. Carmen ist zutiefst enttäuscht und gekränkt, sie wendet sich von ihm ab. Darüber hinaus verliebt sie sich in den Stierkämpfer Don Escamillo. Aber Don José will Carmens Liebe zurückerobern. Als sie nicht zu ihm zurückkommt, ersticht er sie.

Aufführung

Die Bühne zeigt den großen Raum eines einfachen und verrauchten Wirtshauses. Die Seitenwände bestehen aus großen Lamellentüren, welche bei einem starken Sturm immer wieder aufgerissen werden. Dabei werden die Vorhänge vom kräftigen Wind bewegt, und man hat Mühe die Türen wieder zu schließen. An der Wand ganz links hängt eine Fotografie des spanischen Diktators Franco. Grillengezirp ist noch vor Beginn der Ouvertüre wie in einem sommerlichen Biergarten zu hören. Die Tische sind gedeckt, die Kostüme des Chors wie auch der Solisten sind zeitlos, elegant oder auch reizend geschneidert. Carmen und ihre Freundinnen tragen teils abgetragene und löchrige Wäsche. Das farbige, oft goldene Licht, vermag liebliche Akzente zu setzen. Später ist die Einrichtung zerstört, der überdimensionale Spiegel hängt an der Decke.

Sänger und Orchester

Das Orchester zauberte eine besondere Stimmung und begleitete mit feurigen Klängen das Sängerensemble. Die Chorpartien klangen voll. Auch der Kinderchor zeigte seine überwältigende stimmliche Leistung. Die Solisten des Abends erfüllten enorme künstlerische Anforderungen. Sophia Christine Brommer (Micaëla) gab ein besonders edles Bauernmädchen ab. Im Duett Parle-moi de ma mére – Erzähl mir von meiner Mutter mit Ji-Woon Kim (Don José) strahlte ihr heller Sopran (1. Akt). Viel Applaus erntete Kerstin Descher (Carmen). Sie sang sicher in der Intonation und Aussprache mit ihrer dunklen und vibratoreichen Stimme. In Près des remparts de Séville – An den Stadtmauern von Sevilla zeigte sie sehr viel Emotion und ein perfektes Spiel, wie versteinert ließ sich Ji-Woon Kim von ihr festbinden (1. Akt). Ji-Woon Kims Vortrag von La fleur que tu m’avais jetée – Die Blüte, die du mir zugeworfen hattest war nicht nur emotionsreich, sondern er spielte eine sehr beeindruckende himmlisch übersteigerte Verliebtheit (2. Akt). Der stimmlich sichere Dong-Hwan Lee (Escamillo) trug etwas viel rosa Farbe im Gesicht und hob sich von den anderen als märchenhafte und dominante Erscheinung ab, prächtig sang er die Arie Toréador, en garde Torero, auf in den Kampf (2. Akt). Christopher Busietta (Remendado) und Giulio Alvise Caselli (Dancaïro und Moralès) waren extrem schüchterne Schmuggler. Petar Naydenov verwirklichte einen strengen Leutnant Zuniga. Als zwei Zigeunermädchen wirkten Stephanie Hampl, sie stellte eine temperamentvolle Mercédès dar, und Cathrin Lange spielte eine graziöse Frasquita mit klangvoller Stimme. Die Kartenspiel Szene Mêlons! Coupons! gestalteten sie vorzüglich (4. Akt).

Fazit

Durch die Anspielungen auf die Zeit des Diktators Franco (1892-1975) in Spanien sollte der Carmen noch mehr Freiheit und Kampfgeist verliehen werden. Damit verlor die Person der Carmen an Eleganz. Don José tötete Carmen mit vielen Messerstichen, wobei das Opfer jedesmal laut aufschrie. Sollte man solches vor den Kinderaugen des Kinder- und Jugendchors auf der Bühne stattfindet lassen? Die Regie erntete vom Publikum Buh-Rufe. Dagegen wurde die musikalische Gestaltung durch Dirk Kaftan vom Augsburger Publikum wärmstens aufgenommen. Die Lieblinge der Zuhörerschaft waren vor allem: Kerstin Descher, Sophia Christine Brommer und Ji-Woon Kim.

Ruta Akelyte Hermann

Bild: A. T. Schaefer

Das Bild zeigt: Ji-Woon Kim (Don José) und Kerstin Descher (Carmen)

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