LA CENERENTOLA – Paris, Palais Garnier

von Guioacchino Rossini, Dramma giocoso in zwei Akten, Libretto: Jacopo Ferretti nach Charles Perrault: Cendrillon, U.A.: 25. Januar 1817 Rom, Teatro Valle

Regie, Bühnenbild und Kostüme: Jean-Pierre Ponnelle, Verwirklichung der Inszenierung: Grischa Asagaroff, Beleuchtung: Michael Bauer

Dirigent: Bruno Campanella, Chorleiter: Alessandro di Stefano, Chor und Orchester de l’Opéra National de Paris

Solisten:  Javier Camarena (Don Ramiro), Riccardo Novaro (Dandini), Carlos Chausson (Don Magnifico), Jeanette Fischer (Clorinda), Anna Wall (Tisbe), Karine Deshayes (Angelina), Alex Esposito (Alidoro)

Besuchte Aufführung: 26. November 2011 (Premiere)

Kurzinhalt

Prinz Ramiro kommt auf seiner Brautschau zu Don Magnificos zwei häßlichen und bösen Töchtern und seiner guten und schönen Stieftochter, Angelina, die von Schwestern und Stiefvater als Magd mißhandelt wird. Der Prinz hat vorsichtshalber mit seinem Kammerdiener Dandini die Identität gewechselt. Zwischen der vermeintlichen Küchenmagd und dem vermeintlichen Kammerdiener ist es Liebe auf den ersten Blick. Der Prinz lädt die Mädchen zu einem Ball ein. Don Magnifico verbietet Angelina daran teilzunehmen. Sie erhält aber vom Philosophen Alidoro eine Einladung, sowie ein Ballkleid. Auf dem Ball rivalisieren die beiden häßlichen Schwestern auf groteske Weise um die Gunst des Prinzen. Man meldet die Ankunft einer schönen Unbekannten. Don Magnifico ärgert sich, daß alle sie umwerben, und sie überdies seiner Stieftochter ähnelt. Angelina lehnt den Heiratsantrag des vermeintlichen Prinzen ab, sie liebe seinen Kammerdiener. Als Ramiro um sie wirbt, gib sie ihm eins von zwei gleichen Armbändern. Wenn er sie damit fände und sie ihm dann immer noch gefalle, wolle sie ihn heiraten. Don Magnifico ist erschüttert als Dandini ihm offenbart, daß er nur Kammerdiener sei. Der Prinz findet Angelina und heiratet sie. Sie vergibt Vater und Schwestern und bittet auch beim Prinzen für sie: La bontà in trionfo!

Aufführung

Als Bühnenbild einfache schwarz-weiß Kulissen, wie Architekturstiche des 18. Jahrhunderts, für das Haus Don Magnificos und für das Prinzenpalais, deren trompe-l’oeil Fassaden man wie bei alten Puppenhäusern öffnen kann. Die Kostüme der Solisten im Stil zwischen Roccoco und Biedermeier, besonders prächtig das schwarze, bestickte Ballkleid und das weiße Hochzeitskleid Angelinas, der Chor der Höflinge in rotem Jagdgkostüm mit schwarzem Zylinder oder in besticketem Frack.

Die Regie ist eine wundervoll phantasievolle Choreographie, die alle Möglichkeiten der Handlung und der Partitur ausnützt, um  ein regelrechtes Feuerwerk von Witz, Komik und Ästetik zu schaffen, das wie eine kunstvoll konstruierte Spieluhr abläuft. Der Ton jedes Instruments, jedes Tempo im Orchester, jede Stimme, Geste oder Mimik, jeder Schritt auf der Bühne sind bis ins letzte ausgeklügelt und aufeinander abgestimmt. Tanz, Possenspiel, aber auch Pantomine und Marionettenbewegungen hinterlassen dabei ihre Spuren. Bemerkenswert in dem Zusammenhang ist das Festessen im Finale des ersten Akts, sowie das Sextett Questo è un nodo avviluppato – Das ist ein verzwickter Knoten (2. Akt).

Sänger und Orchester

Bruno Campanella dirigiert das Orchester de l’Opéra National de Paris mit tänzerischem Schwung, aber prezise und subtil, damit keine einzige musikalische oder szenische Pointe verloren geht.

Karine Deshayes beschert uns, in der hohen wie in der wunderbar tiefen Stimmlage, eine berückende Angelina, von der bewegenden, volksliedhaften Arie am Beginn der Oper Una volta c’era un Re bis zur mitreissenden Schlußszene De la fortuna istabile. Der zweite Star des Abends ist unbestritten Carlos Chausson. Sein kräftiger orgelnder buffo Baß und sein schauspielerisches Talent ergeben einen unwiderstehlich komischen Don Magnifico, wie in der Bravourarie Giocato ho ambo e vincerò l’eletto (2.Akt), oder im Duett Scusi la mia premura (2.Akt) mit Riccardo Novaros schönem Bariton. Javier Camarenas heller Tenor, wenn auch manchmal in der Höhe etwas angestrengt und nicht immer ganz sicher in den Melismen, ist dennoch ein glaubwürdiger Don Ramiro. Die beiden mißgünstigen Schwestern als Biedermeierkarikaturen, sind grotesk-komisch blendend interpretiert von Jannette Fischer und Anna Wall. Alex Esposito mit vollem tiefem Baß ist der Deus-ex-machina und drahtziehende Philosoph der Komödie. Erwähnenswert ist noch der ausgezeichnete Männerchor.

Doch trotz der stimmlichen und schaupielerischen Talente der einzelnen Beteiligten, ist es letztlich das vollendete Zusammenspiel von Solisten, Chor und Orchester, durch die die Ensembleszenen begeistern.

Fazit

Jean Pierre Ponnelles (1932-88) Regie-Bühnenbild-Kostüme für Rossinis Cenerentola gehören zu jenen legendären gewordenen Opern-Inszenierungen der letzten 50 Jahre. Hier wurde die Version, die er 1980 für die Bayrische Staatsoper München schuf, von seinem langjährigen Mitarbeiter Grischa Asagaroff für Paris übernommen. Sie bleibt eins jener beglückenden, musikalischen Schauspiele, von dem man freudig lächelnd nach Hause geht.

Alexander Jordis-Lohausen

Bild: Agathe Poupeney

Das Bild zeigt: Anna Wall (Tisbe), Karine Deshayes (Angelina), Jeannette Fischer (Clorinda) et Carlos Chausson (Don Magnifico)

Veröffentlicht unter Opern, Paris, Palais Garnier