von Giacomo Puccini (1858-1924), Szenen in vier Bildern, Libretto: Giuseppe Giacosa und Luigi Illica, UA: 1. Februar 1896 Turin, Teatro Regio
Regie: Roman Hovenbitzer, Bühne/Kostüme:: Tilo Steffens
Dirigent: Antony Hermus, Anhaltische Philharmonie, Opernchor und Kinderchor Dessau, Choreinstudierung: Helmut Sonne und Dorislava Kuntscheva
Solisten: Angelina Ruzzafante (Mimì), Cornelia Marschall (Musetta), Artjom Korotkov (Rodolfo), Ulf Paulsen (Marcello), Andrew Ashwin (Schaunard), Kyung-Il Ko (Colline), Cezary Rotkiewicz (Der Tod/Benoit/Alcindoro/Zöllner/Sergeant) u.a.
Besuchte Aufführung: 25. November 2011 (Premiere 12.11.2011)
Rodolfo, Marcello, Schaunard und Colline sind bettelarme Künstler und unzertrennliche Freunde. Sie leben unbeschwert von der Hand in den Mund in einer Mansarde über den Dächern des Pariser Künstlerviertels Quartier Latin. Rodolfo begegnet Mimì und verliebt sich in sie. Marcello erobert seine ehemalige Geliebte Musette zurück. Den Weihnachtsabend verbringt man im Café Momus. Nach der Trennung von Rodolfo verschlimmert sich Mimìs Krankheit. Sie kehrt zu ihm zurück und stirbt im Kreis ihrer Freunde.
Aufführung
Man erblickt einen Parkettboden, der sich spinnennetzartig um die Bühnenmitte herum entwickelt. Eine Zeltplane als Raumteiler und Stellwände im hinteren Halbrund begrenzen in den ersten Bildern die Spielfläche. Ein Tisch, ein paar Stühle und ein Piano bilden das Inventar. Im zweiten Bild tauchen zwei Bistro-Tischchen mit Stühlen auf, im dritten Bild steht links die Leinwand und rechts eine Rampe zu einem Saal. Das vierte Bild ist mit dem ersten identisch, nur fehlen die Stellwände, damit eine schwarze, rauchende Trauergemeinde den Blick auf die sterbende Mimì hat. Der Tod mit bleichem Gesicht und schwarzem Zylinder ist allgegenwärtig, die Rollen des Benoit, des Alcindoro, des Zöllners und des Sergeant sind in dieser Rolle zusammengefaßt. Außerdem spielt eine Tänzerin namens Poesie mit, sie ist genauso gekleidet wie Mimì. Diese trägt von Anfang bis Ende ein gelbes Kleid, Musetta wechselt vom weißen Kleid, zum offenherzigen kleinen Schwarzen mit pinkfarbenen Schuhen, um im letzten Bild zum schwarzen Todesengel mit Schwingen zu werden. Die Weihnachtsgesellschaft trägt weiße Festtagskleidung mit bunten Luftballons, die Geschenkkartons sind leer.
Sänger und Orchester
Antony Hermus drückt von Anfang an auf das Tempo, wohl um die süßlichen Momente platt zu walzen. So wirkt die Musik eher unsentimental und ist geradliniger. Dennoch gelingt es ihm, die charismatischen Farben, sprich die italienischen Manierismen, in den Klangteppich einzuweben. Auch das Orchester ist bestens auf diese Raumklangwirkung eingestellt. Unbestrittene Hauptdarstellerin ist Angelina Ruzzafante als Mimì. Ihr schwerer Koloratursopran hat keine Probleme mit dieser Partie, beispielhaft ihr immer leiser werdendes Piano im Dahinsterben. Artjom Korotkov als ihr Liebhaber Rodolfo kann in Sachen Durchschlagskraft nicht mithalten, wirkt gerade im ersten Bild immer leiser als Mimì, sein Klangbild hört sich fragil und zerbrechlich an. Ulf Paulsen kann wieder mit dem hervorragenden Zusammenspiel zwischen Gesang und Ausstrahlung für sich einnehmen. Hinsichtlich Ausdruckskraft, stimmlicher Gestaltung und Reichweite in den oberen und tiefen Registern gelingt dem Hausbariton eine wahre Charakterstudie des Marcello. Kyung-Il Ko kann mit seinem Baß besonders in den tiefen Stellen der Mantel-Arie des Colline glänzen, während Andrew Ashwin als Schaunard unauffällig blaß bleibt. Cornelia Marschall gestaltet die Rolle der Musetta eindrucksvol. Lebenslust und Begierden werden glaubhaft stimmlich dargestellt und damit die Rolle der Musetta als charakterliche Gegenspielerin der Mimì aufgewertet. Eine großartige Leistung vollbringen wieder einmal der Chor und ganz besonders der Kinderchor. Dank gutem Zusammenspiel mit dem Orchester und Solisten, sowie der daraus entstehenden Klangwirkung (letzteres besonders beim Kinderchor!) entsteht wieder einmal ein großartiges, emotional aufwühlendes Musikerlebnis.
Fazit
Vorhang zu und viele Fragen bleiben offen. Die sehr verrätselte Inszenierung sorgte für vielerlei Fragen des Publikums während der Premierenfeier. Soll es ein surrealer Traum der Mimì sein? Ist die Verdoppelung der Mimì durch eine Tänzerin namens Poesie der Wunschtraum des Poeten Rodolfo, der in Mimì ein Idealbild sieht? Über die musikalische Seite dieser Produktion ließ das Publikum indes keinen Zweifel: Solisten, Chor (besonders der Kinderchor!), Orchester und Dirigent wurden für eine Spitzenleistung umjubelt gefeiert.
Oliver Hohlbach
Bild: Claudia Heysel
Das Bild zeigt: Während Mimi stirbt fährt ihr Double Poesie in den Himmel, die Trauergesellschaft sieht zu.