von Engelbert Humperdinck (1854-1921), Märchenspiel in drei Bildern, Libretto: Adelheid Wette nach dem Märchen der Gebrüder Grimm, UA: 23. Dezember 1893 Weimar, Hoftheater
Regie: Martin Schüler, Bühne: Hans-Holger Schmidt, Kostüm: Nicole Lorenz, Choreinstudierung: Christian Möbius
Dirigent: Marc Niemann, Philharmonisches Orchester und Chor des Staatstheaters Cottbus, Kinder- und Jugendchor
Solisten: Marlene Lichtenberg (Hänsel), Cornelia Zink (Gretel), Hardy Brachmann (Hexe), Andreas Jäpel (Vater), Carola Fischer (Mutter), Gesine Forberger (Sandmännchen), Debra Stanley (Taumännchen) u. a.
Besuchte Aufführung: 3. Dezember 2011 (Premiere)
Das Stück hält sich im Wesentlichen an das Grimm’sche Märchen. Änderungen zur Märchenfassung ergeben sich dadurch, daß die böse Stiefmutter durch eine fürsorgliche Mutter ersetzt worden ist, daß im Wald 14 Schutzengel über die Kinder wachen sowie durch eine zu Lebkuchen verwandelte Hexe im letzten Bild.
Aufführung
Bereits während der Ouvertüre wird neu angeschaffte Projektionstechnik verwendet, bei der in Google-Earth-Manier vom Weltraum bis zu einem Spielzeugladen-Bühnenbild hereingezoomt wird. Projektionen verdichten sich ebenso u. a. auch bei den Waldszenen, wie etwa beim Sandmännchenauftritt sowie beim Hexenflug die Bühnenbildatmosphäre. Die Bühnenaufbauten und die Kostüme der Darsteller sind konsequent in historisierender Manier angelegt, wie die enge Besenbinderstube in einem Backsteinhaus-Armenviertel oder auch das Haus der Knusperhexe, das als Schrotholzhaus mit einigen Lebkuchenverzierungen wirklich so in einem tiefen Wald stehen könnte. Zu den Projektionen gesellen sich jede Menge Spezialeffekte, wie eine unter Funken zum Flug abhebende Hexe oder der eindrucksvoll explodierende Hexenofen
Sänger und Orchester
Ein großes Bravo gebührt den Sängern, die allesamt in mitreißender Spielmanier die Aufführung zum echten Highlight werden lassen. So läßt die erfrischend quirlig spielende Cornelia Zink (Gretel) ihren leuchtenden Sopran mit packender Bühnenpräsenz erstrahlen. Unwiderstehlich eindringlich in den Höhen gelingen ihr die Angstszenen im Wald, und welcher Hänsel wollte bei ihrem geschmeidig strahlenden Morgengruß im dritten Bild noch schlafen!? Marlene Lichtenberg macht als Hänsel die ideal besetzten Geschwisterpartien komplett. Eine tiefenscharfe Klangnuancierung in den Höhen sowie ein unwiderstehlich eindrucksvoller Ausdruck in der Mittellage lassen ihren Mezzosopran dunkel leuchten. Das Abendgebet beider Abends will ich schlafen gehen wird somit zur regelrechten Offenbarung. Ein strotzendes Kraftpaket herrlicher Mimik gibt Andreas Jäpel als Vater. Sein erdig timbrierter, klarer Bariton glänzt im Auftrittslied Rallalala, rallalala, heisa Mutter, ich bin da! vor schmeichelnder Wärme und lupenreinem Duktus und seine Hexenerzählung im ersten Bild ist an diabolischer Strahlkraft kaum zu überbieten. Der volle Mezzosopran von Carola Fischer (Mutter) überzeugt dazu im ersten Bild vor allem in den gekonnten Stimmungswechseln einer nuancenreichen Farbsättigung in der Mittellage, so daß ihr sowohl in der Zurücknahme eine ermattete Elegie als auch in voller Präsenz die unbändige Freude der dargestellten Figur gelingt. Mit herrlich karikierendem Gesang, jedoch mit voller Leuchtkraft in den oberen Bereichen, fügt sich Tenor Hardy Brachmann als Hexe in das Zusammenspiel ein. In unterschiedlichen Kostümen gelingt ihm darstellerisch und gesanglich, nicht allein beim Hexenritt, der Balanceakt zwischen dämonischer Düsternis und humoresker Tolpatschigkeit. Abgerundet werden die glänzenden sängerischen Leistungen mit dem gleißend leuchtenden, luftig leichten Sopran von Debra Stanley (Taumännchen) sowie mit der jugendlich strahlenden Sopranstimme von Gesine Forberger (Sandmännchen).
Marc Niemann läßt das Philharmonische Orchester des Staatstheaters Cottbus dazu einen wunderbar breiten Klangteppich weben, der mit dynamischen Tempowechseln, einem satten Vibrato und leuchtenden Tutti mitreißt. Der Kinderchor überzeugt dazu mit sauber abgestimmten Einsätzen.
Fazit
Martin Schüler bietet mit seiner Inszenierung, die teilweise opulent detailverliebte Bühnenbilder mit gut durchdachten 3D-Projektionen verbindet, eine kongenial märchenhafte Umsetzung des Stoffes und setzt bleibende Augenkino-Akzente. Die überdurchschnittlichen gesanglichen Leistungen der Sänger mit ihrer ansteckenden Spielfreude sowie auch des Orchesters lassen dazu ein musikalisches Gesamtkunstwerk erster Güte lebendig werden, das mit überzeugendem Tiefgang und Humor in die Grimm-Humperdinck‘sche Traumwelt eintauchen läßt. Cottbus bietet in jeglicher Hinsicht einen werkgetreu verzaubernden Volltreffer für die ganze Familie zur Weihnachtszeit und so wurde auch die gebotene Glanzleistung aller Beteiligten mit wohlverdient langanhaltendem, frenetischem Jubel der Zuschauer gefeiert.
Dr. Andreas Gerth
Bild: Marlies Kross
Dasa Bild zeigt: Marlene Lichtenberg (Hänsel), Cornelia Zink (Gretel), Hardy Brachmann (Hexe)