von Richard Strauss (1864 – 1949), Oper in einem Aufzug nebst einem Vorspiel, Dichtung von Hugo von Hofmannsthal; UA: 1. Fassung 1912; Stuttgart, 2. Fassung, 1916 Wien
Regie: Karoline Gruber, Bühnenbild: Roy Spahn, Kostüme: Michaela Barth, Licht: Michael Röger, Choreographie: Winfried Schneider
Dirigent: Lawrence Foster, Gewandhausorchester
Solisten: Friedhelm Erbele(Haushofmeister), Thuomas Pursio (Musiklehrer), Gabriela Scherer (Komponist), Wolfgang Schwaniger(Tenor bzw. Bacchus), Stephan Breithaupt (Offizier), Dan Karlström (Tanzmeister), Andreas David (Perückenmacher), Miklós Sebestyén(Lakai), Olesya Golovneva (Zerbinetta), Dara Hobbs (Primadonna bzw. Ariadne), Paul Armin Edelmann (Harlekin), Timothy Fallon (Scaramuccio), Carsten Sabrowski (Truffaldin), Adrian Strooper (Brighella), Viktorija Kaminskaite (Najade), Geneviève King (Dryade), Jennifer Porto (Echo)
Besuchte Vorstellung: 20. Juni 2008 (Premiere)
Kurzinhalt
Der reichste Mann Wiens gibt ein Fest. Dazu hat er von einem jungen Komponisten eigens eine Oper komponieren lassen: Ariadne auf Naxos. Allerdings muß der Komponist feststellen, daß nach seinem Werk auch eine Komödiantentruppe, die nach dem Vorbild der eher derben Commedia dell’arte auf der Bühne zu improvisieren pflegt, auftreten soll. Dann kommt kurz vor Beginn der Feier die Anordnung des Gastgebers, wegen Zeitmangels beides gleichzeitig aufzuführen: die ernste Oper und die Späße der Komödianten. Dies geschieht, trotz des Protestes des Komponisten und seiner Sänger.
Ariadne, von Theseus auf Naxos verlassen, erwartet den Tod. Zerbinetta und ihre vier Liebhaber versuchen sie aufzuheitern, indem sie Ariadnes Leid als einen seelischen Zustand deuten, den jede verlassene Frau kenne und der sich durch eine neue Liebe ohne weiteres beheben lasse. In diesem Moment ereignet sich ein Wunder: Bacchus landet auf der Insel, wird von Ariadne versehentlich für Hermes gehalten, der die Toten in den Hades geleitet, und nimmt sie mit sich.
Aufführung
Musikalisch überzeugten die Leistungen aller, sowohl die der Sänger – allen voran die der Titelpartien, von denen Olesya Golovnevas Zerbinetta herausragte – als auch die der Musiker im Orchestergraben. Die kammermusikalischen Qualitäten dieser Strauss’schen Partitur kamen voll zur Geltung, und dementsprechend wurden Orchester und Sänger mit lautem Beifall bedacht, ebenso wie das Regieteam um Karoline Gruber. Diese Neuinszenierung wird vom Publikum also dankbar angenommen. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Die Regisseurin hat, und dies ohne Zweifel in den bildlichen Zitaten und Mitteln sehr intelligent und anspielungsreich, die Hofmannsthal’sche Vorlage ernst genommen und lediglich behutsam aktualisiert.
Die Handlung spielt in einem Hotel, und zwar im Falle des Vorspiels in demjenigen Teil, den nur das Personal zu sehen bekommt: In dem Bereich zwischen Küche und Parkdeck, der prinzipiell unansehnlich und lieblos ist, und an dem den Künstlern rückhaltlos deutlich gemacht wird, daß ihre Leistungen für den Geldgeber auf demselben Niveau wie die der Putzkolonnen und Köche rangieren. Die eigentliche Oper findet im Hotelrestaurant statt, als Unterhaltung für die – im übrigen ausschließlich männlichen – Gäste.
Nun ist die Inszenierung als ganze sicherlich sehr durchdacht und kommt ohne unschöne Überraschungen und Regieeinfälle aus, und dennoch befriedigt sie nicht ganz.
Hierfür dürften vor allem drei Gründe ausschlaggebend sein: Zum einen mißtraut die Regisseurin wie viele ihrer Kollegen dem szenischen Stillstand, also den Momenten, in denen primär nichts anderes als gesungen wird. An solchen Stellen werden viele stumme Gesten eingefügt, die nicht immer wirklich motiviert erscheinen. Im zweiten Teil der Oper wird das Hotelpublikum zum szenischen Kommentator: So bewegen sich die Gäste während Ariadnes Klagen traumverloren in Zeitlupe auf sie zu und entledigen sich ihrer Kleidung, und während des Duetts mit Bacchus verwandelt sich die Bühne in eine wahrhaft phantastische Szene, die voll von fremdartigen, surrealen Wesen, riesigen Gewächsen und pantomimischen Aktionen ist.
Auch im Vorspiel, das ungleich bewegter ist und in dem nicht selten Dutzende von stummen Handlungen nebeneinander zu sehen sind, wird so verfahren. Vielleicht wäre hier weniger mehr gewesen. Zum anderen muten diese zahlreichen Regieeinfälle zum Teil recht naiv an. Wenn etwa der Zauber der Musik am Ende der Oper um sich greift, ist es übertrieben, ja sogar störend, wenn versucht wird, auch optisch etwas Analoges zu bieten. Diese schlichte Doppelung der Medien überzeugt nicht. Zum dritten ist das Timing der Aktionen oft nicht gut. Zwar werden alle heiteren Momente, so wie sie in dem Stück angelegt sind, brav herausgearbeitet, doch darüber hinaus fehlt es etlichen Aktionen, die man zu sehen bekommt, an Eleganz der Ausführung, an Leichtigkeit. Hier wäre aus dem Stück und dem Regiekonzept mehr herauszuholen gewesen.
Fazit
Eine musikalisch untadelige, darstellerisch und bühnenbildnerisch reflektierte, wenn auch etwas kalt lassende Inszenierung. Empfehlenswert, aber sicher kein Meilenstein der Inszenierungsgeschichte von Strauss’ Ariadne.
Dr. Martin Knust
Bild: Andreas Birkigt
Das Bild zeigt: Paul Armin Edelmann (Harlekin), Adrian Strooper (Brighella), Timothy Fallon (Scaramuccio), Carsten Sabrowski (Truffaldin) von links, Olesya Golovneva (Zerbinetta), vorne