von Peter Tschaikowsky (1840-1893); Lyrische Szenen in drei Aufzügen (7 Bildern); Text von Konstantin S. Schilowsky und Peter Tschaikowsky nach dem Versroman von Alexander Puschkin; UA: 29. März 1879 in Moskau
Regie: Helen Malkowsky, Bühnenbild: Harald Thor und Kostüme: Tanja Hofmann
Dirigent: Guido Johannes Rumstadt, Nürnbger Philharmoniker und Chor des Staatstheaters Nürnberg
Solisten: Lien Haegeman (Larina, Gutsbesitzerin), Anne Lünenbürger (Tatjana, Tochter von Larina), Tara Venditti (Olga, Tochter von Larina), Teresa Erbe (Filipjewna, Amme), Jochen Kupfer (Eugen Onegin), Carsten Süß (Lenski), Stephan Klemm (Fürst Gremin), Hans-Jörg Weinschenk (Triquet, ein Franzose)
Besuchte Vorstellung: 28. Juni 2008 (Premiere)
Kurzinhalt
Die jugendlich-naive Tatjana verliebt sich in den großstädtischen Intellektuellen Onegin und gesteht ihm ihre Zuneigung in einem Brief, doch er weist sie kühl ab. Der eifersüchtige Dichter Lenski glaubt sich, als Onegin ihm auf einem Fest dessen Freundin Olga ausspannt, von seinem besten Freund Onegin provoziert und fordert ihn zum Duell, bei dem Lenski stirbt.
Onegin trifft nach Jahren des ruhelosen Umherreisens erneut auf Tatjana. Sie ist mittlerweile mit dem alten Fürsten Gremin verheiratet und zu einer Dame der Gesellschaft geworden. Onegins plötzlich für sie entflammende Gefühle kann sie nicht erwidern.
Aufführung
Das Stück könnte in dieser auf die singenden Menschendarsteller ausgerichteten Aufführung auch „Tatjana“ heißen. Schon die lyrischen Stellen lohnen den Besuch dieser Aufführung, die die unglückliche Geschichte der beiden Paare und der zwei alten Frauen pointiert, doch ohne Übertreibungen bringt.
Die Regie hat die Unterströmungen der Musik und des Textes genau studiert und erlag doch nicht der Versuchung gewaltsamer Überinterpretationen und simpler Schuldzuweisungen. Helen Malkowsky bettet die Geschichte in einen symbolistischen Rahmen, der von poetischer Zartheit zu statuarischen Chorbildern (etwa mit einem schwarzgekleideten Trauerchor) reicht. Dabei verweist die schöne Ausstattung eher auf das 19. Jahrhundert. Zwischendurch erlebt man albtraumhafte Sequenzen zur Polonaise, die das vervielfachte „blutige Gespenst“ Lenskis, den kleinen Onegin und eine Onegin-Puppe sinnreich ins psychologisch abgründige wie unlösbare Spiel bringen. Am Ende gibt es für Tatjana und Onegin keine „Erlösung“, sondern nur noch eine gewaltsame „Lösung“: der Mann erwürgt die Frau, die es geschehen läßt, weil sie zwischen Pflicht und Liebe bereits zerrissen wurde. Starker Beifall!!
Sänger
Nürnberg besitzt ausgezeichnete Sänger: Anne Lünenbürger (Tatjana), auch wenn ihre Stimme nicht ganz ausreicht, um den letzten Rang optimal zu erreichen, was sie durch ihre sensible Darstellungskunst wett macht. Onegin hat in Jochen Kupfer einen idealtypischen, gut aussehenden wie prägnant singenden Vertreter gefunden. Carsten Süß ist ein lyrischer Lenski, dem im Streit der dramatische Ton doch nicht fehlt. Tara Vendetti ist eine Olga, die als Tatjanas „kleine Schwester“ die Tragödie eines verpfuschten Lebens begreifbar macht. Für die gar nicht tattergreisige Kindfrau erhält Teresa Erbe einen Sonderapplaus, und Stephan Klemm singt einen erstrangigen Gremin. Auch der wunderbare Chor und die Nürnberger Philharmoniker agieren unter Guido Johannes Rumstadt äußerst subtil.
Fazit
Wir erlebten Tschaikowskys „Eugen Onegin“ in einer psychologisch dichten, bewegenden und werkgerechten Inszenierung. Starker, langer Beifall für alle.
Dr. Frank Piontek
Bild: Marion Bührle
Das Bild zeigt: Das Paar Anne Lünenbürger (Tatjana) und Jochen Kupfer (Eugen Onegin),
Tara Venditti (Olga) und Carsten Süß (Lenski), von rechts