von W.A. Mozart (1756-1791), Singspiel in zwei Akten, Musik, Libretto: Emmanuel Schikaneder, UA: 30. September 1791 Wien, Theater an der Wieden
Regie/Bühne/Video: William Kentridge, Kostüme: Greta Goiris, Licht: Jennifer Tipton, Video: Scott Bolman,.
Dirigent: Jean-Christophe Spinosi, Ensemble Matheus, Chor des Théâtre des Champs-Elysées und der Mâitrise de Radio France, Choreinstudierung: Gildas Pungier und Sofi Jeannin
Solisten: Topi Lehtipuu (Tamino), Sandrine Piau (Pamina), Markus Werba (Papageno), Emmanuelle de Negri (Papagena), Jeannette Vecchione (Königin der Nacht), Claire Debono (Erste Dame), Juliette Mars (Zweite Dame), Elodie Méchain (Dritte Dame), Ain Anger (Sarastro), Steven Cole (Monostatos), Renaud Delaigue, Alexander Swan (Priester), Robert Gleadow (Sprecher), Basile Buffin, Gabriel Colin, Ambroise Divaret (Drei Knaben)
Besuchte Aufführung: 16. Dezember 2011 (Premiere)
Tamino wird von der Königin der Nacht ausgeschickt, in Begleitung des Vogelfängers Papageno ihre Tochter Pamina aus den Händen des Sarastros zu befreien. Doch im Tempelbezirk Sarastros erkennt Tamino, daß hier nur Tugend gelehrt wird und läßt sich bekehren. Um so mehr als Tamino und Pamina in Liebe zueinander entbrannt sind und Tamino hofft, auf diese Weise Pamina zu gewinnen. Die Königin der Nacht ist wütend und will Pamina dazu verleiten Sarastro zu töten. Der Sklave Monostatos, der sie belauscht hat, will sie erpressen. Doch sie vertraut sich Sarastro an. Tamino und der weniger begeisterte Papageno unterwerfen sich den Prüfungen im Tempel, um Erleuchtung zu erfahren. Nach bestandenen Prüfungen wird Tamino Pamina zugeführt. Papageno hat zwar keine Erleuchtung erfahren, doch die Götter gestehen ihm dennoch die versprochene Papagena zu.
Aufführung
Diese musikalisch sehr gute Zauberflöte fällt jedoch besonders durch ihren Rahmen auf. Dem südafrikanischem Regisseur und Szenograph William Kentridge und seinem Team ist eine moderne Inszenierung gelungen, die Phantasie, Schönheit und Witz vereint. Gegen den Hintergrund von schwarz-weißen Kulissen von Felsen, Tempeln oder tropischer Landschaft in der Art der Stiche des 19. Jahrhunderts, projiziert oder spielt er Videos in stetiger Bewegung, in denen weiß auf schwarz eine Zauberwelt lebendig wird. Leuchtende Zeichen, Kreise, Spiralen, astrologische Berechnungen, Planeten, die ihre Bahn ziehen. Oder ein sternübersätes Himmensgewölbe um die Königin der Nacht. Dann wieder kurze Schattenpantomimen, welche die Handlung unterstreichen. Oder architektonische Skizzen, oder große Tempelhallen, in die man virtuell eindringt. Auch witzige Einfälle wie das Nashorn, das zum Klang der Zauberflöte tanzt und purzelt. Und überall flatternde Vögel.
Eingehüllt in diese bewegliche Kühle, strikt schwarz-weiße Lichtwelt bewegt sich auf der Bühne eine Gesellschaft aus der Kolonialzeit um 1900, Damen in farbigen Kostümen à la belle époque, manchmal mit weiten, bunten Hüten, Herren im Anzug oder Gehrock oder, wie Tamino, in Tropenanzug mit Stiefeln und Tropenhelm.
Ein musikalisches Licht- und Dunkeltheater, dem man sich nicht entziehen kann, und in das man unwillkürlich hineingesogen wird.
Sänger und Orchester
Sandrine Piau und Topi Lehtipuu sind stimmlich und szenisch ein schönes Paar. Sandrine Piau mit weicher lyrischer Stimmführung besonders bewegend in der großen Verzweiflungsarie in 2. Akt Ach, ich fühl’s. Markus Werba mit klangvoll beweglicher Baritonstimme und schaupielerisch ganz in alter Wiener Tradition, ein höchst vergnüglicher Papageno. Jeannette Vecchione hat keine gewaltige Stimme, aber sie singt die Koleraturen der Königin der Nacht mit makelloser Karheit und Reinheit. Besonders erschreckend in ihrer Rachearie Der Hölle Rache kocht in meinem Herzen. Umso beruhigender wirkt danach der tiefe warme Baß Ain Angers in Sarastros In diesen heil’gen Hallen kennt man die Rache nicht. Claude Debono, Juliette Mars und Elodie Mechaine als fröhliche Drei Damen. Emmanuelle de Negri erfreulich als Papagena. Renaud Delaigue, Alexander Swan und Robert Gleadow als Priester und Sprecher, Steven Cole als hinterlistiger Monostatos, und schließlich drei Kinderstimmen als die Drei Knaben. Von den ersten drei Solisten abgesehen, taten sich einige, trotz großer Bemühungen, etwas schwer mit der deutschen Diktion. Aber es ist nicht einfach im Ausland, ein fließend deutschsprechendes Ensemble zusammenzustellen.
Jean-Christophe Spinosi dirigiert die Solisten, das Ensemble Matheus, den Chor des Théâtre des Champs Élysées und der Maîtrise de Radio France mit viel Energie. Man hätte gerne an manchen Stellen etwas mehr lyrisches legato und weniger betonte Akzentuierung, um nicht zu sagen staccato gehabt, wie in Bei Männer, welche Liebe fühlen.
Fazit
Zahlreich sind die Inszenierungen der Zauberflöte, an denen bekannte Künstler mitgewirkt haben. Es begann schon mit Friedrich Schinkel 1816 in Berlin, doch in den letzten 60 Jahren überbieten sich berühmte Künstler geradezu als Bühnenmaler für diese Oper: 1955 Kokoschka bei den Salzburger Festspielen, 1967 Marc Chagall in New York, 1978 David Hockney in Glyndebourne und 1996 Ernst Fuchs in Wien. Hier entstand, vielleicht zum ersten Mal, eine hervorragende künstlerische Darbietung mit hi-tech Mitteln, die wohl als solche auch in die Annalen eingehen wird.
Die musikalische, wie auch diese innovative szenographische Leistung wurden an diesem Premierenabend begeistert begrüßt.
Alexander Jordis-Lohausen
Bild: Alvaro Yañez
Das Bild zeigt: Markus Werba (Papageno), Claire Debono (Erste Dame), Topi Lehtipuu (Tamino), Elodie Méchain (Dritte Dame), Juliette Mars (Zweite Dame) v.l.n.r.