von Richard Wagner (1813-1883), Oper in zwei Akten, UA:1836, Magdeburg
Regie: Ansgar Haag, Bühne: Helge Ullmann
Dirigent: Philippe Bach, Meininger Hofkapelle, Chor und Extrachor, Big Band des Martin-Pollich-Gymnasiums Mellrichstadt
Solisten: Dae-Hee Shin (Friedrich), Xu Chang (Luzio), Rodrigo Porras Garulo (Claudio), Maximilian Argmann (Antonio), Bettine Kampp (Isabella), Camila Ribero-Souza (Mariana), Roland Hartmann (Brighella), Sonja Freitag (Dorella) u.a.
Besuchte Aufführung: 10. Dezember 2011 (Premiere)
Am Südthüringischen Staatstheater Meiningen fand zur Neueröffnung des Hauses nach mehrjähriger Renovierung eine Doppel-Premiere statt. Am Vortag fand die Schauspielpremiere Maß für Maß von William Shakespeare statt, auf die sich Wagners Werk bezieht, der Oper Das Liebesverbot, Frühwerk Richard Wagners. Wie der Meininger Intendant Ansgar Haag bei der Premiere betonte, will das Theater Meiningen kein „Museum“ sein, sondern modernes (Regie-)Theater bieten! Und so sieht man in beiden Produktionen eine moderne Drehbühne mit Hubpodien, die je nach Ausfahrhöhe die Bühne untergliedert. Das Werk Shakespeares ist modernisiert: Der Text gekürzt und mit neuem Text vom Regieteam um Veit Güssow ergänzt. Wenn sich die Bühne bewegt, wird die Übergangszeit mit Musik oder Videoclips nach Arte von Big Brother überbrückt. Nur in den Situationen, wo die Macht des Lord Angela (hier von männlich zu weiblich verändert, also von Angelo zu Kanzlerin Angela) kritisiert wird, da wird die Produktion plötzlich spannend und bekommt Tiefgang. Ein Videoclip zeigt eine Pressekonferenz, in der Journalist Rob Savelberg die Kanzlerin Merkel fragt, weshalb sie Schäuble vertraut, der doch 100.000 Mark in seiner Schublade vergessen hat. Insgesamt aber wurde die Möglichkeit vertan, Parallelen zwischen den Werken Shakespeares und Wagners aufzuzeigen. Dagegen sind zwei unabhängige Produktionen mit ähnlichem Bühnenbild entstanden.
Kurzinhalt
Der Statthalter Friedrich hat den Karneval, den Alkoholausschank und die freie Liebe bei Todesstrafe verboten. Das Volk schwankt zwischen Erheiterung und Revolution. Das erste Opfer ist Claudio, denn Julia erwartet von ihm ein Kind. Die Novizin Isabella kehrt aus dem Kloster zurück, um ihren Bruder zu retten. Als Lohn für die Begnadigung fordert Friedrich ihre Liebesgunst. Zum Stelldichein – während trotz des Verbots Maskierte Karneval feiern – kommt jedoch nicht Isabella sondern Dorella, die verstoßene Geliebte Friedrichs. Friedrich wird vom Volk beim Liebesspiel ertappt. Doch statt Friedrich gemäß seines Gesetzes zu bestrafen, erreicht das Volk die Annullierung des Karnevalsverbotes: Das Resultat ist eine Liebesrevolution mit drei glücklichen Paaren.
Aufführung
Die Parallelen des Bühnebildes zu dem Bühnenbild aus Shakespeares Maß für Maß sind rudimentär. Rund um die Drehbühne, die durch mehrere Hubpodien ver- und entschachtelt werden kann, befindet sich noch der Halbteil eines fahrbaren klassizistischen Rundbogenbaues, der an das Kongreßzentrum im Nürnberger Reichsparteitagsgelände erinnert. Die Kleidung der Darsteller entstammt den zwanziger Jahren, sogar die Ledermäntel der Geheimpolizei wirken authentisch. Der Einzug des Königs wird von einem SA-Spielmannszug untermalt.
Sänger und Orchester
Dem Ensemble kann man über weite Strecken anmerken, daß es das große Haus erst wieder in Besitz nehmen muß und sich an die Verhältnisse gewöhnen muß. So wirkt das Orchester manchmal zu leise oder der Chor zu laut, obwohl man in der Originalbesetzung mit 55 Musikern spielt. Philippe Bach geht dieses Frühwerk Wagners komödiantisch verspielt an, er sucht aber auch die romantische Wucht des späteren Wagners. Leider gelingt dies nicht immer, denn Wagner imitiert Rossini und Bellini, Auber und Hérold, Beethoven, Mozart und Weber. Immerhin wird deutlich welch ein Talent Wagner seinerzeit war, wie z.B. im großen Chorfinale des ersten Aktes Maria, wie, o Götterlicht, den Philippe Bach als einen Höhepunkt des Werkes herausstellt. Die Hinweise auf Tannhäuser und Lohengrin gelingen ihm besonders einprägsam. Die Sänger indes machen nicht alle glücklich. Glücklich macht besonders Dae-Hee Shin als Friedrich. Ein Bariton mit hellem Timbre, absolut wortverständlich akzentuierend. Rodrigo Porras Garulo ist ein südländischer Tenor mit großer Strahlkraft und besonders hohem Stehvermögen. Er verleiht dem Claudio die Hitze eines Liebhabers. Ebenso gefeiert Roland Hartmann, der dem Brighella mit tiefem Baß die notwendige dämonische Ausstrahlung verleiht. Auch die weiblichen Nebenrollen machen Freude: Sonja Freitag, die Dorella als Operetten-Soubrette nachahmt und Camila Ribero-Souza, die mit lyrischem Feuer und strahlend heller Höhe die Mariana als eine stimmliche Schwester der Isabella anlegt. Leider eine ungleiche Schwester, denn Bettine Kampp verfügt zwar über die glänzende Mittellage eines dramatischen Soprans, jedoch nimmt in der Höhe das Vibrato stark zu und die Töne werden zu schrill. Ebenso unerfreulich Xu Chang als Luzio, der als Tenor keine Höhe hat und zu kehlig und eng klingt.
Fazit
Ein feierlicher Moment: Nach mehrjähriger Pause spielt das Meininger Theater wieder im großen Haus Theater und Oper. Da ist es etwas optimistisch zu hoffen, daß man von Anfang an die neuen Möglichkeiten optimal nutzen und an alte Erfolge nahtlos anknüpfen könnte. Modifizierte akustische Verhältnisse durch neue Wandstoffe und durch den größeren Orchestergraben sind ein übriges. Das Publikum indes freute sich darüber, daß es jetzt wieder losgeht im großen Haus und feierte das Haus, die Darsteller und sich selbst ausgiebig. Die Anreise zu Wagners selten gespieltem Stück lohnt sich auf jeden Fall – und über jeden Gast freut man sich in Meiningen, denn ohne Gäste wird das Haus nicht voll. Kennenlernen werden sie diese burleske und anarchistische Komödie in dieser Inszenierung jedoch nicht.
Oliver Hohlbach
Bild: foto-ed
Das Bild zeigt: Dae-Hee Shin (Friedrich), Bettine Kampp (Isabella) und Chor