LA FANCIULLA DEL WEST (Das Mädchen aus dem goldenen Westen) – Stockholm, Königliche Oper

von Giacomo Puccini (1858–1924), Oper in drei Akten, Libretto: Guelfo Civinni und Carlo Zangarini nach dem Drama von David Belasco, UA: 1910 New York

Regie: Christof Loy, Bühne/Kostüm: Herbert Murauer, Licht: Bernd Pukrabek, Choreographie: Thomas Wilhelm

Dirigent: Pier Giorgio Morandi, Königliche Hofkapelle, Männerchor der Königlichen Oper, Einstudierung: Bo Wannefors

Solisten: Nina Stemme (Minnie), John Lundgren (Jack Rance), Aleksandrs Antonenko (Dick Johnson/Ramerrez), Niklas Björling Rygert (Nick), Michael Schmidberger (Ashby), u.a.

Besuchte Aufführung: 17. Dezember 2011 (Premiere)

Kurzinhalt

Kalifornien zur Zeit des großen Goldrausches. Minnie unterhält in dieser rauhen Umgebung einen Saloon. Trotz ihrer unzivilisierten Kundschaft gelingt es ihr, ihre Integrität zu bewahren. Sie erteilt den Goldsuchern Bibelstunden und ist noch nie von einem Mann geküßt worden, obwohl alle für sie schwärmen, darunter auch der Sheriff Jack Rance. Eines Tages taucht Dick Johnson auf. Er und Minnie verlieben sich ineinander. Ihre Liebe wird jedoch erschüttert, als seine wirkliche Identität ans Licht kommt: Tatsächlich handelt es sich bei ihm um den berüchtigten Banditen Ramerrez. Minnie gewährt ihm Unterschlupf bei sich zu Hause, als er bei einem Schußwechsel verwundet wird. Jack Rance ist ihr jedoch auf die Schliche gekommen. Minnie schlägt ihm vor, mit einer Partie Poker zu entscheiden, ob Ramerrez ihr gehören soll oder ob der Sheriff ihn an den Galgen bringt und sie besitzen soll. Sie gewinnt durch Betrug. Dennoch wird Ramerrez wenig später gefaßt und seine Hinrichtung vorbereitet. Minnie wirft sich mit dem Revolver zwischen die aufgebrachte Menge und Ramerrez. Ihr gelingt es, die Männer zu überreden, ihn freizugeben und gemeinsam verlassen beide Kalifornien, um ein neues Leben zu beginnen.

Aufführung

Die Szene ist sparsam ausgestattet. Nur die wichtigsten Requisiten sind vorhanden. Kostüme und Maskenbild sind ganz im Stil der Zeit des Goldrausches gehalten. Auch die Personenregie folgt der Vorlage bis ins Detail. Die einzige „Zugabe“ der Regie besteht in einer Filmsequenz, mit der die Oper anhebt. Unter den Klängen des Vorspiels sieht man Minnie auf einem Pferd durch die Wüste reiten bis sie schließlich unter dem Beifall des Publikums mit zwei gezückten Revolvern durch die Leinwand bricht. Außerdem werden einzelne Szenen per Schwarz-Weiß-Kamera vergrößert im Bühnenhintergrund wiedergegeben. Ihre Ästhetik erinnert an Charlie Chaplins Film Gold Rush. Die Choreographie ist individuell durchgearbeitet und läßt die Männerchöre klanglich optimal zur Entfaltung kommen.

Sänger und Orchester

Das Orchester unter Pier Giorgio Morandi spielt zu Beginn der Oper etwas zu stark, so daß der einleitende Männerchor wie auch die vielen Repliken der Nebenrollen kaum zu hören sind. Nach ein paar Minuten fanden aber sowohl Sänger als auch Instrumentalisten zur richtigen Balance. Der Männerchor präsentierte seine Partien routiniert mit homogenem, rundem Klang. Diese wenig gespielte Oper ist für die Solisten undankbar, denn es gibt – im Unterschied zu anderen Pucciniopern – keine bekannte Nummer, mit der sich das Publikum beeindrucken ließe, und die orchestrale Begleitung ist durchweg recht massiv. Ein weiteres Problem ist der nicht wirklich überzeugende Handlungsverlauf wie auch die Figuren, die man eigentlich – die Regie nimmt dies im Vorspann ironisierend auf – eher in einem klassischen Western als einer Oper vermuten würde. Über all diese Probleme haben die drei Hauptakteure hinwegzuhelfen. Und das gelang in fulminanter Weise. John Lundgren ist von seiner Ausstrahlung und Stimme her eine ideale Verkörperung des unerbittlichen Sheriffs Jack Rance, was er insbesondere im zweiten Akt zeigen konnte. Schier unglaublich sind das Volumen und die Durchschlagskraft der Stimme von Aleksandrs Antonenko (Dick Johnson/Ramerrez), der mit den typischen Mitteln eines italienischen Opertenors, beispielsweise dem schluchzenden Stimmansatz, aufwartete. Seine darstellerische Präsenz auf der Bühne läßt auf eine große Karriere in der Zukunft hoffen. Nina Stemme in der Titelrolle war ihm in jeder Hinsicht ebenbürtig. Eine kräftige, sicher geführte Stimme, die ohne Schärfe auch durch das stärkste Orchestertutti hindurchzudringen vermag, gepaart mit einer souveränen und flexiblen Darstellung.

Fazit

Jubel für Inszenierung und Orchester, tosender Beifall für den Chor und die Nebenrollen, stehende Ovationen für die Hauptpartien – die Reaktion des Publikums bringt den Gesamteindruck, den diese Produktion hinterläßt, auf den Punkt. Sie gehört zum besten, was man derzeit in Stockholm sehen kann. Die Regie hält sich im Hintergrund und gibt den Sängern genug Raum für ihre umwerfenden Leistungen. Jedem Opernliebhaber unbedingt und uneingeschränkt zu empfehlen!

Dr. Martin Knust

Bild: Alexander Kenney

Das Bild zeigt: Nina Stemme (Minnie)

Jubel für Inszenierung und Orchester, tosender Beifall für den Chor und die Nebenrollen, stehende Ovationen für die Hauptpartien – die Reaktion des Publikums bringt den Gesamteindruck, den diese Produktion hinterläßt, auf den Punkt. Sie gehört zum besten, was man derzeit in Stockholm sehen kann. Die Regie hält sich im Hintergrund und gibt den Sängern genug Raum für ihre umwerfenden Leistungen. Jedem Opernliebhaber unbedingt und uneingeschränkt zu empfehlen!

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