von Johann Christian Bach (1735-1782), Tragédie Lyrique in drei Akten, Libretto: Alphonse des Vismes du Valgay, nach Philippe Quinault Libretto zur Oper Amadis von Jean-Baptiste Lully (1684), U.A.: 14. Dezember 1779 Paris, Académie Royale de Musique
Regie: Marcel Bozonnet, Bühne: Antoine Fontaine, Kostüme: Renato Bianchi, Licht: Dominique Bruguière. Choreographie: Natalie van Parys
Dirigent: Jérémie Rhorer, Orchester: Le Cercle de l’Harmonie, Compagnie de Danse Les Cavatines, Les Chantres du Centre de musique baroque de Versailles
Solisten: Philippe Do (Amadis), Hélène Guilmette (Oriane), Allyson McHardy (Arcabonne), Franco Pomponi (Arcalaüs), Julie Fuchs (Urgande/1. Coryphée), Alix Le Saux (La Discorde/2. Coryphée), Solisten des Opernchors Laibach: Peter Martinčič (La Haine/Schatten von Ardan Canil), Ana Dežman, Martin Sušnik
Besuchte Aufführung: 2. Januar 2012 (Premiere)
Amadis de Gaule ist gewissermaßen eine Zwitteroper, denn als J. C. Bach den Auftrag von der Académie Royal de Musique bekam, eine französische Oper zu schreiben, lieferten sich gerade die Opern-Reformer unter Gluck, die einen dynamischen Ablauf der Opernhandlung vertraten und die Orthodoxen der statischen italienischen Opera seria unter Niccolò Piccini erbitterte Gefechte (Gluckisten gegenPiccinisten). Vielleicht erwartete man von Bach einen Schiedsspruch oder eine ganz neue Richtung. Doch der kam nicht zustande. Bach behält gewisse Züge der französischen Tragédie lyrique bei, wie die Balleteinlagen am Ende eines jeden Aktes, die großangelegten magischen Unterhaltungsszenen oder die Kerkerszenen mit Amadis, aber auch die durchkomponierten Rezitative. Er läßt aber auch italienische Elemente in die Oper einfließen, wie der Stil einiger Da-Capo-Arien oder die Virtuosität des Gesangs, wie im Arioso der Coryphée am Ende des 2. Akts. Mozart, der damals in Paris weilte und den jüngsten Bachsohn gut kannte, wird diese Entwicklung im Hinblick auf seinen Idomeneo (1781) für München mit Interesse verfolgt haben.
Kurzinhalt
Die Magierin Arcabonne hat sich gegen ihren Willen in einen unbekannten Held verliebt, der ihr das Leben gerettet hat. Doch Ihr Bruder Arcalaüs treibt sie an, weiterhin ihrer einzigen Leidenschaft, dem Haß, zu frönen. Sie wollen Amadis und seine Geliebte Oriane zu vernichten. Oriane wird entführt und Amadis’ Heldenmut ist hilflos gegenüber der Magie der bösen Geister. Arcabonne will nun Amidis töten, als sie in ihm ihren unbekannten Retter erkennt. Aus Dankbarkeit läßt sie ihn und ihre sämlichen Gefangenen frei. Oriane ist weiterhin gefangen und Arcalaüs zeigt ihr, um sie zu quälen, den Leichnam Amadis. Sie fällt ohnmächtig auf ihn nieder. Urgande, die gute Fee erscheint, Arcalaüs läuft wutentbrannt davon, während Arcabonne sich umbringt und in die Unterwelt hinabfährt. Urgande erweckt Amadis und Oriane und verheiratet sie. Amadis wird wieder der heldenhafte Streiter für Freiheit und Gerechtigkeit.
Aufführung
Eine erfreulich traditionelle Inszenierung, die Charme, Geschmack und Grazie vereint. Das Regieteam hat dabei aus zwei Hauptquellen geschöpft: aus der höfischen und ländlichen Kultur des ausgehenden 18. Jahrhunderts – die Schlußszene wirkt wie ein Fest in Versailles, die Gefangenenszenen wie die Illustration der Aristokraten in den Verließen der französischen Revolution, die reizvollen Tänze und Lieder der Schäferinnen mit ihren Dirndln und Strohüten; aus der griechischen Tragödie – die Dea-ex-machina, der Schleiertanz der schwarzen Klageweiber, auch der Chor der bösen Geister mit ihren furchterregenden Masken und insektenhaften Kostümen lehnt sich zweifellos an den antiken Chor an.
Die Bühnenbilder: Felsenlandschaften, alte Gemäuer, Säulen, scheinen alten kolorierten Stichen entnommen. Die Kostüme der Solisten, Adamis als gewappneter Held mit prunkvollem Umhang, Oriane trägt nur ein schlichtes, weißes Kleid, Arcalaüs‘ schmucklose Leder Kleidung mit Lederkrone. Bei Arcabonne, hingegen, hat sich die Phantasie entfesselt: ein mohnrot-schwarzes Federkleid, wie es die Amazonasindianer tragen mögen, Widderhörner auf dem Haupt, umgeben von roten Haarschlangen, wie ein Medusenkopf. Sehr verführerisch!
Sänger und Orchester
Hèlène Guilmettes etwas herber Sopran und Philippe Dos wohlklingender Belcanto-Tenor ergeben ein ernstes, leidgeprüftes Liebespaar. Doch der Star des Abends ist Allyson McHardy. Eine volle kräftige Mezzosopranstimme, die auch in der Höhe und in den darmatischen Szenen nichts vor seinem reichen Timbre verliert. Ihre lyrische Arcabonne in der ersten Szene der Oper Amour! Que veux-tu de moi? schlägt im anschließenden Duett mit Arcalaüs ins Dramatische um, in dem J.C. Bach schon etwas von der Szenendynamik der Da Ponte-Opern Mozarts vorwegnimmt. Der stimmgewaltige Franco Pomponis kommt am eindrucksvollsten zum Ausdruck im Rache-Duett mit Arcabonne und Geisterchor Tremblez! Tremblez (3. Akt). Auch hier klingt Mozart an. Julie Fuchs, Alix le Saux und die drei Choristen aus Laibach sind eine erfreuliche Ergänzung des Ensembles.
Jeremie Rhorer and der Cercle de l’Harmonie lassen die unglaublich reichhaltigen Klangfarben vom Johann Christian Bachs Musik, sowohl in den Streichern, wie in den Bläsernm klar hervortreten.
Fazit
Der Erfolg dieser letzten Oper J.C. Bachs blieb aus, keiner der beiden Parteien erkannte sich in diesem Werk und es verschwand sehr bald in der Versenkung, um erst 200 Jahre später wieder aufzutauchen. Glücklicherweise, denn es ist wieder ein Kleinod, das uns die Opéra Comique für ihre Saisoneröffnung 2012 beschert hat.
Alexander Jordis-Lohausen
Bild: Pierre Grosbois, l’Opéra Comique
Das Bild zeigt: dea-ex-machina (die gute Fee), Philippe Do (Amadis), Hélène Guilmette (Oriane): (Bildmitte) und Ensemble