KÁT‘A KABANOVÁ – Coburg, Landestheater

von Leoš Janáček, Oper in drei Akten nach A.N. Ostrowskijs Gewitter, Deutsch von Reinhold Schubert, UA: 23. November 1921 Brünn, Nationaltheater

Regie: Alessandro Talevi, Kostüme: Annemarie Woods

Dirigent: Roland Kluttig, Philharmonisches Orchester und Chor, Choreinstudierung: Stefan Meier

Solisten: Michael Lion (Dikoj), Roman Payer (Boris), Gabriele Künzler (Kabanicha), Karsten Münster (Tichon), Betsy Horne (Katja), Milen Bozhkov (Kudrjas), Verena Usemann (Varvara), Martin Trepl (Kuligin), Hayley Sugars (Glasa), Juliana Parra (Feklusa), u.a.

Besuchte Aufführung: 21. Januar 2012 (Premiere, in tschechischer Sprache mit deutschen Übertiteln)

Kurzinhalt

Kát‘a Kabanová ist einer unglücklichen Ehe mit Tichon gefangen, denn sie wird von ihrer eifersüchtigen Schwiegermutter gequält – ihr schwacher Ehemann vermag nicht für sie einzutreten. Als Kabanicha ihren Sohn demonstrativ auf Dienstreise schickt, arrangiert Kát‘as Freundin Barbara ein Treffen mit Boris, der selbst unter der Knute seines Pflegeonkels Dikoj steht. Nach der Rückkehr Tichons scheint Kát‘a völlig verändert. Während eines Gewitters, die Blitze als Zorn Gottes deutend, gesteht Kát‘a in aller Öffentlichkeit ihren Ehebruch. Boris wird daraufhin nach Sibirien verbannt. Von ihrem Geliebten  zurückgelassen und von der Familie ausgestoßen, sieht sie nur noch den Freitod in der Wolga. Tichon versucht sich nun schmerzerfüllt gegen seine Mutter aufzulehnen.

Aufführung

Der farbenfrohe Himmel erinnert an Edvard Munchs Schrei, das sich davor abzeichnende Haus an seine Bilder. Nach dem Sonnenaufgang über der Wolga öffnet sich die Vorderfront und gibt den Blick frei auf  das Innere des Hauses, dominiert vom übergroßen Reifrock der Kabanicha, die gewissermaßen auf diesem thront, alle anderen rutschen vor ihr auf den Knien. Für das Schäferstündchen der Paare im Abendnebel versinkt der Reifrock-Thron, die Wand öffnet sich einen Spalt als Lichtportal für die Liebenden. Während des Gewitters, unter der zunehmenden Verzweiflung Kát‘as, sieht man nur ein übergroßes Altarbild mit gefallenen Engeln. Der Chor zerfetzt dieses Bild während Kát‘a Selbstmord begeht. Die tiefschwarzen Kostüme passen zur russischen Kaiserzeit um 1900, können aber nicht genau zugeordnet werden.

Sänger und Orchester

Schon vom ersten Takt des Vorspiels, vom ersten Ton der Kabanicha (ein dissonanter tschechischer Zischlaut: Wenn Sie flüstert bricht schon Glas) werden die seelischen Abgründe Kát‘as deutlich. Roland Kluttig führt Orchester und Solisten durch ein musikalisches Drama, das sich ähnlich anspruchsvoll und mitreißend wie Wagners Tristan und Isolde gestaltet. Das gelingt, weil ihn ein ausgezeichnetes Ensemble zur Verfügung steht: Drei Tenöre, ein Sopran und ein Mezzo – alle vom Haus und nur ein Gast. Dieser Gast ist Gabriela Künzler als Kabanicha. Schon mit ihrem besagtem ersten Ton stellt sie mit Donnerhall ihre Dominanz in den Raum – immer im Forte und ohne ihre harte Alt-Stimme wirklich zu forcieren. Ihre Gegenspielerin ist Betsy Horn, die Katja ist die Paraderolle für diesen schweren Sopran: Ausdrucksstark in den dramatischen Momenten, lyrisch verhalten mit technischem Glanz – und fast immer mit einer hochanstrengenden Ekstase, die den Rahmen des Hochdramatischen sprengt. Unterstützt wird sie von Verena Usemann, die in der Rolle der Varvara der jugendlich-naive und glasklar-leichte Mezzo ist. Die drei Tenöre verkörpern zwar schwache Charaktere, stimmlich können sie jedoch mit den Damen mithalten. So ist Karsten Münster (Tichon) wieder ein dynamischer Spieltenor, der hinsichtlich Klangvolumen bis an seine Grenzen geht. Glänzend aufgelegt ist Roman Payer, der aus einer baritonal fundierten Mittellager heraus auch hohe Töne spielerisch trifft. Kein Wunder, daß ihm Kát‘a verfällt. Milen Bozhkov in der dritten Tenorrolle des Kudrjas kann eher mit den leisen Tönen überzeugen, wenn er die Schönheit der Wolga zartschmelzend besingt. Michael Lion, der in allen Belangen überzeugende Haus-Baß, findet auch in der Rolle des Dikoj mit tiefer sonorer und raumfüllend wohlklingender Stimme den passenden verachtenswerten Ausdruck.

Fazit

Diesen Abend kann man uneingeschränkt als Höhepunkt der expressionistischen Romantik feiern. Deutlich wird auch, wie Originalsprache und Musik eine Einheit bilden – so werden Emotionen nicht nur phonetisch, sondern auch musikalisch hörbar. Unterstützt vom wahrlich depressiv wirkenden Bühnenbild führt Roland Kluttig den Zuhörer über eine Klippe aus Liebe, Eifersucht und Verzweiflung, wobei jederzeit der Absturz in jedwede Richtung droht. Ein starkes Schlußbild: Tichon stürmt faustschwingend auf seine Mutter zu, hat aber wieder nicht die Kraft zur Konfrontation und lehnt weinend den Kopf an ihre Schulter. Dann: Düsteres Schweigen, bis sich begeisterter Applaus die Bahn bricht.

Oliver Hohlbach

Bild: Andrea Kremper

Das Bild zeigt: Verena Usemann (Varvara) und Betsy Horne (Katja) versuchen gegen Ihre Mutter sich durchzusetzen.

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