von Richard Wagner (1813–1883), Dritter Tag des Bühnenfestspiels Der Ring des Nibelungen in drei Aufzügen und einem Prolog, Text vom Komponisten, UA: 17. August 1876 Bayreuth, Festspielhaus
Regie: Vera Nemirova, Bühne: Jens Kilian
Dirigent: Sebastian Weigle, Opern- und Museumsorchester, Chor und Extrachor
Solisten: Lance Ryan (Siegfried), Johannes Martin Kränzle (Gunther), Gregory Frank (Hagen), Susan Bullock (Brünnhilde), Jochen Schmeckenbecher (Alberich), Anja Fidelia Ulrich (Gutrune), Claudia Mahnke (Waltraute) u.a.
Besuchte Aufführung: 29. Januar 2012 (Premiere)
Für Siegfried besitzt der von Alberich verfluchte Ring des Nibelungen ewige Macht. Auch Hagen, Halbbruder des Fürsten Gunther, möchte den Ring besitzen. Als es Siegfried an den Rhein zu Gunther verschlägt, verliert er unter dem Einfluß eines Zaubertranks jede Erinnerung an Brünnhilde, begehrt Gutrune und verspricht Gunther Brünnhilde zur Frau. Haßerfüllt wendet sich Brünnhilde gegen Siegfried und berichtet, daß sie quasi vermählt seien. Für seinen Betrug an Gunther tötet Hagen auf der Jagd Siegfried, doch Brünnhilde stürzt sich mit dem Ring in den für den Toten brennenden Scheiterhaufen. Die Flammen erfassen Walhall, die Götterdämmerung bricht an: Der Ring versinkt im Rhein und die Welt ist erlöst vom Fluch.
Aufführung
Für diesen Ring gibt es ein Einheitsbühnenbild, bestehend wie bei einem alten Herd aus ineinander geschachtelten Ringteilen, die sich gegeneinander verschieben lassen und so immer wieder neue Perspektiven und Auftrittsmöglichkeiten ergeben. Das gibt die gleichen Perspektiven wie bei Wieland Wagners Ring-Scheiben-Inszenierungen in Bayreuth oder auch schon bei der sogenannten Koch-Scheibe vor dem Krieg. Auf diesen verfahrbaren Ringplatten tauchen immer wieder Gegenstände aus den anderen Ring-Inszenierungen auf, treten die Rheintöchter in Ihrem Gummiboot auf – fordern mit Megaphon die Rettung des Rheines. Die Kostüme sind teilweise historisch, teilweise von heute wie Anzug, Krawatte, Abendkleid oder schußsichere Weste.
Sänger und Orchester
Der Herr des Ringes ist Sebastian Weigle. Zwar gelingt nicht unbedingt eine Maßstäbe setzende Referenzaufnahme, aber ein Abend, der alle zufrieden stellt. Das Frankfurter Museumsorchester ist hierbei für Wagneraufführungen bestens eingestimmt, wenn man von kleineren Problemen im Blech absieht. Ansonsten überträgt sich das mächtige Strömen des Rheines in eine romantische, teilweise im lauten Bereich sich bewegende Klangwand. Auch der Chor des Hauses stellt sich mit einer einheitlich geschlossenen Wucht dar. Zwei Entdeckungen gibt es zu feiern, einmal Johannes Martin Kränzle für seinen verständnisvollen und samtweichen Gunther und Claudia Mahnke als Waltraute. Mit ihrer zwischen weichen lyrischen und intonationssicheren dramatischen Ausbrüchen wechselnden Waltrauten-Erzählung läuft sie der abgesungenen und manchmal nur noch schreienden Susan Bullock als Brünnhilde den Rang ab. Und da stellt sich die Frage, wo sollen im Wagner-Jahr 2013 die vielen Stimmen herkommen, die die vielen Ringe stemmen sollen. Und es wird klar – ohne Abstriche wird das nicht gehen – selbst in Frankfurt nicht. Das setzt sich mit Lance Ryan fort, der in Bayreuth und Berlin als Hoffnungsträger gilt. In Frankfurt kann er das nicht unter Beweis stellen. Schönes Material ist ohne Zweifel vorhanden, die Stimme klingt jedoch immer wieder zu eng und gepreßt. Spätestens in der Sterbeszene wird deutlich, wie wenig sichere Höhe vorhanden ist. Gregory Frank ist ein wunderbarer, technisch überragender Liedsänger im Baß-Bariton-Bereich, aber für die Dämonie Hagens fehlen ihm die Schwärze und das Klangvolumen. Besser besetzt ist Anja Fidelia Ulrich als Gutrune, die mit ihrem fast glockenklaren, jugendlich-naiven Sopran genau das richtige Format besitzt. Jochen Schmeckenbecher ist der kluge Alberich, der Alberich nicht als Nachtalben, sondern als gleichwertig hellklingenden Gegenspieler der Götter sieht.
Fazit
Mit dieser Götterdämmerung schließt sich Vera Nemirovas Ring des Nibelungen. Wie die anderen Ringteile ist er geprägt von der Scheibe, die in mehrere einzelne Ring-Segmente zerfällt. Wieder sehen wir viele Assoziationen die teils interessant, teils spektakulär, aber auch nichtssagend oder banal sind und damit insgesamt zusammenhanglos wirken. Dieser Ring hat somit keine Aussage und auch eine wirklich durchdachte Handlung will sich nicht einstellen. Musikalisch erleben wir eine hochwertige Produktion auf der Höhe der Zeit, die aber auch die derzeitigen Probleme der Wagner-Aufführungen wiedergibt.
Oliver Hohlbach
Bild: Monika Rittershaus
Das Bild zeigt: Siegfried verzichtet auf das Schlauchboot der Rheintöchter