von Giuseppe Verdi (1813-1901), Melodramma in drei Akten, Libretto: Francesco Maria Piave, UA:1853 Venedig
Regie: Peter Konwitschny, Bühne/Kostüme: Johannes Leiacker
Dirigent: Markus Bosch, Staatsphilharmonie Nürnberg, Choreinstudierung: Tarmo Vaask
Solisten: Hrachuhi Bassenz (Violetta Valéry), Leila Pfister (Flora Bervoix), Eleonora Vacchi (Annina), Fulvio Oberto (Alfredo Germont), Jochen Kupfer (Giorgio Germont), Philip Carmichael (Gastone, Vicomte de Letorières), Yong Jae Moon (Baron Douphol), Vladislav Solodyagin (Doktor Grenvil) u. a.
Besuchte Aufführung: 28. Januar 2012 (Premiere)
Auf einem Fest lernen sich die Kurtisane Violetta Valéry und Alfredo Germont kennen. Beide verlieben sich und ziehen hinaus aufs Land. Da erscheint Alfredos Vater. Ohne Alfredos Wissen drängt er Violetta seinen Sohn zu verlassen, um seine Familie nicht in Verruf zu bringen. Violetta verläßt Alfredo mittels eines Abschiedsbriefes. Auf dem Fest von Violettas Freundin Flora begegnen sich Alfredo und Violetta, die zu Baron Douphol zurückgekehrt ist. Alfredo beleidigt Violetta und wirft ihr eine Geldbörse vor die Füße. Später eilt Alfredo zur der an Schwindsucht erkrankten Geliebten, da ihm sein Vater den Grund ihrer scheinbaren Abwendung erklärte. Doch beiden bleiben nur wenige Momente bevor sie stirbt.
Aufführung
Der Vorhang öffnet sich und gibt den Blick frei auf eine leere Bühne, nur wenige Requisiten (z.B. ein Stuhl) werden den Abend über auftauchen. In mehreren Reihen sind Theatervorhänge aufgehängt, sie fokussieren den Blick auf das Geschehen oder ermöglichen Auf- und Abtritte. So stirbt Violetta stehend, als sie in die schwarze Dunkelheit hinter dem letzten Vorhang strebt, das Nichts nimmt sie gnädig auf. Schwindsucht ist – trotz mehrmaligem Husten – nicht im Spiel.
Bei den Herren und Damen der Gesellschaft dominiert die aktuelle gehobene Gesellschaftskleidung, Alfredo hingegen ist, auf einem Bücherstapel sitzend, als wuschelköpfiger Nerd mit Cordhose und kariertem Hemd dargestellt. Vater Germont trägt einen Trenchcoat, darunter einen Anzug. Seine minderjährige Tochter in englischer Schulkleidung ist ihm egal – er schlägt sie: Ihm geht es nur um sein gesellschaftliches Prestige. Violetta trägt zunächst zeitlos klassische Abendgarderobe, im zweiten Akt einen Hausanzug mit rot-kariertem Hemd und am Schluß ein schwarzes Kleid mit roter Perücke. Sie ist die einzige, die menschliche Züge zeigt.
Sänger und Orchester
Der neue Nürnberger GMD Marcus Bosch kann hier beweisen, daß er auch im italienischen Drama zu Hause ist. Er hat das Gespür für den filigranen italienischen Klang, weniger für den Mitleid erzeugenden zarten Schmelz, für bei La Traviata so geschätzt wird. Große Emotionen kommen dabei nicht auf, aber Verständnis für die großen dramatischen Momente, wenn die hartherzigen, sich nicht verstehenden Charaktere auf die leidende Violetta einprügeln. Hrachuhi Bassenz ist diese ideale Violetta mit schwerem und eloquentem Koloratursopran, auch wenn sie in höheren Lagen zum Tremolieren neigt. Dafür hat sie das richtige Verhältnis zwischen Kraft und Stimmvolumen gefunden. Keine Probleme hinsichtlich Volumen und Strahlkraft hat Fulvio Oberto als Alfredo, denn schon das Trinklied gestaltet er mit spielerischer Leichtigkeit und seiner weich timbrierten, hohen, tenoral ausgelegten Stimme. Eine unerbittliche und hartherzige Rollengestaltung bietet Jochen Kupfer als Giorgio Germont. Mit seiner auch in den Tiefen immer makellos volltönenden Baritonstimme gelingt ihm eine beispielhafte Interpretation. Ein solides Ensemble komplettiert die Besetzung, wobei Leila Pfister als Flora am wenigsten überzeugt. Der Chor erreicht die in Nürnberg gewohnte dramatische Präzision, auch wenn ihm wichtige Auftritte vorenthalten werden, wie die Karnevalsphantasie des dritten Aktes.
Fazit
Peter Konwitschny hat sorgfältig gearbeitet und kommt mit wenigen Requisiten aus er lieferte eine interessante Charakterstudie der drei Hauptdarsteller. Violetta ist allerdings die einzige, die menschliche Züge zeigt. Um die dramatische Wirkung des Leidens Violettas zu verstärken, wird eine pausenlose Fassung gespielt, die noch dazu um etwa 15 Minuten gekürzt wurde – hauptsächlich die Chorauftritte im zweiten und dritten Akt sind weggefallen. Lang anhaltender Jubel für alle Akteure, auch für Peter Konwitschny ist der Dank des Publikums für eine insgesamt überzeugende, aber unvollständige Produktion, auf äußerst hohem musikalischem Niveau.
Oliver Hohlbach
Bild: Ludwig Olah
Das Bild zeigt: Der Tanz vor dem Vorhang um La Traviata (mit Chor)