von Igor Strawinsky (1882-1971), Oper in drei Akten, Libretto: Wystan Hugh Auden und Chester Kallman nach der Kupferstichserie (1735) von William Hogarth, UA: 11. September 1951 Venedig, Teatro La Fenice
Regie: Georg Blüml, Bühne: Sabine Lindner, Kostüme: Christine Becke, Dramaturgie: Katja Pfeifer, Licht: Kirsten Heitmann
Dirigent: Karl Prokopetz, Philharmonisches Orchester und Opernchor des Theaters Vorpommern, Choreinstudierung: Anna Töller
Solisten: Bernhard Leube (Truelove), Susanne Niebling (Anne Truelove), Kerem Kurk (Tom Rakewell), Chul-Ho Jang (Nick Shadow), Christina Winkel (Mother Goose), Kerstin Brix (Baba), Maximilian Lothar Argmann/Noriyuki Sawabu (Sellem), Melih Colacoglu (Pfleger)
Besuchte Aufführung: 3. März 2012 (Premiere)
Tom Rakewell und Anne Truelove lieben einander, doch ihr Vater ist gegen die Beziehung, weil der mittellose Rakewell keine Arbeit annehmen will. Da erscheint Nick Shadow und erklärt, Rakewell sei Erbe eines ihm unbekannten Onkels und damit sehr reich. Rakewell folgt Shadow in die Stadt, um die Papiere in Ordnung zu bringen, doch er kehrt nicht zurück: Shadow führt ihn in ein Bordell, bringt ihn dazu, Baba The Turk zu heiraten, verführt ihn zu dubiosen Geschäften und treibt ihn so moralisch und finanziell in den Ruin. Nach einem Jahr und einem Tag fordert Shadow seinen Lohn: Rakewells Leben. Dem gelingt es, Shadow im Kartenspiel seine Seele abzutrotzen. Er endet im Irrenhaus, wo ihn Anne ein letztes Mal besucht, bevor er stirbt.
Aufführung
Die Aufführung ist in ein Gesamtkonzept eingebettet, das dem Starkult um Pop- oder Filmstars nachempfunden ist. Schon Wochen vor der Premiere wird in fiktiven Pressemitteilungen die Ankunft der Lady Baba in der Stadt annonciert, sogar ein Empfang im Rathaus inszeniert. Vor dem Theatereingang ist ein roter Teppich ausgelegt, und die „Stars“ des Abends (Rakewell, Shadow, Mother Goose und zuletzt Baba) werden kurz vor Vorstellungsbeginn in einer schwarzen Limousine vorgefahren, begrüßt von frenetisch kreischenden Teenagern.
Gemäß diesem Konzept sind auch Bühne und Kostüme gestaltet: Kleidung und Frisuren entsprechen der heutigen Mode. Die Figur der Baba ist optisch an den Popstar Lady Gaga angelehnt. Das Bühnenbild setzt sich aus verschiebbaren Wandelementen in verschiedenen Grautönen, einem weißen Designer-Sofa und einem großen Flachbildschirm zusammen. Die Szenen auf dem Lande spielen sich vor dem Vorhang ab. Rakewells Wunschfantasien sind auf den Bildschirmen zu sehen, sowie die Aufnahmen, die von einem kleinen Filmteam gemacht werden, das Rakewell und Shadow während ihrer gesamten gemeinsamen Zeit auf der Bühne verfolgt.
Sänger und Orchester
Leider war diese Premiere von krankheitsbedingten Änderungen betroffen. Für Doris Hädrich sprang Kerstin Brix (Baba) ein, die diese selten gespielte Oper in deutscher Sprache kannte. Während die restliche Aufführung in der Originalsprache Englisch ablief, sang Baba auf Deutsch, was in den Dialogen sehr merkwürdig wirkte. Stimmlich und schauspielerisch überzeugte sie allerdings. Die zweite Änderung bestand darin, dass Noriyuki Sawabu den Auktionator Sellem zwar auf der Bühne darstellte, gesungen wurde die Rolle aber von Maximilian Lothar Argmann (Sellem), der die Herausforderung glänzend meisterte. Den anderen Darstellern waren ab und zu die Schwierigkeiten der Partitur anzumerken. Kerem Kurk (Tom Rakewell) gefiel durch seine angenehme lyrische Tenorstimme, doch er konnte es sich stellenweise nicht verkneifen, den Takt mitzudirigieren. Susanne Niebling (Anne Truelove) bewältigte die schwierigen Passagen mit Bravour, ihr Sopran klar und gut artikuliert – nur die höchsten Spitzentöne klangen gepreßt und deutlich zu tief. Wenig mystisch, sondern eher im Stile eines geschäftigen Managers deutete Chul-Ho Jang (Nick Shadow) seine Rolle, was aber durchaus ins Gesamtkonzept passte. Stimmlich war er voll auf der Höhe, nur die Textartikulation ließ manchmal zu wünschen übrig. Christina Winkel (Mother Goose) war durch das Orchester kaum zu hören. Der sonst so volle Baß von Bernhard Leube (Truelove) wirkte zeitweise etwas atemlos. Ohne Abstriche überzeugte der Chor.
Auch das Orchester meisterte die Klippen der Partitur größtenteils sehr gut, nur ganz zu Beginn gab es leichte Probleme mit den scharfen Rhythmen bei den Blechbläsern. Gewisse Intonationsschwächen in den Streichern kamen vor, doch seltener als zuweilen in anderen Aufführungen.
Fazit
Es ist schwer, mit dieser ungewöhnlichen, etwas sperrigen Oper beim Publikum zu punkten – zumal wenn man sie in englischer Sprache mit kaum leserlichen Übertiteln präsentiert. Deshalb war wohl der Applaus am Ende auch eher verhalten. Dabei war die Bewältigung dieser Herausforderung für das Theater Vorpommern eine echte Glanzleistung, die ein Lob verdient hat – und das Gesamtkonzept des Starkultes um Lady Baba war ein sehr gekonnt. Respekt!
Anna-Juliane Peetz-Ullman
Bild: Vincent Leifer
Das Bild zeigt: Christina Winkel (Mother Goose), Kerem Kurk (Tom Rakewell) und Mitglieder des Opernchores