von Wolfgang Amadeus Mozart, Dramma giocoso in zwei Akten, Libretto: Lorenzo da Ponte. UA: 29. Oktober 1787, Gräflich Nostitzsches Nationaltheater, Prag („Prager Fassung“), 7. Mai 1788 Hoftheater, Wien („Wiener Fassung“). Regie: Carlos Wagner; Bühnenbild: Rifal Ajdarpasic und Ariane Isabell Unfried; Kostüme: Christof Cremer; Musikalische Leitung: Marc Piollet, Orchester und Chor des Hessischen Staatstheaters Wiesbaden;
Solisten: Thomas J. Mayer (Don Giovanni), Tatiana Plotnikova (Donna Anna), Jud Perry (Don Ottavio), Bernd Hofmann (Komtur), Aga Mikolaj (Donna Elvira), Hye-Soo Sonn (Leporello), Brett Carter (Masetto), Emma Pearson (Zerlina)
Besuchte Vorstellung: 6. September 2008 (Premiere)
Kurzinhalt
Don Giovanni flieht aus dem Haus des Komturs, dessen Tochter, Donna Anna, er verführen wollte. Der Komtur stellt ihn und wird im Zweikampf von Don Giovanni getötet. Don Ottavio, Annas Verlobter schwört, den Tod des Vaters zu rächen. Zerlina, eine Bäuerin, erweckt Don Giovannis Interesse, er lädt sie und ihren Verlobten Masetto auf sein Schloß ein. Donna Elvira, eine ehemalige Geliebte des Don Giovanni, warnt Zerlina vor dem Edelmann. Zu dem Fest kommen Donna Elvira, Don Ottavio und Donna Anna maskiert. Sie eilen Zerlina zur Hilfe. Don Giovanni tauscht mit Leporello, seinem Diener, die Kleider, um die Zofe Donna Elviras zu verführen. Donna Anna und Don Ottavio stellen den vermeintlichen Don Giovanni, der sich jedoch sogleich als Leporello zu erkennen gibt. Auf einem Friedhof vernehmen Don Giovanni und Leporello die Stimme des toten Komturs von der Statue auf dessen Grabstätte. Don Giovanni lädt die Statue auf sein Schloß ein. Als die Statue erscheint verlangt sie, wie auch Donna Elvira kurz zuvor, Reue. Als Don Giovanni mehrfach ablehnt, öffnet sich die Erde und verschlingt den Wüstling.
Aufführung
Die Inszenierung ist ein Mix aus klassischem Don Giovanni und moderner Interpretation. Vor altem Marmor, unter einem prunkvollen Lüster, steht Leporello mit einem elektrischen Bügeleisen. Die Bauern kommen als Biker-Gang, Masetto in Lederjacke und Zerlina in Jeans auf die Bühne. Ein Raunen geht durch die Reihen als Donna Elvira auf einem lebendigen Pferd einreitet.
Die Liste der Eroberungen Don Giovannis, die Leporello Donna Elvira vorträgt ist zuerst nicht zu sehen, dann bemerkt man, daß Leporello sie sich auf seinem Körper geschrieben hat, was dazu führt, daß er sich im Laufe der Arie entkleidet und schließlich nur mit Hose und einem weißen Turn- Schuh auf der Bühne sitzt.
Die Mäntel Don Giovannis und Leporellos sind völlig identisch. Damit ist das Vertauschen der Mäntel sinnlos. Unvorteilhafte Kostüme lassen die vollschlanke Donna Anna klein und pummelig wirken. Donna Elvira Kostüme sind in weiß gehalten, einmal erscheint sie sogar als weiß-blaue Marienfigur, während die anderen Damen Don Giovannis immer in schwarz auftreten.
Die drei Maskierten sind hier nicht maskiert, sondern als Putzfrauen und Gärtner verkleidet, eine Einladung zum Fest ist damit eher unwahrscheinlich. Als Don Giovanni die Tanzpaare aufruft, kommt niemand. Die Gäste tanzen allein, dem Publikum zugewandt.
In der Schlußszene reicht der Komtur Don Giovanni, anstelle seiner Hand, eine Pistole, aus der er vorher die Kugeln entfernt hat. Don Giovanni versucht verzweifelt, sich mit der ungeladenen Pistole zu töten. Mit der Waffe an der Schläfe und dem unbeugsamen Klicken des leeren Laufes, fällt der Vorhang.
Sänger
Thomas J. Mayer beherrscht als Don Giovanni unangefochten die Bühne. Der tiefe Bariton überzeugt mit klarer Stimme, von weich bis donnernd, und erfüllt das Opernhaus bis in die letzten Reihen. Auch Hye-Soo Sonn (Leporello) und Bernd Hofmann (Komtur) erhalten tosenden Applaus.
Tatjana Plotnikova (Donna Anna) und Aga Mikolaj (Donna Elvira) hören mehrfach Brava-Rufe nach ihren Arien, für beide absolut verdient. Mikolajs schauspielerische Leistung bei ihrer Arie Mi tradì ist herausragend. Obwohl sie sich nicht von der Stelle bewegt, überträgt sie die Zerrissenheit der Donna Elvira zwischen Liebe und Verachtung, zwischen Haß und Mitleid, fesselnd auf das Publikum. Jud Perry (Don Ottavio) wirkt neben der starken Plotnikova sowohl physisch als auch stimmlich, sehr dünn, auch Brett Carter (Masetto), trotz ansprechender Stimme, schafft es kaum, gegen das Orchester anzusingen. Die zierliche Emma Pearson (Zerlina) überrascht mit ihrer Stimmgewalt, besonders bei ihrer Arie Vedrai, carino – zieht der glockenhelle Klang ihrer Stimme den Zuhörer in ihren Bann.
Fazit
Wer bei diesem Don Giovanni pompöse Kostüme und düstere, knisternde Leidenschaft erwartet, wird enttäuscht. Die Bauernmädchen erscheinen als Bikerbräute in Jeansminis, Netzshirts und bauchfrei, lediglich ein Kleid Donna Elviras entspricht der klassischen Vorstellun. Jegliche sexuelle Anspielung wirkt eher komisch denn sinnlich, einzig das Festmahl der letzten Szene zeigt ansprechend Don Giovannis zügelloses Leben. Ob die hervorragenden Leistungen der Solisten die Unstimmigkeiten des Bühnengeschehens wettmachen, sei dem Zuschauer überlassen. Für die Inszenierung gab es viele laute Buhrufe, aber auch vereinzelte Bravi.
Janine Schreier
Bild: Martin Kaufhold
Das Bild Zeigt Aga Mikolaj (Donna Elvira)