von Gioachino Rossini (1792-1868), Oper in vier Akten, Libretto: Victor-Joseph Etienne und Louis Florent Bis nach dem Schauspiel Wilhelm Tell von Friedrich Schiller, UA: 3. August 1829 Paris, Salle de la rue Le Pelletier
Regie: Elisabeth Stöppler, Bühne: Hermann Feuchter, Kostüme: Nicole Pleuer
Dirigent: Guido Johannes Rumstadt, Staatsphilharmonie, Chor und Extrachor des Staatstheaters Nürnberg, Choreinstudierung: Tarmo Vaask
Solisten: Martin Berner (Guillaume Tell), Uwe Stickert (Arnold), Leah Gordon (Mathilde), Vladislav Solodyagin (Melcthal), Claudia Braun (Jemmy), Leila Pfister (Hedwige), Taehyun Jun (Walter und Leuthold), Nicolai Karnolsky (Gesler), Philip Carmichael (Rodolphe), Tilman Lichdi (Ruedi),u.a.
Besuchte Aufführung: 3. März 2012 (Premiere)
Während eines Hirtenfestes sollen drei Paare getraut werden. Arnold zögert mit der Heirat, denn er ist in die Habsburger Prinzessin Mathilde verliebt. Unter der habsburgischen Fremdherrschaft leidend, haben die Schweizer eine Unabhängigkeitsbewegung gegründet und bekämpfen die Soldaten des Kaiserlichen Landvogts Gesler. Arnold führt den Kampf an, nachdem sein Vater von Gesler ermordet wurde. Wilhelm Tell wird gefangen und muß zur Strafe einen Apfel vom Kopf seines Sohnes Jemmy schießen. Obwohl ihm dieses gelingt, läßt Gesler ihn verhaften, aber Tell erschießt den Vogt. Man feiert die Freiheit.
Aufführung
Schon nach dem Vogelgezwitscher und mit den ersten Takten des verhaltenen ersten Teiles der Ouvertüre um das berühmte Solo-Cello, hebt sich der Vorhang über einem Einheitsbühnenbild. Ein Punk-Quintett lockt eine Gesellschaft in einen mit grauen Wänden begrenzten großen Raum. Während die Musiker nach oben entschwinden, schließen sich die Feuerschutztore. Trotzdem gelingt Widerstandskämpfern durch die Pförtnerloge die Flucht, Waffen und Leichen werden durch Bodenluken im Keller abgelegt und immer wieder herausgeholt. Die Gesellschaft trägt heutige Alltagskleidung und schreibt Texte wie Freiheit spielend lernen an Tafeln oder Projektionen, der Rütli-Schwur muß aus dem Reclam-Schiller-Heft zitiert werden. Tells Sohn wird zur Tochter, trägt einen roten Trainingsanzug und hat eine Liebesbeziehung zu Ruedi, der allerdings als Ziegenbock von Tell geopfert wird. Der zweite Teil der Ouvertüre, der Reiterangriff-Galopp, leitet das Finale ein. Da Wilhelm Tells berühmter Schuß fehl geht, sitzt Jemmy am Schluß querschnittsgelähmt im Rollstuhl. Gesler wird von Hedwige erschossen, da Tell von Geslers Schergen geblendet wurde.
Sänger und Orchester
Es ist der große Abend des lyrischen Tenors Uwe Stickert. Er erfüllt die hohen Anforderungen an einen italienischen Tenor für diese Grand Opéra und zeigt, wie man in dieser berühmten und mörderischen Tenorpartie mit Rossinis Glanzarien scheinbar mühelos in höchste Höhen hinaufklettert. Bei ihm wird die butterweich geführte Stimme mit glasklaren Spitzentönen (19 hohe C und zwei Cis) zum gesanglichen Ereignis. Die Wirkung seiner großen Arie wird leider unterbrochen, da er seinen toten Vater waschen muß. Das bekannte Duett des zweiten Aktes mit der zu technisch brillanten Koloraturen fähigen Mathilde Leah Gordons zeigt glänzenden Belcanto-Gesang, auch wenn sie bei den leisen Tönen Schärfen und Tremolo nicht vermeiden kann. Nicolai Karnolsky (Gesler) ist ein fast schwarzer Baß mit unerschöpflichem Klangvolumen, der auch mit einer soliden Höhe glänzt. Wie er mit stimmlichen Mitteln pure Bösartigkeit charakterisiert ist faszinierend. Da Michaela Mayer erkrankt war, spielt sie die Rolle der Tochter Jemmy Tell auf der Bühne, während sie im Graben von Claudia Braun ausgezeichnet vertreten wird. Die weithin unbekannte, meist gestrichene Arie im dritten Akt beherrscht Claudia Braun nicht und wird als Aufzeichnung der Generalprobe eingespielt, die Michaela Mayer sang. Ein Novum! Während Martin Berner in der Titelrolle kraft- und farblos bleibt. Das war jedenfalls das, was man vernehmen konnte, denn er sang über weite Teile zu leise. Beide Rollen, die Tenorrolle des Walther und die Baßrolle des Leuthold singt der Baß Taehyun Jun wiedergegeben. Guido Johannes Rumstadt ist ein Dirigent, der die Sänger auf Händen trägt. Mit viel Legato können die Sänger ihre schwierigen Rollen und technischen Feinheiten ausbreiten – lediglich nur gestört durch Regieeinfälle und Eingriffe in die Partitur. Zum Zug kommt vor allem Rossinis feinfühliger Umgang mit Motiven. Ein wenig mehr Feuer (vulgo Tempo) vor allem in der geteilten Ouvertüre hätte für mehr Stimmung im Publikum gesorgt.
Fazit
Der Abend endet mit einem Eklat: In bisher in Nürnberg unbekannter Heftigkeit wird die Regisseurin Elisabeth Stöppler ausgebuht, sogar Zwischenrufer gibt es. In einer sterilen Einheitsbühne blinder Aktionismus, der völlige Ratlosigkeit bei der Personenführung ersetzt, war denn doch zu viel. Die Regisseurin hatte die Oper um eine Stunde gekürzt. Da er für die Partitur verantwortlich ist, gab es auch für Guido Johannes Rumstadt Buhrufe, obwohl seine musikalische Unterstützung für die Sänger optimal war. Solisten, Chor und Orchester erhielten einhelligen Jubel.
Oliver Hohlbach
Bild: Ludwig Olah
Das Bild zeigt: Martin Berner (Guillaume Tell), Leila Pfister (Hedwige), Leah Gordon (Mathilde), Uwe Stickert (Arnold) v.l.n.r.