Erfurt, Theater – LES CONTES D’HOFFMANN – HOFFMANNS ERZÄHLUNGEN

von Jacques Offenbach (1813-1901); Fantastische Oper in fünf Akten von Jules Barbier; Uraufführung 1881 in Paris.
Regie: Rupert Lummer, Ausstattung: Hank Irwin Kittel
Dirigent: Walter E. Gugerbauer, Philharmonisches Orchester Erfurt, Opernchor des Theaters Erfurt
Solisten: Richard Carlucci (Hoffmann), Stefanie Schaefer (La Muse), Susanne Rath (Stella), Juri Batukov (Lindorf), Mark Mönchgesang (Nathanael), Dirk Biedritzky (Wolfram), Manuel Meyer (Hermann), Ralph Heiligtag (Wilhelm), Marwan Shamiyeh (Spalanzani), Jörg Rathmann (Cochenille), Juri Batukov (Coppelius), Julia Neumann (Olympia), Ilja Papandreou (Antonia), Vazgen Ghazaryan (Crespel), Jörg Rathmann (Franz), Juri Batukov (Miracle), Helena Zubanovich (Die Stimme aus dem Grab), Stèphanie Müther (Giuletta), Petteri Falck (Schlemil), Juri Batukov (Dapertutto).
Besuchte Aufführung: 7. September 2008 (Premiere)

Kurzinhalt
erfurt-hofmann.jpgHoffmann zecht mit seinen Freunden. Er verliebt sich in Stella und erträumt sich drei Frauengeschichten:
Seine erste Geschichte handelt von einem Automaten namens Olympia. Als Olympia vorgestellt wird, zerbricht eine Feder des Automaten, so daß sie stirbt. Hoffmann erkennt, daß er eine Maschine liebte und wird verspottet.
Seine zweite Liebe ist Antonia. Eine Krankheit verhindert, daß sie singt. Doktor Mirakel öffnet ihr die Augen, was sie alles durch ihr Singen gewinnen würde. Sie singt und stirbt.
Als drittes erzählt Hoffmann von der Kurtisane Giulietta. Sie ist Dapertuttos Lockvogel und soll das Spiegelbild Hoffmanns stehlen, was ihr gelingt. Dann läßt sie Hoffmann allein zurück.
Hoffmann kehrt zurück in die Wirklichkeit, wo ihn die Muse tröstet.
Vorbemerkung
Leider riß der Tod Offenbach die Feder aus der Hand, bevor sein Werk vollendet war. Eine endgültige, autorisierte Fassung gibt es daher nicht. So gibt es viele Möglichkeiten, welche „Einlagen“ oder Striche gewählt werden können. Daher kann man die Premiere in Erfurt als weitere Fassung werten, denn durch interessante, aber umfangreiche Striche schuf Regisseur Rupert Lummer einen anderen Blick auf dieses Werk.
Aufführung
Vorhanden sind alle von Offenbach geschriebene Einschübe, wie der Arie des Dapertutto im 4. Akt oder der Barkarole aus den Rheinnixen. Dafür verzichtet man auf den Auftritt der Studenten und des Klein-Zack am Ende. Das selten aufgeführte Duett Stella-Hoffmann im 5. Akt verdient besondere Aufmerksamkeit.
Die Inszenierung verlegt die Handlung in die heutige Zeit. Hoffmann bewegt sich in Künstlerkreisen und spricht dem Alkohol zu. Aber anstelle in Luthers Weinkeller finden wir uns auf einer Vernissage wieder. Hoffmanns Geliebte Stella wendet sich dem Kunstmäzen Lindorf zu, denn der leiht ihr seinen Porsche Targa. Hoffmann indes wird von der Muse begehrt – einem „Szene-Groupie“. Hoffmann singt das Lied vom Klein-Zack und erinnert sich dabei seiner Liebesverstrickungen.
Während der Vernissage wird ein MTV-Video gedreht. Die Hauptdarstellerin Olympia wird aufgestylt und für die Kamera in Position gebracht – ein typisches Kunst-Produkt unserer Zeit. Hoffmann berauscht sich, um sich dann, seiner Realität beraubt, in Olympia zu verlieben. Als Olympia an ihren Drogenkonsum zugrunde geht, erkennt Hoffmann die Künstlichkeit dieser Person, die nur ein Trugbild für die Masse war.
Seine zweite Liebe war Antonia. Der Ausstatter Hank-Irwin Kittel siedelt diesen Akt in Kulissen aus Fellini-Filmen wie La dolce Vita und La Strada an. Franz ist ein Geck ähnlich Maurice Chevalier, Miracle daran interessiert Antonias Künste zu vermarkten. Um Antonia gefügig zu machen beschwört Miracle ihre Mutter, die wie eine aus dem Grab auferstandene Maria Callas aussieht.
Der 4. Akt spielt auf einer Gartenparty im Anschluß an die Vernissage. Auch Hoffmann verfällt dem falschen Charme der Gastgeberin Giuletta. Als er das erkennt bringt er sie um.
Alle Bemühungen seiner Freunde bringen Hoffmann nicht davon ab sich das Leben zu nehmen. Er ertränkt sich und hinterläßt eine verstörte Künstlerszene.
Sänger
Walter Gugerbauer führt sein vorzüglich eingestelltes Ensemble zur Hochform, eine Sternstunde für Orchester und Bühne. Leider waren einige Ensemblemitglieder indisponiert. So gelang es Richard Carlucci als Hoffmann nur vor der Pause seinen wohltönenden Tenor zu entfalten, Julia Neumanns Olympia klang sehr gefällig, wirkte aber in den Koloraturen etwas angestrengt. Juri Batukov (Lindorf, Coppelius, Miracle und Dapertutto) hatte keinerlei Mühe die verschiedenen Nuancen der Bösewichter zu gestalten. Ilia Papandreous Antonia war wohlklingend, konnte sich aber im Terzett vor allem gegen Helena Zubanovich, die grandios in ihrer Darstellung ihrer Mutter ist, nicht wirklich durchsetzen. Stéphanie Müther überzeugte als Giuletta sowohl stimmlich, als auch spielerisch als alterndes Partygirl. Stefanie Schaefer (La Muse) gewann durch ihr exzellentes Spiel und ihren angenehmen Mezzosopran die Herzen des Publikums.
Fazit
Ein Abend der zu Recht mit frenetischem Applaus für modernes Opern-Theater auf höchstem Niveau endet.
Oliver Hohlbach
Bild: L. Edelhoff
Das Bild zeigt die Gesellschaft der kranken Antonia. Mit französischem Einschlag a la Maurice Chevalier.

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