von Richard Wagner (1813-1883) Handlung in drei Aufzügen, UA: 10. Juni 1865 München, Kgl. Hof- und Nationaltheater
Regie: Hermann Schneider, Bühne und Videos: Falko Herold
Dirigent: Enrico Calesso, Philharmonisches Orchester, Chor und Extrachor des Mainfranken Theaters Würzburg, Einstudierung: Markus Popp
Solisten: Anja Eichhorn (Isolde), Paul McNamara (Tristan), Joachim Goltz (Kurwenal), Johann F. Kirsten (König Marke), Karen Leiber (Brangäne), Kenneth Beal (Melot), Joshua Whitener (Hirt/Junger Seeman), Hyeong-Joon Ha (Steuermann)
Besuchte Aufführung: 31. März 2012 (Premiere)
Der Ritter Tristan führt die irische Prinzessin Isolde, deren Verlobten Morold er einst im Zweikampf getötet hat, seinem Onkel König Marke von Kornwall als Braut zu. Auf der Überfahrt nach England verlangt Isolde Sühne für Morolds Tod. Sie fordert Tristan auf, gemeinsam mit ihr Gift zu trinken. Brangäne hat jedoch das Gift heimlich gegen einen Liebestrank ausgetauscht. So entbrennen Tristan und Isolde in heftiger Leidenschaft füreinander. Isolde heiratet zwar König Marke, trifft sich aber mit Tristan. Melot verrät die Liebenden, kämpft mit Tristan und verwundet ihn schwer. Während Isolde zurückbleibt, bringt Kurwenal Tristan nach Kornwall. Isolde eilt ihnen nach, Tristan stirbt jedoch im Moment ihrer Ankunft. Als letzte Konsequenz ihrer Liebe folgt Isolde ihm in den Tod.
Aufführung
Einen depressiven, düsteren und grauen Eindruck vermittelt das Einheitsbühnenbild. Es besteht aus zwei seitlichen Rampen, die sich öffnen können und entweder grau sind oder sich durch eine Drehung in eine Spiegelfläche verwandeln können. Den Hintergrund bildet eine Glaswand, die entweder eine undurchsichtige Projektionsfläche für Videos ist oder je nach Beleuchtung transparent oder zu einer Spiegelwand wird. Das eindrucksvollste Bild ist das Finale, wenn scheinbar hunderte Glühbirnen sich widerspiegelnd den Liebestod untermalen. Die Kostüme entstammen einer Zwischenwelt zwischen jetzt und unbestimmt, zwischen lebend, siechend, untot und tot. Tristan erinnert an einen gefallenen Soldaten, Kurwenal an einen gestürzten Superheld, König Marke an den geblendeten König Lear mit Pappkrone, der junge Seemann ist Gandalf, der die Toten wieder zum Leben erweckt, Melot trägt einen schwarzen Trainingsanzug, Brangäne ist eine gealterte Pipi Langstrumpf, nur Isolde scheint jetzt noch zu leben: Das schmutzig-weiße Brautkleid ist nur zum Überstreifen über das kleine Schwarze.
Sänger und Orchester
Es ist der Abend der Anja Eichhorn, denn mit ihrer jugendlich klaren Stimme, die sowohl ein sehr transparentes pianissimo ermöglicht, aber auch im Forte noch ausdrucksstark trägt, gelingt es ihr eine Isolde zu zeichnen, die keinerlei Wünsche offen läßt. Paul McNamara gab schon mehrfach in Würzburg den gestandenen grundsoliden Wagner-(Helden)-Tenor. In den entscheidenden Momenten, in der Darstellung der Emotionen Tristans, zeigt er tenorale Präsenz, muß aber spätestens am Schluß seine Kräfte schonen, wirkt dann fragil und zart. Karen Leiber (Brangäne) ist etwas ungewöhnlich besetzt, denn ihr dramatischer Sopran verfügt über saubere, klaren Höhen, viel Kraft, aber auch viel Ausdruck – auch wenn sie manchmal etwas tremolierte: Da besteht stimmliche Ähnlichkeit mit Isolde. Joachim Goltz verfügt über viel baritonale Wucht und heldischem Glanz bei schlanker Stimmführung – und ist so ein beeindruckend textverständlicher Kurwenal. Johann F. Kirsten verleiht dem depressiven König Marke seine beachtliche Stimme und kann den seelischen Abgründen, seiner Resignation die Stimme leihen. Zu loben ist auch die Besetzung der kleinen Rollen wie der lyrische Tenor des Kenneth Beal als Melot oder der mystischen Rolle des Joshua Whitener in der Doppelrolle als Seemann und Hirt. Eine wahrlich mitreißende Interpretation erzielt Enrico Calesso mit dem außerordentlich gut vorbereiteten Philharmonischen Orchester Würzburg. Die Tragödie nimmt bereits mit dem Vorspiel seinen Lauf, die Unendlichkeit der Sterne als Videoprojektion unterstützt die depressive liebeskranke Grundstimmung. Beispielhaft wie Calesso durch blitzschnelle Tempoänderungen Spannungswelten aufbaut, die im Fortissimo Ihren Höhepunkt finden und im Pianissimo mitleidheischend verklingen. Die Aktschlüsse haben so eine große dramatische Wirkung, das große Liebestod-Finale Isoldes ist eine einzige ekstatische Raserei – musikalisch zum Niederknien, denn sie geht quasi ein in die Unendlichkeit der Sterne.
Fazit
Margot Müller hatte gerufen und viele Mitglieder des Richard-Wagner-Verbandes Würzburg waren gekommen, um für ein volles Haus zu sorgen. Die Hauptsponsorin der Produktion wollte ein deutliches Zeichen gegen die latent drohende Schließung des Hauses setzen. Das Publikum schloß sich dem an und feierte die musikalische Seite der Produktion euphorisch, während sich Hermann Schneider wenige Buh-Rufe für seine unverständliche, berührungsfreie „Inszenierung der Sterbenden“ gefallen lassen mußte. Er ist es gewohnt und die düster-depressive Grundstimmung unterstützt die musikalische Wirkung großartig.
Oliver Hohlbach
Bild: Falk von Traubenberg
Das Bild zeigt: Anja Eichhorn (Isolde)