von Richard Wagner (1813-1883); Romantische Oper in drei Aufzügen; Dichtung vom Komponisten; UA: 28. August 1850 in Weimar
Regie: Kaspar Holten, Bühne: Steffen Aarfing
Dirigent: Donald Runnicles, Orchester, Chor und Extrachor der Deutschen Oper Berlin
Solisten: Albert Dohmen (König Heinrich), Klaus Florian Vogt (Lohengrin), Ricarda Merbeth (Elsa), Gordon Hawkins (Telramund), Petra Lang (Ortrud), Bastiaan Everink (Heerrufer)
Besuchte Aufführung: 15. April 2012 (Premiere)
König Heinrich ruft die Brabanter zum Feldzug. Telramund, von seiner Gattin Ortrud angestachelt, beschuldigt Elsa des Mordes an ihrem Bruder Gottfried. Ein Gottesgericht in Form eines Zweikampfs soll über Elsas Schuld entscheiden. Da erscheint ein Fremder im Boot, gezogen von einem Schwan, der Telramund besiegt. Dieser Fremde wird Elsa heiraten, aber sie darf nie nach seinem Namen und Herkunft fragen. Am Hochzeitstag bezichtigen Ortrud und Telramund den Fremden der Zauberei und des Betruges. Erst später, als sie allein sind, bricht Elsa ihr Versprechen und stellt die Fragen. Telramund dringt in das Brautgemach ein, im Zweikampf stirbt er. Jetzt offenbart Lohengrin Namen und Herkunft. Ortrud triumphiert, aber Lohengrin bewirkt die Rückkehr Gottfrieds, des rechtmäßigen Thronfolgers.
Aufführung
Zu den sphärischen Klängen des Vorspiels sieht man ein Schlachtfeld mit klagenden Weibern. Die Düsternis bleibt bis zum Schluß erhalten, der Spielort ist ein unkonkreter dunkler Raum – da kommen Vergleiche mit dem Inszenierungsstil Neu-Bayreuths der siebziger Jahre auf. Das Münster ist ein begehbares Bild mit Rahmen, das Brautgemach wird einzig durch einen roten Vorhang vom Münster getrennt. Lohengrin kommt in Ritterrüstung und Schwanenflügeln daher, der Schwan selbst ist ein Beleuchtungseffekt auf einer Leinwand. Die übrigen Kostüme sind den vergangenen Jahrhunderten entlehnt, der historisierende Schnitt entspricht ebenfalls den siebziger Jahren. Die Kostüme der Solisten sind nicht blutverschmiert, sondern aus hellerem Stoff.
Sänger und Orchester
Klaus Florian Vogt stellt wieder einmal unter Beweis, daß seine heldische Darstellung des Lohengrins im Moment ohne Konkurrenz ist. In den hohen Lagen hat er immer noch die strahlende Klarheit eines Knabensoprans, verfügt aber mittlerweile über eine hohe Durchschlagskraft. Zusätzlich hat sich in den tiefen Lagen ein makelloser Klangköper entwickelt. Auch Petra Lang konnte ihre Darstellung der Ortrud weiterentwickeln. Ihre weich timbrierte Stimme setzt sie ohne hysterisch-dramatische Ausbrüche ein, verleiht der Figur Tiefe, die wirklich überrascht. Hier wird verständlich, wie intelligent manipulativ Ortrud ist. Ricarda Merbeth verfügt immer noch über einen klaren, lyrischen Sopran, kann der Elsa wegen dem eng geführten Spitzentönen und teils heftigem Tremolieren keine Kontur mehr verleihen. Albert Dohmen war einmal ein Baßbariton von edler Klangtiefe. Diesen Eindruck kann er zunächst bestätigen, jedoch bereits im zweiten Akt fehlt ihm Kraft und Volumen. Gordon Hawkins stemmt sich sehr zurückhaltend durch die schwierige Rolle des Telramund, kann die Rolle nicht wirklich gestalten. Bastiaan Everink ist ein junger hoffnungsvoller Bariton, der den Heerrufer manchmal mit Kraft klangvolle Auftritte verleiht, aber insgesamt noch an der Rolle arbeiten muß. Der wichtigste Leistungsträger des Abends war der Chor. In der Einstudierung von William Spaulding gelang eine völlige Transparenz und absolute Harmonie zwischen den einzelnen Stimmgruppen. Es ist faszinierend was Donald Runnicles in wenigen Jahren aus dem Orchester gemacht hat. Da wird Helden-Glanz verbreitet, es gibt keine Probleme mit rapiden Tempowechseln, erzeugt auch im absoluten Fortissimo Wohlklang. Mit im Zuschauerraum verteilen Blechbläsern gelingt (vor allem im Vorspiel im 3. Akt, 2. Bild) ein selten erlebtes Raumklangerlebnis bei gleichzeitiger Transparenz der Bläser-Themen.
Fazit
Am Ende tobt das Publikum: Bravo-Orkane für das Orchester, Chor und Solisten, mit Ausnahme von Albert Dohmen und Ricarda Merbeth, die genauso wie das Regieteam Mißfallensäußerungen erhalten. Der Lichteffekt beim Auftritt Lohengrins erinnert an die Landung der Außerirdischen in Spielbergs Unheimliche Begegnung der dritten Art. Sind die Brabanter Außerirdische? Die Kostüme des Chores sind ein Mischmasch aus blutverschmierten Uniformen aus allen Jahrhunderten, die Damen sind an der Grenze zur Vollverschleierung. Was damit beabsichtigt wird, bleibt unklar. Der Ansatz des Schwanenritters als politischer Verführer hat man in vielen Inszenierungen viel besser umgesetzt gesehen. An diesem Haus setzte Götz Friedrich (z.B. mit seinem legendären Ring) einst Maßstäbe, die dem Haus zum Weltruhm verhalfen. Dieser Abend führt vor Augen, daß diese Zeiten vorbei sind. Bleibt zu hoffen, daß der neue Intendant den Aufbruch schafft.
Oliver Hohlbach
Bild: Marcus Lieberenz
Das Bild zeigt: Klaus Florian Vogt (Lohengrin), Ricarda Merbeth (Elsa)