EIN MASKENBALL – UN BALLO IN MASCHERA – Meiningen, Südthüringisches Staatstheater

von Giuseppe Verdi (1813-1901), Oper in drei Akten, Libretto: Antonio Somma, UA: 17. Februar 1859 Rom, Teatro Apollo

Regie: Ansgar Haag, Bühne und Kostüme: Klaus Hellenstein

Dirigent: Alexander Steinitz, Meininger Hofkapelle, Chor, Extrachor und Chöre der Evangelischen Singschule Meiningen, Chorleitung: Sierd Quarre, Sebastian Fuhrmann

Solisten: Xu Chang (Riccardo), Dae-Hee Shin (Renato), Bettine Kampp (Amelia), Rita Kapfhammer (Ulrica), Sonja Freitag (Oscar), Francis Bouyer (Silvano), Stephanos Tsirakoglou (Samuel), Ernst Garstenauer (Tom), Lars Kretzer (Oberster Richter, Diener)

Besuchte Aufführung: 20. April 2012 (Premiere)

Kurzinhalt

Der durch eine Verschwörung bedrohte Riccardo liebt heimlich Amelia, die Frau seines Freundes Renato. Als er sie beim Besuch der Wahrsagerin Ulrica belauscht, erfährt er, daß sie ihn ebenfalls liebt. Ulrica prophezeit ihm, er werde vom demjenigen ermordet, der ihm die Hand gibt. Nichtsahnend begrüßt er Renato per Handschlag. In derselben Nacht treffen Riccardo und Amelia auf dem Richtplatz aufeinander. Obwohl sie ihren Gefühlen zu Riccardo abschwören will, ringt dieser ihr ein Liebesgeständis ab. Da erscheint Renato, der Riccardo vor den herannahenden Verschwörern retten will. Riccardo flieht, aber in Gegenwart der Verschwörer erkennt Renato seine Frau und schwört Rache. Renato ersticht auf einem Maskenball Riccardo. Dieser verzeiht allen im Sterben.

Aufführung

Die Uraufführungsfassung verlegte die Handlung auf Druck der Zensur noch Boston, Ansgar Haag läßt es zur Entstehungszeit der Oper spielen, die USA stehen kurz vor dem Bürgerkrieg. Riccardo wird in die Nähe des jungen Abraham Lincoln gerückt, der seine Zusammenkunft mit Ulrica für seinen Wahlkampf nutzt – unter Einsatz zahlloser US-Flaggen und Abzeichen. Ulrica ist eine pyrotechnisch-effektvolle Mischung aus Voodoo, indianischem Naturzauber und Kneipenbelustigung. Auf der Rückseite der Hafenkneipe befindet sich der Galgen, auf dem geflüchtete Sklaven hingerichtet werden. Der zweistöckige Gouverneurs-Palast besteht aus einer durchsichtigen Außenfassade, Kronleuchter und dem Bild Sklavenschiff von William Turner. Soldaten in blauer Uniform, Bürger, Fischer und Minenarbeiter entspringen zeitgenössischen Photographien. Dafür sind die Kostüme des Maskenballs etwas sehr phantasievoll und eher karnevalesk.

Sänger und Orchester

Die zweite Opern-Premiere im frisch renovierten Haus ist deutlich besser gelungen, das Ensemble mit dem Haus gewachsen. Alexander Steinitz findet mit der Hofkapelle den richtigen Mittelweg zwischen romantischer Ausdruckskraft und den harten Klängen der politischen Realität. Bestens eingestellt der Chor, der auch bei viel Bewegung die Stimmgruppen perfekt zusammen führen kann. Besonders umjubelt werden die weiblichen Solisten. So ist Bettine Kampp ein lyrischer Sopran mit kindlich leuchtender Stimme, sie benötigt nur etwas Zeit um sich frei zu singen – besonders in der Höhe. Sie ist eine zu Recht umjubelte Amelia. Sonja Freitag singt einen weiblichen Oscar (als Sekretärin Riccardos). Sie ist eine schwere Opern-Soubrette mit Verve und stahlharten Koloraturen, die viel Freude machen. Rita Kampfhammer verleiht der Ulrica den notwendigen mystischen Ausdruck einer indianischen Voodoo-Hexe, verfügt aber über ein schier unerschöpfliches Stimmvolumen und Umfang. Dae-Hee Shin macht sich als Renato ebenso glücklich: Er ist ein Bariton mit klarem, sehr hellem Klang, dabei immer wortverständlich betonend. Xu Chang (Riccardo) hat sich weiter entwickelt, sein Tenor hat ein schönes baritonales Timbre, kann hier facettenreich gestalten, klingt in der Höhe nur manchmal etwas eng und kehlig.  Trotzdem passen er, Dae-Hee Shin und Bettine Kampp in der dramatischen Dreiecksgeschichte hervorragend zusammen. Altgediente Recken erfüllen in den Nebenrollen ihre Aufgaben hervorragend, besonders erwähnenswert Ernst Garstenauer als bösartig phrasierender Tom.

Fazit

Die Urfassung des Maskenball, die eigentlich nur wegen der Zensur in die USA verlegt wurde,  wird sehr selten gespielt, nach diesem mitreißenden Abend stellt man sich die Frage nach dem warum. Ansgar Haag zeichnet die USA kurz vor dem Bürgerkrieg sehr detailliert nach, sieht Verdis Maskenball als Gegenstück der Nordstaaten zu Vom Winde verweht der Südstaaten. Die Assoziationen zünden beim Publikum, auch musikalisch folgt das Publikum, immer wieder Bravo-Rufe für große Emotionen. Hinweis für die Damen: Taschentücher bereithalten!

Oliver Hohlbach

Bild: Foto ed Meiningen

Das Bild zeigt: Dae-Hee Shin (Renato) und Chor

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