von Richard Wagner (1813–1883), Musikdrama in drei Aufzügen, Erster Tag des Bühnenfestspiels Der Ring des Nibelungen, Libretto vom Komponisten, UA: 16. August 1876 Bayreuth, Festspielhaus
Regie/Bühne/Kostüme: Hansgünther Heyme
Dirigent: Karl-Heinz Steffens, Staatskapelle Halle
Solisten: Andreas Schager (Siegfried), Ralph Ertel (Mime), Gérard Kim (Wanderer), Gerd Vogel (Alberich), Christoph Stegemann (Fafner), Deborah Humble (Erda), Lisa Livingston (Brünnhilde), Ines Lex (Stimme eines Waldvogels).
Besuchte Aufführung: 28. April 2012 (Premiere)
Siegfried wird vom Zwerg Mime großgezogen ohne Respekt oder Furcht zu kennen. Wie es der Wanderer prophezeit gelingt es dem Furchtlosen das Schwert Nothung aus Trümmern neu zu schmieden. Mimes Ziel ist es, Siegfried gegen Fafner aufzustacheln, damit er ihn töte und ihm den Ring verschaffe. Als Siegfried den Riesenwurm getötet hat, bringt er den Ring an sich und erkennt durch das magische Drachenblut die wahren Ziele Mimes. Aus Zorn bringt er ihn um und macht sich auf zum Brünnhildenfelsen, um dort Brünnhilde zu erwecken und ihre Liebe zu erringen. Zuvor trifft er auf den Wanderer – den umherstreifenden Gott Wotan – und zerschlägt seinen Speer, der Wotan die Macht über die Welt sicherte. Wotan tritt ab und macht Siegfried so den Weg frei.
Aufführung
Große Teile des Bühnenbildes aus Rheingold und Walküre finden auch im Siegfried wieder ihren Platz. Die Schachtelwand bildet wieder den Hintergrund, in die Schachteln wird die Hinterlassenschaft der toten Helden verstaut. Ebenso findet sich ein Zwischenvorhang genannt Vorhang der Hoffnung, das Zitat Hoffnung hat den Morgen für sich, der noch wieder kommt, stammt wieder von Ernst Bloch. Weitere Zwischenvorhänge gibt es für das Waldweben (mit vielen grünen Bäumen), Fafners Höhle (mit Flammen umloderten Goldbarren) und Fafner selbst (als symbolistisches Monster). Das vom Wanderer gesteuerte Waldvögelein wird durch eine Sängerin verkörpert, die an Seilen über die Bühne flattert. Mime hat keine Höhle, er agiert vor der Schachtelwand von einem Ansitz rings um den Schmiedetisch und den Amboß. Die Kostüme sollen den Charakter der Rolle reflektieren, wie schon in den übrigen Ringteilen. Wotan wirkt mit Fell und Kopftuch wie ein Gangleader, Mime ist in Sträflingskleidung mit Tränen in den Augen, immer noch ein Gefangener seiner selbst. Siegfried wirkt wie ein weißgekleideter Naturbursche.
Sänger und Orchester
Den Auftritt von Andreas Schager kann man durchaus als sensationelle Entdeckung feiern. Bislang ein Operettentenor, schmettert er Siegfrieds Schmiedelieder wie ein Heldentenor, denn er hat viel Kraft und Durchschlagskraft hinzugewonnen. In den leisen, lyrischen Passagen des Waldwebens kann er seinen österreichischen Dialekt gewinnbringend einbringen. Seine weitere Kariere ist vorgezeichnet, eben ist er an der Deutschen Oper Berlin als Rienzi eingesprungen. Ralph Ertel (Mime) ist, wie bereits im Rheingold, ein lyrischer Tenor, der aus der baritonalen Lage heraus glanzvoll mit Ausdruck und Durchschlagskraft aussingen kann. Gelungen auch das Wiedersehen mit Gerard Kim als Wanderer. Er verfügt über eine gut fundierte Tiefe, kann aber auch die Höhen mitreißend gestalten. Seine Wortverständlichkeit ist beispielhaft, das Klangvolumen hat er noch steigern können. Weiterentwickeln konnte sich auch Gerd Vogel als Alberich, denn er hält sich an die Gesangslinie. Er erzeugt die Dämonie des Alberich durch gutturales baritonales Timbre und gestaltet keine bloße Sprechrolle. Christoph Stegemann ist ein schöner tiefer Baß, genau richtig um die Mystik des Drachen Fafner zum Leben zu erwecken. Nicht so positiv ist die Weiterentwicklung der Stimme von Lisa Livingston. Zwar ist sie als hochdramatischer Sopran eine durchwegs überzeugende Brünnhilde, jedoch geht es ohne Forcieren nicht mehr, assoziiert mit heftigem Tremolo – mit ihrem Schlußton überschreit sie Siegfried. Dafür präsentiert Ines Lex als Stimme eines Waldvogels eine klangverliebte hohe Zwitscherstimme.
Für Karl-Heinz Steffens ist der Ring mehr ist als eine Aneinanderreihung von Leitmotiven. Zwar werden die Motive klar dargelegt, aber es gelingt ihm, die Wagnerschen Klangbögen zu einem großen Ganzen zu schweißen. So entwickeln die Schmiedelieder und das Waldweben eine interessante Grenzerfahrung zwischen Wagners monumentaler Wucht und symphonischer Dichtung.
Fazit
Allein die Sängerbesetzung und das Orchester lohnt die weite Fahrt nach Halle oder Ludwigshafen. Und nach dem Siegfried kann man konstatieren, daß die Arbeit von Hansgünter Heyme überzeugt. Hier wird mit einfachen Bühnenmitteln, wenig Ausstattung, durchdachtem Handlungsablauf und bis ins kleinste Detail stimmiger Personenführung großartige Wirkung erreicht. Tosender Applaus für einen gelungenen Opernabend, der die Meßlatte für die Ringe im Jubiläumsjahr 2013 sehr hoch legt.
Oliver Hohlbach
Bild: Gert Kiermeyer
Das Bild: Andreas Schager (Siegfried) kämpft gegen den Riesenwurm.