Heidelberg, Städtische Bühne – LA CLEMENZA DI TITO

von Wolfgang Amadeus Mozart (1756–1791), Dramma serio per musica in zwei Akten; Libretto: Caterino Tommaso Mazzolà nach dem Dramma per musica von Pietro Metastasio. UA: 6. September 1791, Gräflich Nostitzsches Nationaltheater, Prag.
Regie/Bühne: Christian Sedelmayer, Kostüme: Bettina Schanz-von Koch, Beleuchtung: Steff Flächsenhaar, Dramaturgie: Bernd Feuchtner, Dirigent: Cornelius Meister, Philharmonisches Orchester und Opernchor der Stadt Heidelberg, Choreinstudierung: Jan Schweiger
Larissa Krokhina (Vitellia), Angela Kerrison (Servilia), Jana Kurucová (Sesto), Olga Privalova (Annio), Hubert Wild (Publio) u.a.
Besuchte Vorstellung: 3. Oktober 2008 (Premiere)

Kurzinhalt
heidelberg-titus.jpgVitellia, die Tochter des gestürzten Kaisers Vitellius, trachtet nach der Liebe und der Hand des für seine Milde und Güte bekannten Kaisers Tito. Dieser jedoch plant, die Barbarin Berenice zu heiraten. Empört nutzt Vitellia die Liebe Sestos zu ihr aus, und überredet ihn, einen Anschlag auf Tito, dessen engsten Freund, zu verüben. Mittlerweile hat der Kaiser Berenice fortgeschickt und will nun Servilia, die Schwester Sestos und die Geliebte Annios, heiraten. Diese, mutiger als ihr Geliebter, gesteht Tito ihre Verbindung zu Annio. Der Kaiser ist so erfreut über die Ehrlichkeit Servilias, daß er auf sie verzichtet und beschließt, Vitellia zur Frau zu nehmen. Als diese jedoch davon erfährt, ist es zu spät: Sesto hat das Kapitol in Brand gesteckt und ist überzeugt, Tito erstochen zu haben. Der Kaiser überlebt jedoch dank einer Verwechslung, Sesto wird festgenommen und von Tito schweren Herzens zum Tode verurteilt. Vitellia, von Schuldgefühlen geplagt, gesteht den Kaiser ihre Schuld, um Sesto zu retten. Tito ist entschlossen, seine Milde walten zu lassen und vergibt allen.
Aufführung
Christian Sedelmayer verzichtet auf einen zwanghaft modernen Rahmen und hat einen Raum im pompejanischen Stil gestaltet. Dessen Schlichtheit und der Verzicht auf weitere Requisiten als ein Sofa gibt den Charakteren die Möglichkeit, sich als freie und moderne Personen zu entfalten. Der auffällige Bühnenboden ist mit Edelmetallplatten ausgelegt und wirkt geradezu verspiegelt, außerdem ragt er steil auf. Besonders zu betonen sind die Bühnenbilder mit einer Sturzfunktion, die das Chaos des brennenden Kapitols im zweiten Akt anschaulich verkörperten.
Kleine Textkürzungen wurden vorgenommen, die aber nichts Sinntragendes fallen ließen, sondern fortlaufende Spannung garantierten.
Am auffälligsten kostümiert war der Chor, der mehrmals seine Kleidung wechselte: Aufwendige Kleidung eines dekadenten, Orgien feiernden Hofstaates im ersten Akt, Trauerkleidung nach dem vermeintlichen Tod Titos und Festkleidung am Ende.
Sänger und Orchester
Eindeutige Höhepunkte des Abends waren Larissa Krokhina, die als Vitellia stimmlich und schauspielerisch begeisterte und gerade in der Höhe brillierte, und vor allem Jana Kurucová, die ihre Hosenrolle als Sesto hervorragend meisterte und deren Mezzosopran Sestos Gewissensqualen ergreifend interpretierte. Winfried Mikus mag mit seiner eher für rauhe Charaktere geeigneten Stimme nicht jedermanns Geschmack entsprochen haben, überzeugte aber schauspielerisch. Sowohl Angela Kerrison als eine nicht weniger liebreizende als mutige Servilia, wie auch Olga Privalova als souverän gespielter Annio zeigten gesanglich erfreuliche Leistungen. Als ein unauffälliger, aber deswegen nicht weniger überzeugender Publio agierte Hubert Wild, der mit einem klaren Bariton einen wunderbareren Ausgleich zu den zahlreichen Frauenstimmen (übliche für die Form der Opera seria) bildete.
Cornelius Meister dirigierte, den Szenen angemessen, mal dramatisch, mal gefühlvoll und brachte sowohl Chor als auch Orchester bis zum Schluß konstant angenehm zum Klingen.
Fazit
Viele Details wie der verspiegelte Boden, die umstürzenden Kulissen und ein wackeliger Thron des Kaisers deuteten auf wunderbare Art das blendende Intrigenleben in einem dekadenten Kaiserreich an, in dem ein zwischen Milde und Autorität hin und her gerissener Kaiser regiert.
Weniger gelungen ist der Einfall, den Kaiser Tito als einen Blinden darzustellen, was von der ursprünglichen Intention Mozarts, ein gerechtes und gütiges Herrschervorbild für die Kaiserkrönung Leopolds II. zu schaffen, stark abweicht. War für Mozart clemenza (Milde) eine erstrebenswerte Eigenschaft, wirkt Tito, der in dieser Inszenierung sogar gegen eine Wand läuft und sich dabei die Nase stößt, wie ein tatteriger Greis, dessen Blindheit und grenzenlose Milde gnadenlos ausgenutzt werden.
Andere Regieeinfälle jedoch, beispielsweise ein Sesto im diebischen Kapuzenkostüm als Attentäter, sind witzige und gut gesetzte Akzente, die vom Publikum mit großem Vergnügen aufgenommen wurden.
Diese in sich stimmige und anschauliche Inszenierung bereitete einen überwältigenden Auftakt der neuen Spielzeit, den das Publikum mit einem stürmischen und lange nicht enden wollenden Applaus für Sänger und Regieteam gleichermaßen belohnte.

Leonore Kratz
Bild: Markus Kaesler
Das Bild zeigt Annio (Olga Privalova), Publio (Hubert Wild) und das Ensemble.

Veröffentlicht unter Opern