von Richard Wagner (1813–1883), Dritter Tag des Bühnenfestspiels Der Ring des Nibelungen in drei Aufzügen und einem Prolog, Text vom Komponisten
UA: 17. August 1876 Bayreuth, Festspielhaus
Regie: André Bücker, Bühne: Jan Steigert, Projektionen: Frank Vetter
Dirigent: Antony Hermus, Anhaltische Philharmonie, Opernchor und Extrachor des Anhaltischen Theaters Dessau, Choreinstudierung: Helmut Sonne
Solisten: Arnold Bezuyen (Siegfried), Ulf Paulsen (Gunther), Stephan Klemm (Hagen), Iordanka Derilova (Brünnhilde), Nico Wouterse (Alberich), Angelina Ruzzafante (Gutrune), Rita Kapfhammer (Waltraute) u.a.
Besuchte Aufführung: 12. Mai 2012 (Premiere)
Für Siegfried besitzt der von Alberich verfluchte Ring des Nibelungen ewige Macht. Auch Hagens Halbbruder Gunther möchte den Ring besitzen. Als es Siegfried an den Rhein zu Gunther verschlägt, verliert er unter dem Einfluß eines Zaubertranks jede Erinnerung an Brünnhilde, begehrt Gutrune und verspricht Gunther Brünnhilde zur Frau. Haßerfüllt wendet sich Brünnhilde gegen Siegfried und berichtet, daß sie quasi vermählt seien. Für seinen Betrug an Gunther tötet Hagen auf der Jagd Siegfried, doch Brünnhilde stürzt sich mit dem Ring in den für den Toten brennenden Scheiterhaufen. Die Flammen erfassen Walhall, die Götterdämmerung bricht an: Der Ring versinkt im Rhein und die Welt ist erlöst vom Fluch.
Aufführung
Der Ring in der Bauhausstadt Dessau, die Götterdämmerung im Bauhaus-Stil, wie ein Architektur-Designstil Bühnenbild und Personenführung beeinflussen kann, zeigt uns André Bücker, der Intendant des Theater Dessau: Die vielfarbigen Designer-Kostüme lassen Assoziationen in alle Richtungen zu. Ebenso ist jeder Figur eine eigene Geste zugeordnet. So zeichnet sich der ganz in weiß gekleidete Siegfried mit rotem Haarschopf und Stechschritt aus. Das Bühnenbild wirkt einfach: Die Spielfläche ist in zwei Ebenen aufgeteilt, die versenkt und gehoben werden können. Die hintere Ebene kann den Brünnhildenfelsen aufnehmen, der aus verschiebbaren Quadern besteht. Die vordere Ebene kann ein Stahlgestell (Niebelheim) aufnehmen, in das eine obere Plattform und drei Aufzüge integriert sind. Um diese Spielfläche hängen zwei gekrümmte Vorhänge, die kreisförmig verfahren werden können. Über dieses Bühnenbild werden Projektionen geworfen, die mit vielen Formen und Farben spielen.
Sänger und Orchester
Dominiert wird das ausgezeichnete Sängerensemble vom Rollendebüt Arnold Bezuyens als Siegfried. Er ist von der lyrischen Rolle des Loge aus dem Rheingold nun ins Heldentenor-Fach vorgestoßen. Nach dem Abend kann man feststellen, daß das Potential für diese Weiterentwicklung zweifellos vorhanden ist. Er versucht zunächst alle Töne – besonders die Heil-Brünnhild-Rufe – mit viel Klangvolumen auszusingen. Jedoch geht ihm spätestens zu Beginn des dritten Aktes die Luft aus, hohe Töne werden nur noch angesungen und am Ende wirkt die Waldvogel-Erzählung wie eine alternative tiefere Notierung. Iordanka Derilova als Brünnhilde ist ein hochdramatischer Sopran, der mit viel Durchschlagskraft der Brünnhilde gerecht wird, wenn ihr auch die warmen einfühlsamen Töne (noch) fehlen. Ulf Paulsen kann mit seinen stimmlichen Mitteln aus dem Vollen schöpfen – bei ihm ist Gunther ein zurückhaltender Mensch. Angelina Ruzzafante wertet mit ihren glockenklaren Tonkaskaden die Gutrune von der jugendlichen Naiven zum Vollweib auf, wird damit zur Gegenspielerin der Brünnhilde. Genau das gleiche gelingt Rita Kampfhammer als Waltraute: Ein schier unerschöpfliches Stimmvolumen und Ton-Umfang ermöglicht ihr mit einem mystisch-rauchigen Ausdruck die Verzweiflung der Waltraute greifbar zu machen. Stephan Klemm verleiht dem Hagen mit seiner soliden Baß-Stimme entsprechendes Auftreten, wenn auch ein wenig Bösartigkeit fehlt. Der Chor besticht durch transparentes Klangbild und exaktes Zusammenspiel, besonders, da er mit einem Extrachor verstärkt wurde. Antony Hermus führt die Anhaltische Philharmonie ohne Probleme durch die Untiefen der Götterdämmerung. Die symphonischen Zwischenstücke wie Siegfrieds Rheinfahrt werden monumental breit mit viel Leidenschaft gespielt. Manchmal wirkt das gefühlte Tempo sehr breit, aber das Finale wird zu einem Kumulationspunkt der Hoffnung.
Fazit
Minutenlange Ovationen, ein tobendes Publikum – das ist der Lohn für eine sehr aufwendige, den Zuschauer in der Farben-Formen-Bilderflut fast ertränkende Inszenierung. Die körperstarre gestendominierte Personenführung erinnert an Regisseur Robert Wilson, wodurch im ersten Akt Längen entstehen, denn die teilweise unverständlichen Gesten verundeutlichen manches Mal die Handlung). Auch stören die permanent grellen Projektionen unkonkreter Formen quer über das gesamte Bild. Dennoch überzeugt die Produktion durch eindrucksvolle Bühnenbilder. Musikalisch bestätigt dieser Ring das Anhaltische Theater Dessau als derzeit führendes Haus im Großraum Berlin – und als Wahrer einer Wagner-Tradition in Dessau.
Oliver Hohlbach
Bild: Claudia Heysel
Das Bild zeigt: Iordanka Derilova (Brünnhilde), Ulf Paulsen (Gunther)