MADAMA BUTTERFLY – Budapest, Staatsoper

von Giacomo Puccini (1858-1924), Tragödie in drei Akten, Libretto: Luigi Illica u. Giuseppe Giacosa nach dem Drama Madame Butterfly von David Belasco,  UA: 17. Februar 1904, Mailand

Regie: Miklós Gábor Kerényi, Bühne: Kentaur, Kostüme: Ilona Vágvölgyi

Dirigent: János Kovács, Orchester und Chor der Budapester Staatsoper

Solisten: Zsuzsanna Bazsinka (Cho-Cho-San), Katalin Gémes (Suzuki), Attila Fekete (Pinkerton), Zsuzsanna Fülop (Kate), Zsolt Molnár (Yamadori), Tamás Busa (Konsul Sharpless), Zoltán Megyesi (Goro), János Gurbán (Bonze), Kaiserlicher Kommissar (Gábor Németh)

Besuchte Aufführung: 24. Mai 2012

Kurzinhalt

Der Marineoffizier Pinkerton hat in Nagasaki ein Haus samt Dienerschaft erworben. Dazu heiratet er die Geisha Cho-Cho-San, genannt Butterfly, unter Anwesenheit einiger Gäste. Pinkerton und Butterfly verbringen danach die Hochzeitsnacht. Es vergehen drei Jahre und Pinkerton schickt seiner Rückkehr einen Brief voraus, zu dessen Verlesung der Konsul nicht kommt, da Butterfly ihn mit aufgeregten Fragen bestürmt und ihm das aus der Hochzeitsnacht hervorgegangene Kind zeigt. Der Brief kündigt an, was nun folgt: Pinkerton trifft mit seiner amerikanischen Ehefrau Kate ein. Tief betroffen will Butterfly das Kind Kate und Pinkerton überlassen. Sie selber aber ersticht sich aus enttäuschter Liebe.

Aufführung

In der Aufführung dominieren Stellwände aus Reispapier den Hintergrund der Bühne, wobei das Bühnenbild in den Akten nicht grundlegend verändert wird. Durch unterschiedliche Ausleuchtungen mit variablen Farbtönen und Symbolen werden differenzierte Stimmungen erzeugt. Im Bühnenzentrum erhebt sich ein Podest, das von einem Kirschbaum, Fackeln und mehreren Stufen-Aufwegen bestimmt ist. In der Anordnung verschiebbare Stellwände auf dem Podest simulieren dabei unterschiedliche Räumlichkeiten. Sowohl die Bühnenausstattung als auch die Kostüme sind im Stil der Zeit der Handlung angelegt.

Sänger und Orchester

Zsuzsanna Bazsinka legt ihre Cho-Cho-San in einem breiten Spektrum differenzierter Stimmentfaltung an. Pulsierend voluminöse Klangpracht in den Höhen gesellt sich dabei zu straffer Linienführung in den dramatischen Abschnitten. Die lyrischen Passagen werden von lichtdurchfluteter Heiterkeit und graziler Wendigkeit ihres Soprans bestimmt. Hinreißend gelingt ihr das Duett mit Suzuki, wobei der Mezzosopran von Katalin Gémes (Suzuki) im Scuotti quella fronda di ciliegio – Schüttle alle Zweige unsres Kirschbaums  in berückender Emphase und eindrucksvoll schwebender Leichtigkeit erblüht. Attila Fekete (Pinkerton) überzeugt darstellerisch als gekonntes Abbild naiv zupackender Kolonialmentalität sowie als ein von der  Schönheit Butterflys überwältigter und sich im Gefühls-Zwiespalt befindlicher Pinkerton. Zu einem Höhepunkt der Aufführung gerät ihm das Duett Bimba, dagli occhi pieni di malia – Mädchen, in deinen Augen mit berückendem Legato und zart schmelzendem Timbre sowie durchdringender tenoraler Leuchtkraft in den Höhen. Tamás Busa (Konsul) läßt mit seinem warmen, auch in den Hochlagen gut situierten, technisch standsicheren Bariton aufhorchen. Auch die übrigen Sänger nehmen durch ihre gesanglichen Leistungen ein. Hervorzuheben sei hierbei Tenor Zoltán Megyesi, welcher seinen Goro gekonnt als etwas linkisch erscheinende Type anlegt, was auch in der stimmlichen Phrasierung Ausdruck findet.

Ein großes Lob gebührt ebenfalls den Musikern. János Kovács führt das Orchester traumwandlerisch sicher an den vielen Fallstricken vorbei, welche die Partitur bietet. Die dramatischen Passagen versinken dabei nicht in einem pastos grellen Farbauftrag verkitscht, naiver Sentimentalität, sondern lassen stets das feine Gespinst der einzelnen, teilweise nebeneinander geführten Melodiebögen durchscheinen, welche, bei gekonnter Tiefenauslotung, die für Puccini typisch aufwühlende Atmosphäre erzeugen. Herausragend ist auch der Opernchor, der im nächtlichen Zwischenspiel in technischer Perfektion agiert.

Fazit

Die Inszenierung zeigt eine Butterfly, wie sie sein sollte: Authentisch in Bühnenbild und Kostümen, ohne viel ablenkende Spielereien, aber in der Dramatik stimmungsreich. Die Sänger laufen in diesem Ambiente zur Höchstform auf und vermitteln mit dem wunderbaren Klangkörper des Orchesters eine tief bewegende Darbietung. Die Staatsoper Budapest zeigt in perfekter Weise ein weiteres Mal, daß eine klassische Oper sehr gut ohne aktuelle Regiebezüge auskommt, ohne dabei in der Schwere eines überbordenden Kostümfundus zu versinken. Der tosende Applaus der Zuschauer für alle Beteiligten ist der Beweis.

Dr. Andreas Gerth

Bild: Pál Csillag and Tomas Opitz

Das Bild zeigt: Hochzeit von Zsuzsanna Bazsinka (Cho-Cho-San) und Attila Fekete (Pinkerton)

 

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