Frankfurt, Oper – LUCIA DI LAMMERMOOR

von Gaetano Donizetti, Libretto: Salvatore Cammarano nach dem Roman The Bride of Lammermoor (1819) von Sir Walter Scott, UA: 26. September 1835, Neapel.
Musikalische Leitung: Roland Böer, Regie: Matthew Jocelyn, Bühnenbild: Alain Lagarde, Kostüme: Eva- Mareike Uhlig, Dramaturgie: Zsolt Horpácsy, Licht: Olaf Winter, Chor: Matthias Köhler.
Solisten: Tatiana Lisnic (Lucia), Joseph Calleja (Edgardo di Ravenswood), George Petean (Enrico Ashton), Peter Marsh (Lord Arturo Bucklaw), Bálint Szabó (Raimondo Bidebent), Katharina Magiera (Alisa), Michael McCown (Normanno).
Besuchte Aufführung: 26. Oktober 2008 (Premiere)

Kurzinhalt
frankfurt-lucia.jpgDie beiden Adelsgeschlechter Ashton und Ravenswood sind zerstritten. Das gesamte Vermögen der Familie Ravenswood fiel an den Widersacher, Lord Enrico Ashton Bucklaw. Dieser ist selbst in eine schwierige finanzielle Lage geraten und hat sich zudem politisch zu weit vorgewagt. Um sich vor dem Ruin zu retten, plant Enrico die Verheiratung seiner Schwester Lucia mit dem reichen Lord Bucklaw.
Lucia weigert sich die Verbindung einzugehen. Ihr Herz gehört einem anderen, dem Todfeind der Familie: Edgardo di Ravenswood. Edgardo muß sich für längere Zeit von Lucia verabschieden, beide schwören sich vor Gott die ewige Treue.
Enrico fälscht einen Brief von Edgardo an Lucia und legt ihn als fingierten Beweis für Edgardos Untreue vor. Dadurch kann er sie schließlich dazu bewegen, einen Heiratsvertrag mit Lord Arturo zu unterzeichnen. Edgardo stürmt zur feierlichen Hochzeit von Lucia und Lord Ashton, wobei er Lucias Liebe verflucht. In der darauffolgenden Hochzeitsnacht ermordet Lucia Lord Arturo, wird aber darüber wahnsinnig. Als Edgardo erfährt, daß Lucia im Sterben liegt, will er zu ihr eilen. Doch schon ertönt die Totenglocke. Der Verlassene ersticht sich.
Aufführung
Ein großes Büro in einem Zeitungsverlag. Schreibtische, Stühle, Kopierer und Aktenschränke. Neumodisches verbindet sich hier mit einer Räumlichkeit, die an sich eher an ein Zimmer Anfang des 19. Jahrhunderts erinnert. Die Kostüme sind modern, Tatiana Lisnic (Lucia) trägt ein rosafarbenes Kleid über einer Strumpfhose und einen weiten grauen Pullover. Die Mitarbeiter des Presseverlages tragen alle ein türkisfarbenes Kostüm, ansonsten sticht nur noch Peter Marsh (Arturo Bucklaw) im pinkenem Frack und silbernen Schuhen aus den sonst in schwarzen Anzügen gekleideten Personen hervor. Alisa, die Lucias Zofe, trägt einen Hosenanzug und erinnert daher eher an eine Sekretärin als an eine Angestellte.
Die wechselnden Bühnenbilder zeigen immer wieder Räume des Bürokomplexes der Ashton-Group. Große Werbeplakate an den Wänden erinnern den Zuschauer daran, daß das Stück in der Jetzt-Zeit spielt. Die Hochzeit von Lord Bucklaw und Lucia wird zu einem großen Medienereignis: Fotografen tauchen die Szene in Blitzlichtgewitter, Dolmetscher helfen bei der Kommunikation des englischsprachigen Lords mit Enrico Ashton.
Sänger und Orchester
Die gesanglich höchst anspruchsvolle Partie der Lucia meistert Tatiana Lisnic hervorragend. Die Wandlung von der Geliebten über die bevormundete Schwester bis hin zur Verrückten weiß sie sowohl gesanglich als auch schauspielerisch umzusetzen. Ihr psychischer und seelischer Verfall ist greifbar und findet in der Wahnsinnsarie ihren Höhepunkt, bei der sie mit blutverschmiertem Hochzeitskleid sich der Illusion hingibt, mit ihrem geliebten Edgardo vor dem Traualtar zu stehen.
Der Tenor Joseph Calleja in der Rolle des Edgardo und George Petean in der Rolle des Enrico Ashton überzeugten ebenfalls durch ihre gesangliche Leistung. Beim Schlußbeifall werden sie zwar nicht genauso umjubelt wie Tatiana Lisnic, aber dennoch mit gebührend gewürdigt. Die Zofe Alisa, gesungen von Katharina Magiera, hat zwar nur einen kurzen Gesangsauftritt, mit dem sie allerdings das Publikum überzeugen konnte.
Das Orchester unter der Leitung von Roland Böer disponiert einwandfrei. Musik und Lichttechnik sind haargenau aufeinander abgestimmt.
Fazit
Die Oper Lucia di Lammermoor aus der Endzeit der Belcanto- Ära gelangte während der letzten 50 Jahre nicht auf den Spielplan der Frankfurter Oper. Matthew Jocelyn verlegte die Geschichte der beiden rivalisierenden Familien in einen modernen Presseverlag, der versucht, seinen Ruf durch eine positive Imagekampagne (die Heirat Lucias mit Lord Arturo) zu retten. Die Frage nach dem Sinn dieser Verlegung stellten sich nach der Aufführung wohl die meisten Zuschauer. Einen anderen Blick auf die Handlung der Oper oder die Charaktere brachte diese Inszenierung nicht. So ist das Publikum am Ende des Opernabends geteilter Meinung, als der Regisseur und seine Kollegen die Bühne betreten. Starker Applaus wird von Buhrufen begleitet, einige Bravorufe sind allerdings auch zu vernehmen. Die Oper ist nichtsdestotrotz allein wegen der Musik und der herausragenden Besetzung absolut sehens- und hörenswert.
Katharina Rupprich
Bild: Monika Rittershaus
Das Bild zeigt: George Petean (Enrico Ashton), Bálint Szabó (Raimondo Bidebent), Tatiana Lisnic (Lucia),
Peter Marsh (Lord Arturo Bucklaw), im Hintergrund Chor und Statisterie der Oper Frankfurt (v.l.n.r.)

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