Mainz, Staatstheater – LA SEMIRAMIDE RICONOSCIUTA

von Christoph Willibald Gluck (1714-1787); Dramma per musica in drei Akten; Libretto: unbekannter Bearbeiter nach dem Dramma per musica von Pietro Metastasio; UA: 14. Mai 1748, Burgtheater, Wien
Regie/Bühnenbild/Kostüme: Peer Boysen
Dirigent: Michael Millard, Orchester des Staatstheaters Mainz und der Hochschule für Musik Mainz
Solisten: Anne Catherine Wagner (Semiramide), Daniel Jenz (ägyptischer Prinz Mirteo), Jasmin Etezadzadeh (skythischer Prinz Ircano), Dmitry Egorov (indischer Prinz Scitalce), Alexandra Samouilidou (Tamiri), Almerija Delić (Sibari)
esuchte Aufführung: 16.10.2008 (Premiere)

Kurzinhalt
mainz-semiramide-riconoscut.jpgKönigin Semiramide regiert Babylon in männlichen Kleidern als König Nino. Bei ihr, ihrem Vertrauten Sibari und Tamiri, der Prinzessin von Baktrien, werben drei Prinzen um die Hand der jungen Prinzessin: der ägyptische Mirteo, den Semiramide nicht als ihren Bruder erkennt, der skythische Prinz Ircano und der indische Scitalce, den Semiramide einst am ägyptischen Hof als Idreno kannte und liebte. Auch Scitalce erkennt in Semiramide seine ehemalige Geliebte, die er glaubt getötet zu haben. Aus Eifersucht ermutigt Semiramide die beiden Rivalen, Scitalce zu vergiften. Doch dieser lehnt den Trank Tamiris, den sie ihm als Zeichen ihrer Gattenwahl überreichen will, ab und wird für diese Dreistigkeit verhaftet. Währenddessen versucht Sibari, Ircano zur Entführung der Prinzessin zu überreden. Als das nicht klappt, bleut er Mirteo ein, Scitalce habe in Ägypten Mirteos Schwester entführt. Und auch bei Scitalce hat er seine Hände im Spiel: ihm hatte er damals einen angeblichen Brief von Semiramide überreicht, in dem sie zugibt, einen anderen zu lieben.
Am Ende zeigt sich, warum Sibari all diese Intrigen gesponnen hat: Er selbst ist in Semiramide verliebt. Semiramide gibt sich ihrem Volk zu erkennen, das ihr sogleich als Königin huldigt: Der König soll als Königin weiterregieren. Semiramide reicht Scitalce die Hand, während Tamiri den gehorsamen Mirteo heiratet.
Aufführung
260 Jahre wurde diese Oper von Gluck nicht aufgeführt – zuletzt im Juli 1748. Die Arbeitsstelle Gluck-Gesamtausgabe hat das Werk wieder entdeckt. Peer Boysen hat sich bei Inszenierung, Bühnenbild und Kostümen der deutschen Erstaufführung besonders viel Mühe gegeben. Und das war im Kleinen Haus des Mainzer Staatstheaters auch zu spüren.
Die farbenfrohen Kostüme und das schrille Make-up ermöglichten es dem Publikum, sich schnell in die Charaktere und die recht komplizierten Beziehungskonstellationen einzufinden. Jede Rolle hatte ihr charakteristisches Aussehen: den ägyptischen Prinzen Mirteo kleidete eine schlichte, weiße Robe, der skythische Prinz Ircano sah aus wie ein Barbar mit langen Haaren und schmal gezeichnetem Bart, Scitalce trat in prachtvollem Gewand und Turban auf.
Das Bühnenbild stellte ein Rondell dar, das an eine Zirkusmanege erinnerte. In der Mitte war ein roter, prächtig umrandeter Vorhang eingelassen. Bunte Zeichnungen zierten die Kulissen. Das Orchester saß erhöht im Hintergrund.
Die Darstellung der Szene mit dem Trank ist besonders hervorzuheben: Hier untermalte Boysen die herzschlagartigen Töne der tiefen Streicher mit langsamen Bewegungen der anderen Charaktere auf Scitalce zu. Dies erzeugte eine beklemmende Situation mit knisternder Spannung.
Sänger und Orchester
Anne Catherine Wagner überzeugte mit ihrer angenehm kräftigen Stimme in der Rolle der den König Nino spielenden Semiramide. Der Tenor Daniel Jenz sang bisweilen etwas dünn und wenig fundiert. Dies paßte allerdings gut zu der bubenhaften Rolle des Mirteo. Gesanglich und schauspielerisch brillierte Jasmin Etezadzadeh (Ircano): Die Sopranistin sang mit voller Stimme und strahlte in Mimik und Gestik das barbarische Dasein der Rolle aus. Dmitry Egorov überzeugte als Scitalce. Die schwierigen Verzierungen seines Parts sang er ohne Mühe, aber seine Stimme schien stellenweise zu schlank und dynamisch einseitig.
Alexandra Samouilidou glänzte als Tamiri. Sie setzte ihre helle klare Sopranstimme besonders dynamisch ein. Ihre Intonation war nahezu perfekt. Besonders die Zerrissenheit zwischen Wut und Mitleid gegenüber Mirteo gelang ihr. Almerija Delić (Sibari) sang mit angenehmer Stimme, jedoch bisweilen etwas unsauber, vor allem bei größeren Sprüngen.
Schon in der Ouvertüre machte das Orchester Lust auf mehr, nicht zuletzt wegen der abwechslungsreichen Passagen in der Musik. Michael Millard kontrollierte sehr gut Tempo und Dynamik des Ensembles. Die Streicher spielten sich mit Leichtigkeit durch die flinken Läufe, und auch die Bläser spielten erfreulich sauber. Hervorzuheben sind die solistischen Passagen der Geige und des Violoncellos an den kammermusikalisch anmutenden Stellen der Oper.
Fazit
Die Inszenierung des Werkes ist wirklich gelungen. Die Sänger und auch die Musiker ernteten für ihre Darbietung Bravi vom Publikum. Es ist immer wieder interessant, Inszenierungen von Werken zu sehen, die bisher nicht in den Opernkanon aufgenommen wurden. Diese Oper leidet allerdings unter der stagnierenden Handlung, die bloß durch Verwirrungen aus der Vergangenheit aufgewogen wird. Die Rezitative sind gut, aber durch die ständigen eintönigen Wiederholungen in den Da-Capo-Arien erscheint das Werk streckenweise etwas langwierig.
Julia Korst
Bild: Martina Pipprich
Das Bild zeigt: Alexandra Samouilidou (Tamiri, 3. von li) bietet Dmitry Egorov (Scitalce, 5. von li) den Trank zum Zeichen ihrer Gattenwahl. Außerdem (von li): Jasmin Etezadzadeh (Ircano), Almerija Delić (Sibari), Anne Catherine Wagner (Semiramide) und Daniel Jenz (Mirteo)

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