Bayreuther Festspiele 2012

DER FLIEGENDE HOLLÄNDER

Romantische Oper

Regie: Jan Philipp Gloger, Bühne: Christof Hetzer, Kostüme: Karin Jud

Dirigent: Christian Thielemann, Chor und Orchester der Bayreuther Festspiele, Einstudierung: Eberhard Friedrich (gilt für alle Opern)

Solisten: Franz-Josef Selig (Daland), Adrianne Pieczonka (Senta), Michael König (Erik), Samuel Youn (Holländer) u.a.

LOHENGRIN

Romantische Oper

Regie: Hans Neuenfels, Bühne: Reinhard von der Thannen

Dirigent: Andris Nelsons

Solisten: Wilhelm Schwinghammer (König Heinrich), Klaus Florian Vogt (Lohengrin), Annette Dasch (Elsa) u.a.

TRISTAN UND ISOLDE

Handlung in drei Aufzügen

Regie/Bühne: Christoph Marthaler

Dirigent: Peter Schneider

Solisten: Irene Theorin (Isolde), Robert Dean Smith (Tristan), Jukka Rasilainen (Kurwenal), Kwangchul Youn (König Marke), Michelle Breedt (Brangäne) u.a.

TANNHÄUSER UND DER SÄNGERKRIEG AUF WARTBURG (DRESDNER FASSUNG)

Große romantische Oper

Regie: Sebastian Baumgarten, Bühne: Joep van Lieshout, Video Christopher Kondek

Dirigent: Christian Thielemann

Solisten: Günther Groissböck (Landgraf Hermann), Torsten Kerl (Tannhäuser), Michael Nagy (Wolfram), Lothar Odinius (Walther), Thomas Jesatko (Biterolf), Camilla Nylund (Elisabeth), Michelle Breedt (Venus) u.a.

PARSIFAL

Bühnenweihfestspiel

Regie: Stefan Herheim, Bühne : Heike Scheele, Kostüme: Gesine Völlm

Dirigent: Philippe Jordan

Solisten: Detlef Roth (Amfortas), Diogenes Randes (Titurel), Kwangchul Youn (Gurnemanz), Burkhard Fritz (Parsifal), Thomas Jesatko (Klingsor), Susan Maclean (Kundry) u.a.

Besuchte Aufführungen: Vom 24. bis zum 28.August 2012

Vorbemerkung

Die Bayreuther Festspiele gibt es seit 1876. Richard Wagner wollte das Publikum zwingen, sich in einer Provinzstadt auf das Werk zu konzentrieren. Die heutigen Eigentümer des „Grünen Hügels“ sind die Bundesrepublik, das Land Bayern, die Stadt Bayreuth und die Mäzenaten-Vereinigung Freunde von Bayreuth. Da aber die Bausubstanz am Festspielhaus bröckelt, ist Sanierungsbedarf in Millionenhöhe zu erwarten. Doch will keiner der Beteiligten diese übernehmen. Die Sanierung der Villa Wahnfried – Wagners Wohnhaus, jetzt Museum – wird ebenfalls nicht bis 2013 fertig.

Bayreuth ist immer noch dieses Provinznest. Dieser Eindruck wurde unterstrichen mit dem „freiwilligen Verzicht“ des Evgeny Nikitin, Hauptdarsteller im Fliegenden Holländer. Zu erwähnen ist, daß Nikitin in den kommenden Spielzeiten an der Münchner Staatsoper und der Met singen wird.

 

Der fliegende Holländer

Musikalisch ist die Vorstellung beglückend – besonders Dank Samuel Youn, der die Titelpartie mit großer Intensität gestaltet. Sicher hat der helle Baßbariton seine Stärken in den höheren Lagen, aber Youn gelang mit immer wortverständlicher Aussprache eine glaubwürdige Darstellung des Geschäftsmanns. Adrianne Pieczonka versucht sich mit ihrem leuchtenden jugendlichen Sopran im dramatischen Fach. Leider ist die Stimme zu schmal, zu eindimensional. Je mehr sie forciert, desto schneidender klingt es. Franz-Josef Selig gestaltet gekonnt den biederen Daland. Er gestaltet die Rolle mit volltönendem Baß und vielen Klangfarben. Michael Königs Mittellage klingt samtig weich, das Forte und die Höhen sind allerdings brüchig. Eine ideale Symbiose erlebt man zwischen Christian Thielemann und dem Festspielorchester. Absolut perfekt das Zusammenspiel trotz auffallend vieler allzu schnellen Tempi-Wechsel oder etwas zu ausgedehnten Generalpausen.

 

Im Parsifal zeigt Kwangchul Youn als Gurnemanz eine saubere Artikulation und Detlef Roth bringt mit seinem lyrischen Bariton, der reich an Unterschwingungen ist, wohlklingenden Glanz. Susan Maclean (Kundry) gestaltet ihre Rolle mit hochdramatischem Sopran und viel Durchschlagskraft. Darüber hinaus freut man sich über einen Chor, der hinsichtlich Klangbild und Zusammenspiel Maßstäbe setzt.

 

Die Produktion des Tannhäusers ist auch durch die Übernahme des Dirigats durch Christian Thielemann nicht zu retten. Die Gasanlage mit Alkoholdestillation hat mit der Suche nach wahrer Liebe nichts zu tun. Sängerisch ist die Neubesetzung des Tannhäusers durch Torsten Kerl und der Venus durch Michelle Breedt ein Schritt in die richtige Richtung. Ein Gewinn ist der samtige lyrische Bariton Michael Nagy als Wolfram, ebenso Günther Groissböck (Landgraf) mit jugendlich dynamischem Baß bei sehr tiefem Timbre und Camilla Nylund mit ihrem hellen Sopran. Leider neigte sie in der Hallenarie zum tremolieren.

 

Lohengrin spielt in einem Genlabor und ist wegen der liebevoll gezeichneten Ratten umstritten – der Bezug zwischen Ratten und Brabant bleibt unklar. Musikalisch umjubelt, denn Klaus Florian Vogt in der Titelrolle und Anette Dasch als Elsa sind momentan die besten Darsteller dieser Rollen. Wilhelm Schwinghammer (König Heinrich) kann über weite Strecken mit Georg Zeppenfeld mithalten, der bislang die Rolle sang. Der Heerrufer ist die zweite Rolle von Samuel Youn, die er neben dem Holländer gesungen hat – mit genügend heldischen Glanz in der Stimme.

 

Tristan und Isolde wurde von Anfang an wenig geschätzt, weil die Idee, schnell alternde Personen zu zeigen, hauptsächlich Langeweile verbreitete und keine tragische Liebesgeschichte tragen konnte. Sängerisch können hier nur die Männer überzeugen, Robert Dean Smith und Jukka Rasilainen, die mit ausdauernder lyrischer Stimme immer noch zu den besten Tristan und Kurwenal-Darstellern unserer Tage zählen. Schönheit und lyrischen Glanz können weder Irene Theorin (Isolde), noch Michelle Breedt (Brangäne) verbreiten.

Fazit

Jan Philipp Glogers Holländer als Neuinszenierung ist bodenständig solide, detailverliebt und nicht bierernst. Sie scheitert daran, daß die werkimmanente Kapitalismuskritik dominiert und die Liebesbeziehung zwischen Senta und Holländer zu kurz kommt.

Neben der Kinderoper, die mittlerweile bei Erwachsenen sich großer Beliebtheit erfreut, muß man abseits vom Festspielhaus auf die Suche nach Festspielwürdigem gehen. So ist das Schauspiel Richard! Mein Leben! (Studiobühne Bayreuth, Regie Uwe Hoppe) eine kongeniale Auseinandersetzung mit dem Wirken Wagners bis in unsere Tage: Aktuelle Inszenierungen? Das allerdings ist ein Elend. Aber irgendwie ist es auch sehr lustig und befriedigend zu erleben, was meine Opern so alles aushalten.

2013 kommt der Ring zum 200. Geburtstag des Meisters. Allerdings ist das Vertrauen in die Regie Frank Castorfs gering. Auch die Jugendwerke (in Kooperation mit Leipzig), die in der Sportarena (!) „Oberfrankenhalle“ aufgeführt werden, hinterlassen bei Preisen bis zu 500 Euro Kopfschütteln. Das Geburtstagskonzert im Festspielhaus am 22. Mai 2012 ist allerdings bereits ausverkauft.

Oliver Hohlbach

Bild: Enrico Nawrath

Das Bild zeigt: Adrianne Pieczonka (Senta), Franz-Josef Selig (Daland), Samuel Youn (Holländer) v.l.n.r.

( Der fliegende Holländer)

 

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