Leipzig, Oper – AIDA

von Giuseppe Verdi, Oper in vier Akten und sieben Bildern, Libretto von Antonio Ghislanzoni nach einem Szenario von Auguste Meriette, UA: 24. Dezember 1871, Opernhaus Kairo
Regie: Peter Konwitschny, Bühne Jörg Kossdorff, Kostüme Michaela Mayer-Michnay
Dirigent: Axel Kober, das Gewandhausorchester, Chor der Oper Leipzig, Choreinstudierung Sören Eckhoff
Solisten: James Moellenhoff (König), Natascha Petrinsky (Amneris), Sylvie Valayre (Aida), Carlo Ventre (Radamès), Danilo Rigosa (Ramfis), Paolo Gavanelli (Amonasro), Michael Chu (ein Bote), Viktorija Kaminskaite (Priesterin)
Besuchte Aufführung: 1. November2008 (Premiere)

Kurzinhalt
leipzig-aida.jpgDie Handlung spielt in Ägypten zur Regierungszeit Ramses’ III. zwischen 1198-1166, in einer Zeit, in der die Ägypter mehrmals gegen aufständische Völker im Süden des Landes Krieg führten. Radamès, Feldherr des Königs, liebt die äthiopische Königstochter Aida, die gefangen worden war und am Hof des Pharao als Sklavin lebt. Aber auch Amneris, die ägyptische Königstochter, liebt Radamès. Weiterer Konfliktstoff ist die Vaterlandsliebe von Aida und Radamès zu ihren Heimatländern. Der äthiopische König Amonasro, der bei den Kämpfen in ägyptische Gefangenschaft geraten ist, überredet seine Tochter Aida, aus Radamès den Angriffsplan gegen die wieder angreifenden Äthiopier herauszulocken. Daher muß Radamès bei der Schlacht gegen die Äthiopier desertieren. Doch er wird verhaftet und zum Tode durch Ersticken in einer unterirdischen Grabkammer verurteilt. In diese gelangt aber auch Aida und beide sterben gemeinsam.
Aufführung
Ein kahler weiß getünchter Saal mit einem in der Mitte stehenden Sofa, bedeckt mit überlanger roter Samtdecke, ist Schauplatz der gesamten Oper. Eine Tür links aus Zuschauerperspektive ist der einzige Zugang. Das jubelnde ägyptische Heer und – später im zweiten Akt die gefangenen Äthiopier – bleiben unsichtbar. Die Chöre aus dem Off (Bühnenintergrund) hört man zu Anfang über Lautsprecher (!), später hinter Scheidewänden. Nur einmal öffnet sich die Hinterwand des Zimmers und zeigt den Chor mit einem Dirigenten davor, der wiederum vor sich einen Monitor hat, auf dem er den Dirigenten aus dem Graben sieht, dessen Dirigat er für den Chor mit seinen Armen sichtbar macht. Vor dem Chor ist ein Orchester plaziert. Das ist aber auch das einzige Mal, daß man den Chorgesang ohne die Abdämpfung durch Vorhänge hört. Die Triumphtrompeten spielt man von den seitlich über dem Parkett hängenden Logentribünen. Am Opernende gehen Aida und Radamès auf den durch eine Videoleinwand sichtbar gemachten Leipziger Hauptbahnhofvorplatz mit all den abfahrenden Autos und Straßenbahnen.
Sänger und Orchester
Carlo Ventre (Radamès) hat eine laute Stimme. Diese setzt er so ein, daß man meint, in einer Puccini-Oper zu sein. Die Stimme wird in den Höhen eng und gepreßt. Durch ungenaue Artikulation ist kaum ein Wort zu verstehen. Das wäre insofern wichtig gewesen, da die Übertitelung nur einen verkürzten Text zeigte. Auch Sylvie Valayres (Aida) Aussprache ist undeutlich. Ihre Stimme ist weder strahlend noch lyrisch. Hinzu kommen Intonationstrübungen. Ein Lichtblick ist Natascha Petrinsky (Amneris), die ihre Stimme gut in die Höhe führte und als Marilyn-Monroe-Erscheinung auch in ihrer szenischen Aktion überzeugt. Die besten Sänger sind die Herren, allen voran Paolo Gavanelli (Amonasro). Mit vollendeter Textaussprache führt er seine Stimme geschmeidig durch alle Lagen. Hinzu kommt seine überzeugende Darstellung als gefangener Äthiopier. Ebenso lobenswert ist Danilo Rigosa (Ramfis) mit einer je nach der Situation geschickt eingesetzten klaren Stimme. Trotz den etwas kurzen Passagen überzeugt James Moellenhoff als König in Gesang und Bühnenaktion. Auffallend gut Viktorija Kaminskaite in ihrem klar intonierten Gesang als Priesterin, da ihre Sopranstimme sich sehr gut für die Wiedergabe der „ägyptischen“ Gebete eignet. Leider muß man auf die anderen Tänzerinnen des berühmten Priesterinnenballetts verzichten. Aber Frau Kaminskaite bringt trotz der langweiligen Zimmerumgebung ein wenig Leben in das Geschehen, auf das man ansonsten weitgehend verzichten muß. Die Sänger müssen allerdings auf ein gut funktionierendes Orchester verzichten: entweder ist es zu laut oder zeichnet schlecht. Eine Gesangsstütze durch Dirigent Axel Kober ist kaum bemerkbar. Aber was eigentlich das schlimmste ist: in keinem Augenblick bemerkt man ein Federn oder Schwingen der Verdischen Musik.
Fazit
Aida ist völlig ihrer Atmosphäre, besonders der von Verdi beachteten Couleur locale beraubt. Was übrig bleibt, bereitet meist Langweile. Glaubt man eigentlich mit der Reduzierung auf ein Kammerspiel die Handlung besser verstehbarer zu machen? Dennoch verzichtet das Regieteam nicht ganz auf Pyramiden und Sphinx, da man im Nilakt (3. Akt) diese auf die Hinterwand des kahlen Zimmers mit Palmen projiziert. Von einer neuen Sicht auf die Oper ist in Pausengesprächen die Rede. Verdi hat ja gerade das Schicksal der unglücklich Liebenden vor dem Glanz und Gold des Pharaonenhofs darstellen wollen, um durch diesen Kontrast die Ausweglosigkeit des Schicksals der Liebenden dem Zuschauer deutlich vor Augen zu führen. In dem von Verdi und Ghislanzoni erdachten Ambiente kommt das Leiden von Aida und Radamès doch eindrucksvoller zur Geltung als in einem Zimmer mit weißen Wänden? Gibt es nicht andere Verdiopern, die man entkleiden kann, ohne daß die Substanz der ganzen Oper so Schaden leidet wie bei Aida? Die Zuschauer empfangen dann auch den Chefregisseur Konwitschny mit ohrenbetäubendem langanhaltendem Buh, was dieser mit Grinsen quittiert. Sollen die Zuschauer zukünftig mit faulen Eiern werfen? Es ist ja übrigens keine Premiere, denn die Inszenierung wurde erstmals 1994 in Graz und 1995 in Meiningen gezeigt. Hat sie durch ihr ehrwürdiges Alter an Attraktivität gewonnen? Diese Frage möge sich jeder Zuschauer selbst beantworten.
Dr. Olaf Zenner
Bild: Andreas Birkigt
Das Bild zeigt: James Moellendorf (der König), Danilo Rigosa (Ramfis), Carlo Ventre (Radamès), Sylvie Valayre (Aida), Paolo Gavanelli (Amonasro), Natascha Petrinsky (Amneris)

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